Monatsdigest
Date: 2020/10/05 10:30:38
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien
und Afrika vom
3. bis zum 8. Jahrhundert n.Chr.
Autor Mischa Meier
Reihe Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung
Erschienen München 2019: C.H.
Beck Verlag
Anzahl Seiten 1.531 S.
Preis € 58,00
ISBN 978-3-406-73959-0
Rezensiert für H-Soz-Kult von Rene
Pfeilschifter, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Als die Post kam, war ich überrascht, dass das Buch von Mischa
Meier nicht das
befürchtete Brikett ist, sondern trotz seiner eineinhalbtausend
Seiten kompakt
und angenehm in der Hand liegt. Der Verlag hat dünnes Papier
verwendet, das
aber stabil ist und leichtes Umblättern erlaubt. Das ist kein
kleiner Vorteil.
Denn wer über Spätantike und frühes Mittelalter arbeitet, wird das
Buch häufig
aus dem Regal nehmen. Es wird, das sei jetzt schon gesagt, für
Jahrzehnte das
Grundbuch für sein Thema sein.
Nach einer monumentalen Einleitung von über einhundert Seiten
gliedert Meier in
drei große Teile: von etwa 250 bis zum vierten Jahrhundert, ein
langes fünftes
Jahrhundert, vom sechsten Jahrhundert bis etwa 750. Diese
Zeitabschnitte sind
in sich nach Regionen gegliedert, etwa Donaugrenze, Britannien
oder Afrika. Das
sorgt hin und wieder für Merkwürdigkeiten, etwa dass der Tod
Theoderichs 526
vor der Ansiedlung der Westgoten in Aquitanien 418/19 geschildert
wird.
Insgesamt handelt es sich aber um eine sinnvolle Disposition, die
leichtes
Auffinden von Interessantem und das Verfolgen von Prozessen
erlaubt.
Vielleicht ist bemerkenswerter, wonach Meier nicht gliedert: nach
Völkern.
Goten, Hunnen, Vandalen und Awaren sind für ihn keine festgefügten
ethnischen
Verbände, sondern an den Rändern unscharfe und häufig raschem
Wandel
unterworfene Identitätsgruppen. Für ihren Zusammenhalt waren nicht
nur Herkunft
oder Sprache Kriterien, sondern auch Fremdzuschreibungen der
imperialen Eliten.
Sie wanderten nicht einfach von A nach B, sondern führten komplexe
Migrationen
aus komplexen Gründen durch. Völkerwanderung, so Meier, war ein
„permanenter
Aushandlungsprozess um Zugehörigkeit und Abgrenzung“ (S. 362).
So weit ist das die herrschende Meinung in der Forschung. Schon
ungewöhnlicher
ist, dass Meier neben den üblichen Verdächtigen auch Slawen,
Berber und Araber
einbezieht. Die Analyse geht also rund ums Mittelmeer oder, wenn
man so will,
rund um das Reich. Tatsächlich bildet das Imperium Romanum die
Klammer, den
Rahmen, den Fixpunkt der Darstellung. Ziel der meisten
Identitätsgruppen sei
zunächst die Integration in den Reichsverband gewesen, später in
kleinere
Einheiten, wie die Ostgotenherrschaft in Italien, die sich
freilich immer noch
als Teil des großen Ganzen verstanden. Selbst ein Attila
überdehnte gegen Ende
seines Lebens nicht bloß seine Machtansprüche, sondern bereitete
durch das
Bemühen um Integration in die römische soziopolitische Kultur, der
er letztlich
nicht genügen konnte, seinen Untergang vor.
Die Einbettung in die Reichsgeschichte ist für
Althistoriker/innen, anders als
für Mediävist/innen, nicht fernliegend. Aber das Ganze ist nicht
nur eine Frage
der Perspektive. Das Imperium ist für Meier und einige andere
neuere
Forscher/innen kein bloßes Opfer ungünstiger Umstände und
plündernder Scharen.
Die Römer brachten viele der historischen Prozesse, die wir mit
der
Völkerwanderung verbinden, erst in Gang. Sie beeinflussten sie,
wie sie selbst
von ihnen beeinflusst wurden, und schließlich waren die
Entwicklungen im
Reichsinneren zu einem guten Teil von Pfadabhängigkeiten geprägt,
die mit der
Völkerwanderung gar nichts zu tun hatten. Dazu gehörten eine
Entfremdung gerade
der ländlichen Bevölkerung und der Unterschichten, die zum
Beispiel in Afrika
die spätere Herauslösung aus dem Reich begünstigte, oder die
wachsende Distanz
zwischen dem lateinischen Westen und dem griechischen Osten, die
nicht nur eine
politische war.
Das wichtigste dieser Elemente ist für Meier – und das wird
Kenner/innen seines
Œuvres nicht überraschen – die Religion. Die grundlegende
Verchristlichung der
römischen Gesellschaft, welche die Forschung mit einem nicht
besonders
glücklichen Begriff Liturgisierung nennt, habe die Religion
spätestens im
sechsten Jahrhundert zum wesentlichen Anker für eine von
verschiedenen Krisen
(Seuchen, Naturkatastrophen, Himmelserscheinungen, Kriege,
natürlich auch die
negativen Folgen der Migrationen) erschütterte Bevölkerung werden
lassen. Aus
demselben Nährboden erwuchs aber auch das homöische
Sendungsbewusstsein der
Vandalen, das sie zumindest anfangs derart kompromisslos gegenüber
dem
nizänischen Bekenntnis der unterworfenen Africaner und den
Ausgleichsbemühungen
diverser Kaiser agieren ließ. Im siebten Jahrhundert war es dann
die
Liturgisierung des östlichen Mittelmeerraums, die erst den
„Ermöglichungsraum“
(S. 1060) für den Islam schuf. Diese These Meiers wird vielleicht
für die
intensivsten Diskussionen sorgen. Er parallelisiert den
Wiedereinzug Mohammeds
in Mekka und die Rückführung des Wahren Kreuzes nach Jerusalem
durch Kaiser
Herakleios, beides Ereignisse des Jahres 630 und eindrucksvolle
Höhepunkte
eines religiösen Aufladungsprozesses.
So ist dieses Buch weit mehr als eine Darstellung der
Völkerwanderung geworden.
Es handelt sich um eine Geschichte der Mittelmeerwelt und der
angrenzenden
Regionen, mit einem gewissen Gewicht auf den Migrationen und
„Barbaren“. Ein
befreundeter Kollege erzählte mir vor dem Beginn des
Coronasemesters, seine
Universitätsbibliothek erlaube für jede Lehrveranstaltung die
Anschaffung genau
eines E-Books. Für seinen Kurs zur Spätantike sei dies zum Glück
kein Problem.
Angesichts des neuen Buchs von Mischa Meier brauche man im Grunde
kein anderes
mehr.
In der Tat: Meier hat in einer atemberaubenden Anstrengung die
Summe der
bisherigen Forschung gezogen. Das engbedruckte
Literaturverzeichnis umfasst
einhundert Seiten. Nur selten sind mir Partien aufgefallen, die
nicht auf dem
allerletzten Forschungsstand sind, kein einziges Mal eine, die
nicht auf einem
vertretbaren ist. Es handelt sich um kein revisionistisches Buch.
Sein Autor
ist zufrieden damit, der Forschung zu folgen, wenn sie ihm
vernünftig
erscheint. Wo das nicht der Fall ist, bezieht er aber deutlich
Stellung. Häufig
geschieht dies gegen Thesen aus dem englischsprachigen Raum, und
das macht sein
Werk auch zu einem sehr deutschen oder vielleicht besser:
kontinentalen Buch.
In der bekannten Debatte, ob das Völkerwanderungsgeschehen eher
als
Transformation oder als Abfolge kriegerischer Invasionen
einzuordnen sei,
spricht sich Meier fast zwangsläufig für die erste Option aus.
Denn je weiter
der erzählerische Rahmen und der betrachtete Raum gespannt sind,
desto leichter
lassen sich die Katastrophen insbesondere des fünften Jahrhunderts
als Teil
unvermeidlichen historischen Wandels begreifen. Dabei wischt Meier
die selbst
für die Antike exzessiven Gewaltanwendungen keineswegs beiseite.
Er erklärt
seinen Standpunkt im Epilog mit einleuchtender Einfachheit: Das
Römische Reich
decke sich ja nicht mit der Spätantike, und während das eine fast
untergegangen
sei, habe die andere den Boden für eine neue Mittelmeerwelt und
ein neues
Europa geschaffen.
Bei allen Vorzügen des Werkes, zu denen nicht zuletzt die
wunderbaren, von
Peter Palm gezeichneten Karten zählen, gibt es doch ein Manko: Nur
wenige
werden das Buch im Ganzen lesen. Trotz des literarischen Talents
des Autors,
des gelegentlichen Humors, der analytischen Höhepunkte haben es
Leser/innen,
die nicht bereits gut über die Spätantike Bescheid wissen, schon
wegen der
nicht strikt chronologischen Gliederung schwer. Und spätestens
wenn sie im Text
auf eine unübersetzte griechische Wendung treffen, wissen sie,
dass das Buch
nicht primär für sie geschrieben ist.
Doch auch Spezialist/innen werden eher Passagen, Abschnitte oder
Kapitel lesen.
Selbst ihnen wird es schwerfallen, dabeizubleiben, wenn sie sich
nach achthundert
Seiten wieder einmal durch Ursprungslegenden und Ethnogenese
arbeiten müssen,
diesmal die der Langobarden. An der Fülle der Details droht selbst
der größte
Enthusiasmus zu brechen. Wirklich schlimm ist das freilich nicht.
Einige der
größten Bücher der Alten Geschichte hat kaum jemand von vorn bis
hinten
durchgelesen. Mommsens Staatsrecht oder Jones‘ Later Roman Empire
fallen mir
ein.
Der tiefere Grund für das „Problem“ ist das Fehlen der einen,
treibenden These
und der neuen Meistererzählung. Meier begründet dies, noch
ziemlich am Anfang,
mit der lückenhaften Quellenlage und dem weitgehenden Fehlen der
Perspektiven
der Migranten. Die Völkerwanderung erzähle sich nicht von selbst.
Doch
eigentlich stehen die Leitmotive, aus denen sich das große
Narrativ formen
ließe, durchaus bereit: die Religion, das Reich im Mittelpunkt,
die
Verflechtung von allem mit jedem. Eine Straffung, Akzentsetzung
und
Dramatisierung der Darstellung wäre durchaus möglich gewesen, und
es wäre eine
legitime Entscheidung gewesen. Dass Meier diese Entscheidung sah
und bewusst
nicht traf, wird erst im Epilog deutlich: „Wer sich auf die
Komplexität des
Gegenstandes einlassen möchte, erkauft dies mit dem Verlust der
großen
Erzählung“ (S. 1090). Ausführlichkeit und Detail sind damit
gerechtfertigt. Den
Leser/innen wird ein eigenes Urteil ermöglicht, anstatt dass der
Verfasser es
für sie fällt. Die Uneindeutigkeit historischer Prozesse wird
akzeptiert und
nicht in der Interpretation aufgehoben. Diese Haltung kostet Meier
Leser/innen
und Rezeptionstiefe. Sein wissenschaftliches Ethos aber ist
bewundernswert.
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Date: 2020/10/10 10:38:41
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Saarbrücker Zeitung,
Lokalteil St. Wendel, C6 Lokales
[Ergänzt durch Einträge in Klammern.]
Für die
Opfer der ersten
Massendeportation
80. Jahrestag der „Wagner-Bürckel-Aktion", von der auch acht
Juden aus dem
heutigen Landkreis St. Wendel betroffen waren, ["] steht an ["]
. [unglückliche
Formulierung]
St WENDEL (red) Vor 80 Jahren, am 22. Oktober 1940, wurden 6500
Juden aus
Baden, der Pfalz und dem Saarland bei der so genannten
„Wagner-Bürckel-Aktion"
in das Internierungslager Gurs (Frankreich) verschleppt. Es war
die erste Massendeportation
im Dritten Reich, initiiert von Josef Bürckel, Gauleiter
Saarpfalz, und Robert
Wagner, Gauleiter Baden. Ziel der Aktion war es, alle Juden aus
ihrem
Machtreich zu vertreiben. 134 Menschen aus dem Saarland waren
betroffen, aus
dem heiingen Landkreis St. Wendel acht [aus St. Wendel vier:
Erna Berl, Eduard
Reinheimer mit seiner Ehefrau Alice Hermine Bonem und ihrer
Tochter Sara Ilse
Reinheimer.]
Aus Anlass des 80. Jahrestages der Deportation wird es am
Donnerstag, 22.
Oktober, eine Gedenkstunde in St. Wendel gehen. „Wir erinnern,
damit es nicht
vergessen wird — unserer Zeit wichtiger denn je. Wir beobachten
hier und anderswo
autoritäre Tendenzen, Ausgrenzung und Hass, Antisemitismus,
Populismus und die
Missachtung der Menschenwürde", sagt Landrat Udo Recktenwald
(CDU).
Es sei zu beobachten, dass sich Menschen gegen die
freiheitlich-demokratische
Grundordnung stellen. „Dagegen wiederum müssen wir uns stellen.
Dies ist eine
Lehre unserer Geschichte. Zum Erinnern gehört auch Aufklären,
Aufzeigen, wozu
es führen kann, wenn wir unsere Augen verschließen", mahnt der
Landrat.
Konkret, so berichtet ein Sprecher des Landkreises weiter; wird
das
Adolf-Bender-Zentrum am Donnerstag, 22. Oktober, ganztätig mit
Aktionen an die
Deportation erinnern.
Um 16 Uhr bietet Eberhard Wagner, Vorsitzender des Marpinger
Vereins Wider das
Vergessen und gegen Rassismus, eine Stadtführung an. Deren Ziele
sind die
Stolpersteine, die für die am 22. Oktober nach Gurs deportierten
jüdischen Bürger
St. Wendels verlegt wurden, sowie der Standort der ehemaligen
Synagoge.
Ausgangspunkt der Tour ist der Schlossplatz St. Wendel. Aufgrund
der
Coröna-Pandemie gelten bei dieser Veranstaltung laut Sprecher
die aktuellen
Hygieneregeln. Daher ist eine Voranmeldung notwendig:
verein(a)widerdasverges - sen.
de.
Um 17.30 Uhr beginnt die Gedenkstunde in der evangelischen
Stadtkirche St.
Wendel. Neben Landrat Udo Recktenwald wird Kathrin Andres,
Abteilungsleiterin
Bildung im Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes
sprechen. Im Anschluss
referiert Historiker Dieter Wolfanger zum Thema „Die Deportation
der Jüdinnen
und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland am 22. Oktober
1940".
Anschließend folgt eine Andacht unter Leitung von Pfarrerin
Christine Unrath. Die
musikalische Begleitung der Feier übernimmt Jürgen Brill.
Auch für die Gedenkstunde in der Stadtkirche gelten Abstands-
und Hygieneregeln.
Darauf weist der Sprecher hin. Für die Veranstaltung im
Kirchenraum und im
angrenzenden. Saal sind insgesamt 60 Gäste zugelassen. Daher
wird um Anmeldungen
gebeten: E-Mail:
st.wendel(a)ekir.de,
Tel. (0 68 51) 25 00. Es werden ausschließlich Sitzplätze
vergeben. Zudem sind
mehrere Lüftungspausen vorgesehen.
HINTERGRUND
Die von den Kultusministern von Baden-Württemberg,
Rheinland-Pfalz und dem Saarland
am 9. September 2019 geschlossene Ländervereinbarung sieht die
Instandhaltung
der Deportiertenfriedhöfe in Gurs und der Region vor. Zum 80.
Jahrestag der
„Wagner-Bürckel-Aktion" sollte zudem die Ausstellung unter dem
Titel „Gurs
1940. Deportation und Ermordung südwestdeutscher Jüdinnen und
Juden"
eröffnet werden, berichtet ein Sprecher. Damit betraute das
baden-württembergische
Kultusministerium die Bildungs- und Gedenkstätte „Haus der
Wannsee-Konferenz", Berlin. „Gurs" steht für die erste große
Deportation bevor in Folge der Wannsee-Konferenz am 20. Januar
1942 die
Deportationen in die Vernichtungslager in Osteuropa begannen.
Die am 80. Jahrestag
geplante Eröffnung in der Evangelischen Stadtkirche St. Wendel
wurde aufgrund
der Corona-Pandemie auf den 8. April 2021 verschoben. Dann
öffnet die
Ausstellung auch in allen anderen Landkreisen und dem
Regionalverband
Saarbrücken. Das ist möglich, so erläutert der Sprecher, weil
die auf 26
Wandtafeln konzipiert Ausstellung zum Ausdrucken vorliegt. Die
Landeszentrale
für politische Bildung Saarland koordiniert die
Ausstellungsaktivitäten und
stellt allen Landkreisen die Ausstellungstafeln kostenlos zum
dauerhaften Verbleib
zur Verfügung.
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Date: 2020/10/14 07:53:53
From: Hans-Joachim Hoffmann <hans-joachim-hoffmann(a)web.de>
Letzte Führung über den Jüdischen Friedhof 2020
„Gräber sind
Wege in die Vergangenheit.“ Mit dieser Feststellung
eröffnet Leena
Ruuskanen ihre 1992 erschienene Dokumentation „Der
Heidelberger Bergfriedhof.
Kulturgeschichte und Grabkultur. Ausgewählte Grabstätten“. Um
diesen Weg in die
historische Vergangenheit Ottweilers, insbesondere in die
endgültig 1940
einsetzende Vergangenheit der jüdischen Gemeinde Ottweiler,
mitzugehen, bieten
Klaus Burr und Hans-Joachim Hoffmann interessierten Besuchern
die Führung über
den jüdischen Friedhof Ottweiler an.
Prof. Dr. Michael Brocke, der Leiter des
Steinheim-Instituts
Duisburg, sieht in den jüdischen Friedhöfen ein steinernes
Archiv, das zu lesen
unser Bemühen sein sollte. Denn wenn man „einen
Friedhof als geschichtlich gewolltes und gewordenes Ganzes
zu studieren und
alle einzelnen Elemente seiner Schrift- und Zeichensprache
zu entziffern
(sucht), [...] so wird man der versteinerten
Lebensgeschichte einer Gemeinde
gerecht.“
Einzelne Elemente der Schrift- und Zeichensprache
stellen die
Referenten bei dieser Führung in den Mittelpunkt ihrer
Ausführungen:
Das
Grabmal
Abraham Kahn nehmen sie zum Ausgangspunkt ihrer Erläuterungen.
Denn auf ihm
findet sich ein Symbol, dessen Bedeutung wahrscheinlich vielen
unbekannt sein
wird: die segnenden Hände. Zu diesem Symbol verfasste die
Ottweiler Bürgerin
Claude Meissner anlässlich eines früheren Besuches mit einer
jüdischen
Bekannten auf dem jüdischen Friedhof Ottweilers einen Dialog,
den Hans-Joachim
Hoffmann in seine Broschüre „Der Jüdische Friedhof Ottweiler“
übernahm. In
Wechselrede werden die Referenten diesen Dialog auszugsweise
vortragen, um die
Bedeutung dieses Grabsymbols den Besuchern nahe zu bringen.
Auf dem Foto Margarete Singers erkennt man links
im Hintergrund
den Grabstein für Lisette Albert mit dem Ehrenkranz und der
aufgesetzten
stilisierten Krone. Die Schrift- und Zeichensprache dieses
Grabmal wertet
Hans-Joachim Hoffmann als eine äußerst gelungene Kombination
von Form und
Sprache, um der verstorbenen Lisette Albert einen ehrenden,
dauerhaften Nachruf
zu widmen.
Abgerundet wird die Führung durch Hinweise auf
die Entwicklung der
jüdischen Gemeinde, verbunden mit Hinweisen zu einzelnen
jüdischen Familien
Ottweilers und ihren Grabmalen. Am Ende können die Besucher
ungezwungen den
jüdischen Friedhof begehen; die Referenten stehen bereit, sich
daraus ergebende
Fragen zu beantworten.
Zur
Aufarbeitung der NS-Zeit und zur Erinnerung an die letzten
jüdischen Bewohner
Ottweilers verfasste Hans-Joachim Hoffmann die Dokumentation
„Seid vorsichtig
mit der Obrigkeit...! Beitrag zur Erinnerungskultur und
Lokalgeschichte
Ottweilers“. Dieses 405 Seiten umfassende Buch (ISBN
978-3-946313-01-4) kann
zum Preis von € 19.80 erworben werden bei:
Hans-Joachim
Hoffmann, Adolf-Kolping-Weg 7, 66564 Ottweiler (06824-7990)
Sparkasse
Neunkirchen, Filiale Wilhelm-Heinrich-Straße, 66564
Ottweiler
Presse-Shop
Ottweiler, Fabio
Vitello, Wilhelm-Heinrich-Straße 13, 66564 Ottweiler.
Henn’sche
Buchhandlung Köhler,
Enggass, 66564 Ottweiler
Um die Führung
durchführen zu können, müssen die gesetzlichen Beschränkungen infolge
der Corona-Pandemie
beachtet werden. Die KVHS übernimmt die organisatorisch
vorgeschriebenen
Maßnahmen. Deshalb ist für eine Teilnahme eine Anmeldung bei
der KVHS notwendig. Anmeldungen nehmen die
KVHS Geschäftsstelle Ottweiler sowie der Referent
Hans-Joachim Hoffmann
entgegen:
s.falkenrich(a)landkreis-neunkirchen.de - 06824 906 4121
s.detemple(a)landkreis-neunkirchen.de -
06824 906 41 70
hans-joachim-hoffmann(a)web.de
–
06824 – 7990
Name und Telefonnummer werden 4
Wochen lang zur
etwaigen Nachverfolgung von Infektionsketten gespeichert;
Herr Hoffmann löscht
die Daten umgehend nach der Weiterleitung an die
KVHS-Geschäftsstelle.
Zugleich verweisen wir darauf, dass die Teilnahme
auf eigenes
Risiko erfolgt. Weder die Synagogengemeinde Saar noch
die Stadt
Ottweiler/das Stadtgeschichtliche Museum Ottweiler und die
KVHS/die Referenten
übernehmen irgendwelche Haftungen. Die TeilnehmerInnen
akzeptieren mit ihrer
Teilnahme jeden Haftungsausschluss der zuvor genannten
Institutionen und
Personen.
Termin:
Sonntag, 18.10.2020
Uhrzeit: 16.00 Uhr
Treffpunkt:
Aufgang zum Friedhof in der Straße Maria-Juchacz-Ring (aus
Richtung Schwimmbad
kommend: Kreuzung Karl-Marx-Straße/Maria-Juchacz-Ring:
rechts abbiegen - nach
ca. 80 m linker Hand Aufgang zum Friedhof) Dauer: ca. 1 ½
Stunde
Date: 2020/10/14 08:06:13
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Das Heilige Köln - Tochter
Roms. Beiträge zu den Grundthemen
der Kölner Geschichte
Autor Heinz Finger
Reihe Libelli Rhenani 74
Erschienen Köln 2020: Erzbischöfliche
Diözesan- und Dombibliothek Köln mit Bibliothek St. Albertus
Magnus
Anzahl Seiten 234 S.
Preis € 20,00
ISBN 978-3-939160-84-7
Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-59078.pdf
Rezensiert für H-Soz-Kult von Harald Horst, Erzbischöfliche
Diözesan- und
Dombibliothek Köln
„Heiliges Köln, von Gottes Gnade der römischen Kirche getreue
Tochter“,
verkündete stolz das Stadtsiegel von Köln, das vom 12. (in
gotischer Form seit
dem 13.) bis zum 18. Jahrhundert in Gebrauch war. Als „Medium
verbindlichster
Selbstaussage der Stadt“ bezeichnet Heinz Finger diese
Siegelumschrift
(Einführung, S. 11) und nimmt sie zum Ausgangspunkt seiner
Überlegungen zur
„Heiligkeit“ und Romverbundenheit Kölns, sieht im langen
Gebrauch des Siegels
zudem die Legitimation, im Untertitel seines Buches von
„Grundthemen der Kölner
Geschichte“ zu sprechen. Dem Autor geht es um Fragen wie diese:
Woher kam der
Stolz Kölns auf das Epitheton „heilig“, woher die Betonung
seiner Verbundenheit
mit Rom, die im verklärenden Rückblick des 19. Jahrhunderts
schließlich Köln
als das „zweite Rom“ erscheinen ließ? Welchen Wandlungen war
diese Haltung im
Lauf der Jahrhunderte unterworfen? Und gab es sie nicht auch in
anderen
Städten?
Heinz Finger, bis 2015 Direktor der Erzbischöflichen Diözesan-
und
Dombibliothek Köln und seit 1996 Honorarprofessor für
Mittelalterliche
Geschichte an der Universität Düsseldorf, legt mit diesem Band
allerdings keine
geschlossene Monographie zu seinem Oberthema vor. Die insgesamt
17, nach ihren
Inhalten chronologisch angeordneten Untersuchungen zielen zwar
alle auf diesen
„speziellen Forschungskomplex“, sind jedoch thematisch „in sich
vollkommen
abgeschlossen“ (Vorwort, S. 10). Sämtliche Beiträge waren
bislang unveröffentlicht;
die Nachweise in den Fußnoten lassen freilich erkennen, dass
Finger teilweise
auch aus dem umfangreichen Fundus seiner früheren Publikationen
schöpft. Man
möchte fast annehmen, dass er im Ruhestand endlich einem Thema
nachgehen
konnte, das sich ihm im Verlauf seiner Amtszeit und der daraus
hervorgehenden
Veröffentlichungen immer wieder aufdrängte.
Der Blick auf die besagten Attribute erfordert einen Vergleich
mit anderen
Städten, die durch Rom gegründet wurden und/oder sich selbst als
heilig
bezeichneten. Nach einem Blick auf den Ursprung der Bezeichnung
„Santa Colonia“
(I, S. 15–35) folgt daher eine kurze Darstellung weiterer Städte
mit Rombezug,
allen voran Konstantinopel und Moskau (II, S. 37–41). Weitere
Vergleichsmöglichkeiten bieten Trier (VII, S. 89–110), Mainz
(VIII, S.
111–124), Xanten als „Heiliges Troja“ (XIV, S. 167–177) sowie
die Kaiserstadt
Aachen (XV, S. 185–194). Für das Früh- und Hochmittelalter,
arbeitet Finger
klar heraus, kann Köln kein Alleinstellungsmerkmal für sich
beanspruchen: So
nannte sich das „Goldene Mainz“ nicht „treue“, sondern
„besondere Tochter“ (filia
specialis) der römischen Kirche – allzu groß wird man diesen
Unterschied nicht
bewerten (S. 111–113). Dagegen setzte die Bezeichnung „Heiliger
Stuhl von
Mainz“ den Erzbischofssitz verbal dem päpstlichen Stuhl gleich
und untermauerte
den Anspruch auf eine Vorrangstellung über die Diözesen nördlich
der Alpen, die
in Mainz bereits unter Erzbischof Willigis († 1011) erreicht
wurde (S.
119–122). Auch Trier beanspruchte, nicht zuletzt mit Hilfe der
Trebeta-Legende
sowie der angeblichen Bistumsgründung durch den Petrus-Schüler
Eucharius, viel
weitergehende Privilegien als Köln und behauptete sogar eine
patriarchalische
Stellung (S. 98–105).
Der Bezug auf Rom in Köln wie in anderen Städten, selbst wenn
sie sich auf
römische Gründung beriefen, war Fingers Untersuchungen zufolge
überwiegend
kirchlich geprägt. Schnell vermischen sich also Profan- und
Kirchengeschichte
bei diesem Thema, die sich im Mittelalter ohnehin nur
theoretisch trennen
lassen, „ganz gewiss nicht in Köln“ (Vorwort, S. 10). So bleibt
die römische
Kirche in dieser Publikation lediglich in der Antike (III, S.
43–52) und bei
der behaupteten stadtrömischen Herkunft der führenden Kölner
Geschlechter
(XIII, S. 161–166) außen vor – wobei selbst der Abstammungssage
eine starke
religiöse Komponente innewohnt (S. 165 mit Hinweis auf Klaus
Militzer). Ganz
klar: Romverbundenheit Kölns ist als Verbundenheit der
kölnischen mit der
römischen Kirche – und im Hochmittelalter zunehmend mit der
Person des Papstes
zu verstehen. Finger führt dies aus in den Kapiteln zur Kölner
Kirche in der
Spätantike (IV, S. 53–65 mit Bischof Maternus als angeblichem
Petrus-Schüler;
V, S. 67–73 zu den größten Überlieferungslücken), in fränkischer
Zeit (VI, S.
75–87 von Bonifatius bis Gunthar)[1] und im Hohen Mittelalter
(IX bis XI, S.
125–149 über besondere, päpstlichen Aufgaben analoge Funktionen
der Kölner
Erzbischöfe).
Der Begriff der Heiligkeit müsste somit abgeleitet sein aus dem
Einfluss der
Kölner Kirche auf die Stadt und deren absolute Romtreue, wie es
das Stadtsiegel
eigentlich nahelegt. Doch ist bereits diese Selbstbezeichnung
eine idealisierte
Konstruktion, wie Finger aufzeigt. Der Beginn der Bezeichnung
Kölns als heilige
Stadt fällt in die Amtszeit des Erzbischofs Hildebald (amtierend
787–818) und
steht wohl in Zusammenhang mit „Strategien der Sakralisierung“
des Politischen,
des Kirchenbaus, des kaiserlichen Hofes und seiner
Protagonisten, die unter
Karl dem Großen vorangetrieben wurden – Karl Ubl hat dies im
Tagungsband zum 8.
Kölner Handschriftensymposion ausgeführt.[2] Beide Autoren betonen,
dass die
Heiligkeit eines Gebäudes oder politischen Gebildes nur zu
verstehen ist als
Ableitung von der Heiligkeit der Reliquien, die es besitzt.
Wie also Karl der Große seinen Palast aufgrund der in der
Pfalzkapelle
aufbewahrten Reliquien einen sacrum palatium zu nennen begann[3], „begründete Köln seine
Heiligkeit mit
seinem kostbaren Reliquienbesitz und nicht zuletzt mit der
enormen Quantität
dieser Reliquien“ (I, S. 18). Mit der Übernahme der
Stadtherrschaft im 14.
Jahrhundert übernahm der Rat auch die Kontrolle über die
Reliquienschätze und
ihre Verehrung, etwa durch die Organisation von Prozessionen.
Ihre Treue zur
römischen Kirche nutzte die Stadt sodann als Instrument ihrer
Opposition zum
erzbischöflichen Stadtherren (XII, S. 151–160), nicht zuletzt
während der
beiden jeweils vom Erzbischof ausgehenden Reformationsversuche
im 16.
Jahrhundert (XVI, S. 195–212). Zu Recht weist Finger jedoch
darauf hin, dass
eigentlich das Domkapitel in Zusammenwirken mit der Universität
die
Reformversuche erfolgreich verhinderte – während die Rolle der
„bürgerlichen
Eliten in der Stadt Köln“ im Nachhinein geschönt dargestellt
wurde (S. 200–205,
Zitat S. 205). Seit der Konfessionalisierung hatte sich das
Verständnis der
„Heiligkeit“ Kölns ohnehin auf die exklusiv katholische Prägung
der Stadt
verlagert (S. 195), bis sie schon im 17. Jahrhundert bei
Aegidius Gelenius (S.
209f.) und erst recht nach der Säkularisation nur noch als
nostalgische
Erinnerung an mittelalterliche Traditionen beschworen wurde
(XVII, S. 213–225).
Den Band zeichnet das stupende Spezialwissen besonders in Bezug
auf kirchliche
Besonderheiten aus, das Heinz Finger schon in früheren
Publikationen bewies. So
dürfte nur Wenigen bekannt sein, dass es am Dom eine
Dreikönigskustodie (sowie
später eine Dreikönigsvikarie) gab (S. 32), oder was es mit dem
– römischem
Vorbild nacheifernden – Kölner Kardinalskollegium (X, S.
135–139) auf sich
hatte. Dies gilt auch für den Hinweis auf den zeitweiligen
Besitz einer den
Kölner Erzbischöfen anvertrauten Kirche in der Stadt Rom (IX, S.
130–134). Die
außergewöhnliche Mitgliedschaft des Papstes im Kölner Domkapitel
macht Finger –
entgegen der bisherigen Forschung – als im Grunde „erschlichen“
wahrscheinlich
(XII, S. 151–154, bes. 153).
Inhaltlich gibt es an der Publikation wenig zu kritisieren,
vielleicht dies: Ob
Erzbischof Hildebald von Köln die Dispens von der
Residenzpflicht in seinem
Sprengel von Papst Hadrian I. selbst erhielt (S. 84), mag
Ansichtssache sein.
Tatsächlich stimmten die auf der Frankfurter Synode 794
versammelten
Reichsbischöfe dieser Bitte Karls des Großen zu, nachdem dieser
behauptet
hatte, er habe vom Papst das gleiche Privileg wie bei Hildebalds
Vorgänger
Angilram von Metz erhalten.[4] Dass Hildebald zweimal
korrekt
„Erzkaplan“ Karls des Großen genannt wird (S. 83), unmittelbar
danach aber
„Erzkanzler“ (S. 84), geht als Flüchtigkeitsfehler durch.
Weitere
Nachlässigkeiten der Publikation sind dem Bereich Orthografie
und Interpunktion
zuzurechnen. Ein Orts- und Namenregister wäre hilfreich gewesen.
„Ein gemeinsames Fazit“ (S. 227–234) steht am Ende dieses
Sammelbandes und
macht in der Zusammenfassung der einzelnen Aufsätze deutlich,
dass sich bei
aller „Heiligkeit“ und Romnähe der Stadt nicht die gesamte
Geschichte Kölns
damit erklären lässt – die bedeutende Rolle Kölns in der Hanse
etwa steht damit
überhaupt nicht in Beziehung. Warum „Heiligkeit“ und Romnähe
ausgerechnet in
Köln im kollektiven Gedächtnis verankert sind, obwohl sich auch
andere Städte
als „heilig“ und „römisch“ bezeichneten, kann auch Heinz Finger
nicht
aufklären. Dem ohnehin nicht geringen Kölner Selbstbewusstsein
war und ist es
allemal zuträglich – auch wenn die Bezeichnung „Heiliges Köln“,
wie Finger
anmerkt (S. 15), heute zunehmend ironisch gebraucht wird.
Anmerkungen:
[1] Zu diesem Abschnitt wäre
noch zu
berücksichtigen: Carl Dietmar / Marcus Trier, Colonia, Stadt der
Franken. Köln
vom 5. bis 10. Jahrhundert, Köln 2011.
[2] Karl Ubl, Hildebald von
Köln und die
Heiligkeit. Strategien der Sakralisierung in der Zeit Karls des
Großen, in:
Harald Horst (Hrsg.), Mittelalterliche Handschriften der Kölner
Dombibliothek.
Achtes Symposion (Libelli Rhenani 73), Köln 2019, S. 17–35,
Zitat S. 33. – Der
Band erschien erst kurz vor dem besprochenen Werk von Heinz
Finger und konnte
von ihm nicht mehr berücksichtigt werden.
[3] Ubl, Hildebald von Köln, S.
19–24.
[4] Albert Werminghoff (Hrsg.),
Concilia Aevi
Karolini. T. I, p. 1 (MGH Concilia 2,1), Hannover 1906, S. 171:
„quia et de
eodem, sicut et de Angilramnum, apostolicam licentiam habebat.“
|
Date: 2020/10/17 16:13:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
!!! Wieder lieferbar !!!
Veröffentlichung der Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis
Saarlouis
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Hans Peter Klauck
Lexikon der saarländischen Orte, Gehöfte, Mühlen, Industrieanlagen
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|
Date: 2020/10/17 21:40:59
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten
Abend,
eben habe ich an einem Webinar teilgenommen, bei dem ein
amerikanischer
Genealoge namens Dr. Michael Lacopo den Mitgliedern des
Vereins Palatines to
America, New York Chapter, Tips gab, wie sie ihre deutschen
Vorfahren bzw.
Kirchenbücher in Deutschland ausfindig machen können.
Darin nannte er auch das „Meyers Orts- und Verkehrslexikon des
Deutschen
Reiches“, das er stets „MeyersOrts“ nannte. Dieses Lexikon
wurde in den USA in
einer dreibändigen Ausgabe neu aufgelegt und ist in
verschiedenen Ausführungen
auch online erreichbar => (1935:)
http://wiki-de.genealogy.net/Meyers_Orts-_und_Verkehrslexikon_des_Deutschen_Reiches/1935
Die Onlineausgabe von 1912-1913 erreicht man über eine
Datenbank in englischer
Sprache, die sich aber auch ohne Sprachkenntnisse leicht
bedienen läßt => www.meyersgaz.org
Das Lexikon heißt dort „Meyers Gazetteer“. Im Feld unter
„Search the Meyers Gazetteer“
geben Sie einfach Ihren Suchbegriff ein und wählen unter den
ggfl. Optionen die
für Sie passende aus.
Ich habe „Sankt Wendel“ eingegeben und erhalte diese Optionen:
Sankt
Wendel
KrSt. (County Seat)
Sankt Wendel, Trier, Rheinland, Preussen
Sankt
Wendelin 1)
Kap., H. (House)
Sankt Wendelin, Molsheim, UEls.
Sankt
Wendelin 2)
Kap., H. (House)
Sankt Wendelin, Oberkirch, Offenburg, Baden
Sankt
Wendel zum Stein
Wallfahrtskapelle
Sankt Wendel zum Stein, Künzelsau, Jagstkreis, Württemberg
Klicke ich jetzt auf „Sankt Wendel“ in der oberen Option,
komme ich auf eine
Seite, auf der linkerhand als Bild der Eintrag aus Meyers
Lexikon abgebildet
ist, verfaßt allerdings in Fraktur.
Schräg darunter werden die alten deutschen Abkürzungen in
Englisch erklärt,
wenn auch nicht erschöpfend. Eine adäquate Übersetzung bietet
hier z.B. der
Übersetzer „https://www.bing.com/translator“, in den sie
diesen englischen Text
hineinladen und übersetzen können.
Unten links ist eine
Karte, auf der der
Standort angezeigt wird. Drücken Sie darauf, dann sehen Sie
entweder den
Standort auf einer modernen Google-Karte oder auf einer
historischen Karte,
vermutlich aus der Zeit um 1912-13.
Gehen Sie auf den Eintrag von „St. Wendel“ zurück, dann sehen
Sie im Menüfeld
darüber „Ecclesiastical“. Klicken Sie dort drauf, dann sehen
Sie alle Kirche in
einem bestimmten Umkreis hier um St. Wendel.
Eine wirklich starke Anwendung.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger
Date: 2020/10/19 14:04:31
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Nachmittag,
die für den 22.Oktober um 17.30 Uhr in St. Wendel in der Ev.
Stadtkirche
geplante Gedenkstunde ist abgesagt worden.
Das betrifft den Vortrag von Dr. Dieter Wolfanger, die
Stolperstein-Führung von
Eberhard Wagner und die von Pfarrerin Christine Unrath gehaltene
Andacht. Sie
sollen irgendwann nachgeholt werden, ggf. am 8. April 2021.
Das teilte Dr. Sabine Graf, Landeszentrale für politische
Bildung des
Saarlandes, heute in einer Email mit.
Josef Bürckel und seine Nazi-Schergen haben sich am Donnerstag
vor 80 Jahren
hier in St. Wendel nicht davon abhalten lassen, die Witwe Berl
und das Ehepaar
Reinheimer und ihre Tochter zu kidnappen und nach Gurs in
Frankreich ins Lager
zu bringen. Vier Juden aus St. Wendel und insgesamt 6.000 aus
Baden und der
Saarpfalz.
Roland Geiger
Date: 2020/10/20 19:35:04
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Spion ohne Grenzen. Heinz Felfe
– Agent in sieben
Geheimdiensten
Autor Bodo V. Hechelhammer,
Erschienen München 2019: Piper
Verlag
Anzahl Seiten 409 S.
Preis € 22,00
ISBN 978-3-492-05793-6
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Klaus Storkmann, Zentrum für
Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr,
Potsdam
Kurz bevor er Heinz Felfe um
Punkt 12 Uhr am 6. November
1961 im Präsidentengebäude des Bundesnachrichtendienstes (BND)
in Pullach
verhaften ließ, überreichte ihm ein Vorgesetzter noch eine
Medaille in
Würdigung für zehn Jahre treue Dienste für den westdeutschen
Auslandsnachrichtendienst. Die „Inszenierung dieses kleinen
Abschiedsstücks“
(S. 210) ließ sich der BND nicht nehmen. Felfe (1918–2008) hatte
dort und bei
seinem Vorläufer Organisation Gehlen (OG) zehn Jahre als
Spezialist für
Gegenspionage gearbeitet - und zugleich für den sowjetischen
KGB. Wer
Hechelhammers Buch liest, erfährt nicht nur alles über Felfe,
sondern auch viel
Neues und Spannendes über Geheimdienste. In nicht immer einfach
zu verstehender
Abgrenzung zur Spionageabwehr versuchte Felfes Gebiet der
Gegenspionage, in
gegnerischen Sicherheitsbehörden Agenten zu werben und so deren
Arbeitsweise
und Absichten aufzuklären. Dazu wurden erkannte oder sich selbst
offenbarende
gegnerische Spione nicht verhaftet, sondern zu Doppelagenten
„umgedreht“.
Hechelhammer verwendet dafür die geheimdiensttypische Sprache:
Im „Doppelspiel“
werde der Gegner mit „Spielmaterial“ (S. 147) versorgt. Da aber
mit Felfe der
KGB von diesen Operationen Kenntnis erlangte, konnte er
seinerseits ein
„doppeltes Doppelspiel“ beginnen – und die Spionageabwehr des
BND lahmlegen.
Hechelhammers Buch dreht sich nicht nur um Felfe, sondern um
gleich drei
sowjetische Agenten in OG und BND der 1950er-Jahre. Felfe, Hans
Clemens und
Erwin Tiebel kannten sich aus den Anfängen ihrer Berufskarriere
in den späten
1930er-Jahren beim Sicherheitsdienst (SD) der SS in Dresden.
Alle drei wurden
1950/51 in Zeiten ohne sichere berufliche Perspektive vom KGB
angeworben. Felfe
ließ sich darauf ein, auch aus Verbitterung, weil seine
Bewerbungen bei
westdeutschen Sicherheitsbehörden trotz jahrelanger Geduld nicht
vorankamen.
„Doch Felfe ließ sich auch aus Selbstüberschätzung mit den
Sowjets ein. Er war
überzeugt, dass er die Beziehung irgendwann wieder auflösen
konnte, wenn sie
keinen Vorteil mehr für ihn brachte.“ (S. 105) Felfe hatte lange
gewartet, aber
nicht lange genug. Am 1. September 1951 hatte er bei den Sowjets
unterschrieben, am 26. Oktober 1951 meldete sich die OG, am 15.
November trat
Felfe seinen Dienst bei der „Org“ an.
Mit den drei Spionen thematisiert Hechelhammer den viel zu lange
tabuisierten
Umgang von BND, Verfassungsschutz und anderen westdeutschen
Sicherheitsbehörden
mit ihren NS-belasteten Mitarbeitern. Wenn aber Hechelhammer dem
KGB vorwirft,
dieser habe gezielt NS-Belastete in die westdeutschen Dienste
bugsiert, um BND
und Verfassungsschutz bei deren späterem etwaigen Auffliegen
moralisch zu
diskreditieren, so tritt der Autor hier wohl allzu stark als
Verteidiger seines
Dienstherrn auf. Es bedurfte sicher nicht erst einer
sowjetischen Intrige, um
Altnazis in die westdeutschen Dienste zu bringen. (Ins Glashaus
hatten sich die
westdeutschen Behörden ganz allein gesetzt. Dass Sowjetunion und
DDR dann bei
sich bietender Gelegenheit mit Steinen warfen, darf nicht
verwundern. Der Kalte
Krieg war in erster Linie ein Propagandakrieg, in dem sich beide
Seiten nichts
schenkten.) Netzwerke früherer Mitarbeiter von Gestapo, SS, SD,
RSHA und den
diversen anderen Behörden im Verfolgungs- und Repressionsapparat
des
Nationalsozialismus verschafften sich nach 1949 neue Posten in
den
Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten der jungen
Bundesrepublik. Gestützt und unterstützt
von „alten Kameraden“ aus dem SD hatte sich Felfe nicht nur bei
der OG, sondern
bei nahezu allen neuaufzustellenden Diensten beworben: beim
Vorläufer des
Verfassungsschutzes des Landes NRW, beim aufzustellenden
Bundesamt für
Verfassungsschutz, beim Bundeskriminalamt (BKA), auch bei der
Kölner
Wasserschutzpolizei. Anders als die OG hatten die Kölner eine
Regelanfrage an
das Berlin Document Center (BDC) gestellt, in dem die Amerikaner
die
Personalakten der NSDAP aufbewahrten. So erfuhr die
Wasserschutzpolizei 1948,
was der BND erst 1961 völlig überraschend feststellte: dass
Felfe eine
SD-Vergangenheit hatte. Allerdings hatten auch die Briten
verhindert, dass die
braun-schwarzen Anfänge von Felfes Berufsleben bei westdeutschen
Behörden in
die Akten kamen, um ihren V-Mann zu schützen. In den Jahren nach
1945 bestritt
er seinen Lebensunterhalt als Informant des britischen
Geheimdienstes in NRW.
Felfe wurde zum „Nachrichtenhändler“ (S. 83) mit zweifelhaften
Ruf, „politisch
unzuverlässig“ und mit „dubiosen Ostkontakten“ (S. 110). Die als
Besatzungsmacht in NRW das Sagen habenden Briten warnten später
den dortigen
Verfassungsschutz vor der Bewerbung Felfes und verhinderten auch
seine
Anstellung beim BKA. Der MI6 hatte Felfe auf die Kommunistische
Partei angesetzt,
die er bis in ihre Bundestagsbüros beobachtete. Zum Schein
engagierte sich
Felfe in kommunistischen Gruppen, was ihm später bei OG und BND
die stetige
Sorge bereitete, was wohl „die Amerikaner“ über ihn in den Akten
hatten, wenn
diese nichts vom geheimdienstlichen Hintergrund seiner
vorrübergehenden
Hinwendung zum Kommunismus gewusst haben sollten. Felfes
Misstrauen sollte sich
als berechtigt erweisen. Am Ende waren es die „die Amerikaner“,
die ihn
enttarnten, als Spätfolge seiner Teilnahme an einer vom CIA 1956
organisierten
Amerikareise für BND-Mitarbeiter. Schon seit 1952 beäugte die
CIA Felfe
skeptisch, aber es fehlten handfeste Beweise für eine Tätigkeit
für die
Gegenseite. Diese lieferte wiederum ein Doppelagent,
Oberstleutnant Michael
Goleniewski alias „Sniper“. Dieser berichtete aus dem polnischen
Geheimdienst,
der KGB habe über die Teilnahme mehrerer seiner Agenten im BND
an einer
USA-Reise 1956 informiert. Um ihren Agenten in Warschau nicht zu
gefährden,
konnte die CIA die Informationen zunächst nicht an den BND
weitergeben. Erst
als sich Goleniewski Anfang 1961 in den Westen abgesetzt hatte,
weihte die CIA
Gehlen ein. Dem Vernehmen nach soll der BND-Präsident ob des
Verrats „schwer
geschockt“ gewesen sein – und habe seither niemandem mehr
getraut.
Über das Nachzeichnen der Tätigkeit Felfes für nicht weniger als
sieben
Geheimdienste versucht Hechelhammer, sich dem Menschen Heinz
Felfe anzunähern.
Dies gelingt dem Autor mit bemerkenswerter Empathie, wenn auch
ohne jede
Sympathie. Der auch in Pullach noch Sächselnde sei Zeit seines
Lebens „mit Leib
und Seele Dresdner“ (S. 14) geblieben. Geprägt von seinem Vater,
einem
königlich-sächsischen Kriminalinspektor und peniblen Beamten,
habe der junge
Felfe dessen Disziplin und Ordnung verinnerlicht, die sich zur
„Pedanterie“
steigerte (S. 27). Als Einzelkind habe sich Felfe zum echten
Familienmenschen
entwickelt. Hier liegen schon die tragischen Widersprüche in
Felfes Leben
offen: Der Verrat des Dienstherrn an den nachrichtendienstlichen
Gegner ließ sich
schwerlich mit dem Beamtenethos seines Vaters in Einklang
bringen und durch
seine Agententätigkeit setzte Felfe die materielle Basis und die
Reputation
seiner Familie aufs Spiel. Weiteres prägendes Charaktermerkmal
war Felfes
unbedingte Karriereorientierung. Schon als 17-Jähriger trat er
in die SS ein,
mit 18 in die NSDAP, mit 19 arbeitete in der Registratur des
NSDAP-Gaugerichts
– immer „seine Karriere fest im Blick“ (S. 30). Hier lernte er
das akribische
Aktenstudium, das ihm später in den nachrichtendienstlichen
Verwendungen
hilfreich werden sollte. 1940, mit 22, verpflichtete er sich als
V-Mann für den
SD. 1941 wurde Felfe in den SD übernommen. Trotz fehlenden
Abiturs verfolgte er
konsequent sein Ziel, Jura zu studieren. Über ein Sonderprogramm
für besonders
NS-treue Nachwuchshoffnungen bekam er die Hochschulreife und
wurde zum Studium
an der Führerschule der SiPo und des SD in Berlin-Charlottenburg
zugelassen.
Auch dort war Felfe, obwohl als einziger ohne Vorerfahrungen,
Lehrgangsbester.
So blieb es immer in Felfes Leben. Auch nach Haftentlassung in
die DDR 1969
legte er größten Wert auf akademische Weihen. Im
Schnellverfahren wurde der
verhinderte frühere Jurastudent Diplomkriminologe, dann Doktor
und schließlich
Lehrstuhlinhaber und Professor an der Humboldt-Universität.
Hilfreich wäre neben dem obligatorischen Personenregister ein
Sachwortregister
gewesen. Mit dessen Hilfe wäre es dem Leser leichter, bei den
vielen wiederholt
mit Decknamen genannten Operationen diverser Geheimdienste den
Überblick zu bewahren,
ohne seitenweise suchend zurückblättern zu müssen, um sich die
Operation wieder
ins Gedächtnis zu rufen. Dessen ungeachtet: Das in flotter,
leichter Sprache
verfasste Buch liest sich spannender als das Drehbuch der
meisten heutigen
ARD-Tatorte. Man will es gar mehr aus der Hand legen. Dazu trägt
auch
Hechelhammers hier und da aufblitzender feiner Sinn für Ironie
bei. Zu Felfes
vom BND in Beurteilungen attestiertem Fleiß und dessen „großes
Interesse“ an
seiner Arbeit kommentiert Hechelhammer, der KGB „dürfte sich
diesem Urteil mit
Sicherheit angeschlossen haben“ (S. 125). 1958 habe der BND
Felfe in die
Beurteilung geschrieben, er sei „außerordentlich am Dienst
interessiert“ – was
„in der Rückschau wie ein schlechter Witz anmutet“ (S. 177).
Zitation
Storkmann Klaus: Rezension zu:
Hechelhammer, Bodo V.: Spion
ohne Grenzen. Heinz Felfe – Agent in sieben Geheimdiensten.
München 2019.
ISBN 978-3-492-05793-6, In: H-Soz-Kult,
21.10.2020, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-50229>.
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Date: 2020/10/23 09:32:18
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Vorbild, Inspiration oder Abgrenzung?. Die
Amerikarezeption
in der deutschen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert
Autor Magdalena Gehring
Reihe Geschichte und Geschlechter 75
Erschienen Frankfurt am Main 2020: Campus
Verlag
Anzahl Seiten 456 S.
Preis € 49,00
ISBN 978-3-593-51104-7
Inhalt meinclio.clio-online.de/uploads/media/book/toc_book-56048.pdf
Rezensiert für H-Soz-Kult von Andreas Neumann,
Universitätsgeschichtliche Forschungsstelle im Universitätsarchiv,
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Getrieben von wirtschaftlicher Not und politischer Unterdrückung
fanden in den
USA zwischen 1818 und 1914 etwa 5,5 Millionen deutsche
Migrantinnen und
Migranten eine neue Heimat. Das tradierte Amerikabild, mit dem
sich die
Hoffnung auf ein ökonomisch besseres und freieres Leben verband,
trieb
verstärkt deutsche Auswanderer/innen nach Übersee. Insbesondere
nach der
gescheiterten Revolution von 1848/49 waren unter ihnen, neben
Arbeitern und
Handwerkern, auch Menschen aus bildungsbürgerlichen Kreisen: Diese
„Forty-Eighters“ bestanden nicht nur aus demokratisch denkenden
Männern,
sondern aus ebenso gesinnten Frauen, die fortan als transnationale
Akteurinnen
den europäischen Kontinent mit Informationen aus der „Neuen Welt“
versorgten.
Mit der Rezeption dieser Informationen beschäftigte sich Magdalena
Gehring in
ihrer Dissertation aus Sicht der bürgerlich-gemäßigten
Frauenbewegung in
Deutschland.
Gehring bearbeitet ein Desiderat in den Forschungen zur
Auswanderungsgeschichte
und der damit verbundenen Amerikarezeption in Deutschland und
Europa. Innerhalb
dieser Forschungsrichtung spielten Frauen lange Zeit eine
untergeordnete Rolle,
der Fokus lag auf männlichen Emigranten sowie den Texten von
Autoren. Den
programmatischen Auftakt zur Frage nach sowie der Erforschung von
internationalen Beziehungen zwischen Aktivistinnen der
Frauenbewegung lieferte
Ute Gerhard in den 1990er-Jahren.[1] Kurze Zeit später widmeten
sich Margaret
H. McFadden, Bonnie S. Anderson und Karren M. Offen dem Thema
transnationaler
Akteurinnen.[2] Die engere Perspektive
deutscher Frauen
wurde dabei jedoch kaum berücksichtigt. Seither erschienen
zahlreiche Arbeiten
mit dem Fokus auf transnationale Netzwerke.[3] Eine Forschungslücke
besteht allerdings
bei den Verbindungen zwischen deutscher und US-amerikanischer
Frauenbewegung
insbesondere vor der Entstehung international agierender
Organisationen wie dem
„International Council of Women“ (ICW) im Jahr 1888. Die sich
daraus
ableitenden Fragestellungen lassen sich in vier Bereiche gliedern:
Erstens
zielt das Interesse auf Funktion und Wirkung der Rezeption für die
deutsche
Frauenbewegung. So macht Gehring nicht nur die Ziele dieser
Bezüge, sondern auch
die programmatischen Einflüsse beispielsweise durch eine Übernahme
von
Forderungen oder Methoden sichtbar. Neben den Fragen nach dem
Grund des
Interesses der deutschen Frauen an der US-amerikanischen
Frauenbewegung möchte
Gehring zweitens die Akteurinnen des Rezeptionsprozesses und somit
die
transnationalen Beziehungen sichtbar machen. An dritter Stelle
richtet sich ihr
Interesse auf die Darstellung und Bewertung der US-Amerikanerinnen
sowie deren
Rolle und Stellung in der US-amerikanischen Gesellschaft.
Schließlich fragt sie
nach Themen und Inhalten der Rezeption sowie nach den Quellen
dieser
Informationen.
In ihrer Methodik nimmt Gehring eine akteurs- und
organisationszentrierte
Perspektive ein. Hierzu passt auch die von Susan Zimmermann
übernommene Unterscheidung
zwischen internationalen und transnationalen Beziehungen.[4] Während auf
internationaler Ebene die
formalen Beziehungen zwischen institutionalisierten Organisationen
sichtbar
werden, kommen auf transnationaler Ebene die informellen
Beziehungen zwischen
den Akteurinnen in den Blick. Zur Analyse der
Öffentlichkeitsebenen sowie des
gegenseitigen Einflusses zwischen den Bewegungen rezipiert sie die
Modelle von
Ulla Wischermann und Susanne Kinnebrock.[5] Aus dieser Perspektive
leitet sie drei
Thesen ab: Die Amerikarezeption der deutschen Frauenbewegung sei
seit ihren
Anfängen in den 1840er-Jahren durch personelle Kontinuität geprägt
gewesen, was
einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der in den 1890er-Jahren
begonnenen
internationalen Zusammenarbeit leistete. Zudem hätte ein 1890
einsetzender
Generationswechsel als ein „positives Moment“ für die
Partizipation deutscher
Akteurinnen in diesen Bewegungen gewirkt. Schließlich ergäbe sich
aufgrund der
Rezeptionslücken kein „objektives und vollständiges Bild der
US-amerikanischen
Verhältnisse“ (S. 30). Implizit finden sich weitere Thesen: So
habe eine
gemeinsame bildungsbürgerliche Herkunft ermöglicht, dass die
deutschen Frauen
ihre Situation mit den US-Amerikanerinnen vergleichen konnten.
Zudem habe es
sich um eine gezielte Rezeption gehandelt, die beabsichtigte,
gesellschaftliche
und politische Veränderungen denkbar zu machen. Das Wissen über
die in den USA
geschehenen Veränderungen habe motivierend gewirkt und zur
Reflexion der
eigenen Situation beigetragen. Weitere Motive seien es gewesen,
über das Thema
der Auswanderung stellvertretende Kritik an den Verhältnissen zu
üben und
problematische Sachverhalte subtil zu thematisieren. Um diese
Thesen zu
untersuchen, nutzt Gehring zwei Hauptquellen: zum einen die
zwischen 1849 und
1852 erschienene und von Louise Otto-Peters redigierte
„Frauen-Zeitung“ und die
zwischen 1866 und 1919 veröffentlichten „Neuen Bahnen“, die damit
das
traditionsreichste Periodikum der deutschen Frauenbewegung
darstellt.
Im Aufbau ihrer Arbeit folgt Gehring der gewählten methodischen
Perspektive: Im
ersten Teil thematisiert sie Internationalisierungsprozesse.
Hierbei steht die
Entwicklung von Organisationsstrukturen wie Zeitschriften,
Akteursnetzwerke,
Versammlungen und Vereinsgründungen im Fokus. Die Amerikarezeption
besaß
bereits eine Tradition in der deutschen Presse. Gehring arbeitet
das qualitativ
Neue an der Rezeption durch die deutsche Frauenbewegung heraus.
Sie kann somit
glaubhaft ihre Thesen einer gezielten und kontinuierlichen
Veröffentlichung
untermauern. So ermöglichte eine zielgerichtete Berichterstattung
die Thematisierung
von Tabuthemen. Die dauerhaften Verbindungen zu mobilen
Akteurinnen legten den
Grundstein für eine zunehmend international agierende Bewegung.
Für ihre These
eines Zusammenhangs zwischen Generationswechsel und
Internationalisierung
findet Gehring allerdings keine Hinweise und erklärt diese für
widerlegt.
Vielmehr sei es eine Frage der persönlichen Einstellung gewesen,
ob sich
Akteurinnen in internationale Netzwerke begaben, und nicht eine
Sache des
Alters.
Der zweite Teil widmet sich den inhaltlichen Rezeptionsprozessen
mit einem
Fokus auf drei Kernthemen: der Frauenbildungsfrage,
Frauenerwerbsfrage sowie
der Frage nach politischen Rechten (Familienrecht und Wahlrecht).
Dabei stützt
Gehring das Bild der USA als einem „Pionierland“ mit klarer
Vorbildfunktion in
Sachen Erfahrungs- und Wissenstransfer. Konflikte, wie die
Spaltung der
US-amerikanischen Stimmrechtsbewegung, seien aus taktischen
Gründen in der
Berichterstattung verschwiegen worden, um dieses Bild
aufrechtzuerhalten. Abweichungen
ergaben sich dennoch: Die restriktiven Vereinsgesetze in Preußen,
Sachsen und
anderen deutschen Bundesstaaten erforderten eine „Methode der
kleinen Schritte“
(S. 357), die sich zum Teil deutlich von den US-amerikanischen
Bestrebungen
unterschied. Blinde Flecken identifiziert Gehring im Ausblenden
von
Frauenschicksalen, die nicht der weißen Mittelschicht angehörten
und in den
industrialisierten Gebieten im Nordosten und mittleren Westen
lebten. So
blieben beispielsweise die sich im „Black Women‘s Club“
assoziierten
Afroamerikanerinnen unsichtbar.
Im Amerikabild der deutschen Frauenbewegung scheint es kaum
negative Stereotype
gegeben zu haben, was im Vergleich zu bildungsbürgerlichen
Diskursen dieser
Zeit überraschend ist. Dort steht die USA häufig in Verbindung mit
einer aus
dem Ruder gelaufenen Moderne und die Stereotype unterscheiden
US-amerikanische
von deutscher Mentalität: Die Amerikaner erscheinen beispielsweise
als nervös,
oberflächlich, leidenschaftlich und zentriert an bloßer
Nützlichkeit. Spannungsverhältnisse
zeigten sich in der von Gehring untersuchten Rezeption lediglich
am Thema des
Nationalismus, der die damalige Idee einer „Universal Sisterhood“
zwischen den
nationalen Frauenbewegungen als eine Utopie erscheinen lässt.
Gehrings Arbeit liefert einen breiten Überblick zu
Organisationsstrukturen und
Themenfeldern. Tiefe erreicht ihre Studie durch die nahezu
lückenlose Analyse
der beiden Hauptquellen. Neben diesen Stärken finden sich
insbesondere in
methodisch-analytischer Hinsicht kleinere Schwächen: So erweckt
die Redundanz
einer vermuteten Taktik, Strategie oder gezielten Aktivität
stellenweise den
Eindruck einer durchorchestrierten Frauenbewegung – wobei diese
Interpretation
allerdings der gewählten akteurszentrierten Perspektive geschuldet
ist. Zudem
fehlt durch ihre Zentrierung auf den ADF die Perspektive des
„radikalen
Flügels“ der Frauenbewegung, der seine Aktivitäten in den
1890er-Jahren
entfaltete. Auf diese Leerstelle macht Gehring allerdings in ihrem
Ausblick
selbst aufmerksam und verweist auf eine noch ausstehende Analyse
der
Zeitschrift „Die Frauenbewegung“. Schwerer wiegt die Frage nach
bewussten und
unbewussten Lücken in der Rezeption, welche die Idee der
Möglichkeit einer
lückenlos-objektiven Rezeption impliziert. Auch die Vorstellung,
mithilfe der
Sekundärliteratur heute diese Lücken schließen zu können,
erscheint fragwürdig.
Von diesem methodologischen Problem abgesehen, empfiehlt sich die
Lektüre der
Studie vor allem vor dem Hintergrund gegenwärtiger Entwicklungen:
In ihrer Ambivalenz
erscheinen die USA heute wie damals sowohl als ein Land
progressiver Ideen als
auch als eine Gesellschaft, in der sich alle Probleme der modernen
Welt wie in
einem Brennglas zu offenbaren scheinen.
Anmerkungen:
[1] Ute Gerhard, National oder
International.
Die internationalen Beziehungen der deutschen bürgerlichen
Frauenbewegung, in:
feministische studien 12 (1994), S. 34–52.
[2] Margaret H. MacFadden, Golden
cables of
sympathy. The transatlantic sources of nineteenth-century
feminism, Lexington,
Ky. 1999; Bonnie S. Anderson, Joyous greetings. The first
international women’s
movement, 1830–1860, New York 2000.
[3] Siehe etwa Cordelia Scharpf,
Die
deutsch-amerikanische Zeitschrift „Die Neue Zeit“ (New York,
1869–1872). Mit
Beiträgen von und über Luise und Ludwig Büchner, in:
Louise-Otto-Peters-Jahrbuch (2014), S. 73–107.
[4] Susan Zimmermann,
FrauenBewegung und
Trans-Nationalität. Feministisches Denken und Streben im globalen
und
zentraleuropäischen Kontext des 19. und frühen 20. Jahrhunderts,
in: Hartmut
Kaelble / Hartmut Kirsch (Hrsg.), Transnationale Öffentlichkeiten
und
Identitäten im 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main u.a. 2002, S.
263–302.
[5] Ulla Wischermann,
Frauenbewegungen und
Öffentlichkeiten um 1900. Netzwerke – Gegenöffentlichkeiten –
Protestinszenierungen, Königstein im Taunus 2003; Susanne
Kinnebrock, Wahrhaft
international? Soziale Bewegungen zwischen nationalen
Öffentlichkeiten und
internationalen Bewegungsverbund, in: Eva Schöck-Quinteros / Anja
Schüler /
Annika Wilmers / u. a. (Hrsg.), Politische Netzwerkerinnen.
Internationale
Zusammenarbeit von Frauen, 1830–1960, Berlin 2007, S. 27–55.
Zitation
Andreas Neumann: Rezension zu: Gehring,
Magdalena: Vorbild,
Inspiration oder Abgrenzung?. Die Amerikarezeption in der
deutschen
Frauenbewegung im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2020. ISBN 978-3-593-51104-7, In: H-Soz-Kult,
23.10.2020, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-28820>.
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Date: 2020/10/25 21:02:36
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Guten Abend,
heute nachmittag ging das Seminar „Vertiefende Familienforschung“
in der
Schloßakademie Dhaun zu Ende.
Dabei habe ich den Band mit Vorträgen vom Seminar vom letzten Jahr
vorgestellt,
ergänzt durch zwei Zusätze.
Dies sind die Themen:
Jenny Ashcraft
Was die amerikanischen Volkszählungen beinhalten
Markus Detemple
Über das Zunftwesen am Beispiel der Nassau Saarbrücker Schmiede-
und
Wagnerzunft
Roland Geiger
Von der standesamtlichen Ehe im 19ten Jahrhundert
Roland Geiger
Das Kreuz mit dem Namen
Roland Paul
Italiener in der Pfalz
Dr. Helmut Priewer
Pockenausbrüche im Westerwald im 18. Jahrhundert
Ernst-Peter Winter
Was ist das GenWiki und wie finde ich mich darin zurecht
Das Buch erscheint als Taschenbuch (broschiert) im Format A5 mit
zahlreichen SW-
und Farbabbildungen und hat 131 Seiten.
Der Band kostet 15 Euro (plus Versand) auf Rechnung.
Im Moment sammle ich Bestellungen, ehe ich wieder ordere. Deshalb
wird die
Zustellung etwa 14 Tage dauern.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger
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Date: 2020/10/26 08:56:48
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Autor
Frank Lorenz Müller
Erschienen München 2019: Siedler
Verlag
Anzahl Seiten 464 S.
Preis € 28,00
ISBN 978-3-8275-0071-7
Rezensiert für H-Soz-Kult von Dieter Weiß, Institut für Bayerische
Geschichte,
Ludwig-Maximilians-Universität München
Die Monarchiegeschichte hat in den letzten Jahren einen
erfreulichen Aufschwung
genommen, nicht zuletzt durch biographische Studien – beides war
in der
deutschen Wissenschaft lange verpönt. Anstöße dazu gingen
besonders aus dem
angelsächsischen Raum aus, und hier ordnet sich der an der
schottischen
Universität St. Andrews wirkende deutsche Historiker Frank Lorenz
Müller ein.
In einer großangelegten vergleichenden Studie erarbeitet er eine
Kollektivbiographie der europäischen Thronfolger im langen 19.
Jahrhundert. Der
Untersuchungszeitraum wird markiert durch die Hinrichtung König
Ludwigs XVI.
von Frankreich 1793 und den Untergang der mitteleuropäischen
Monarchien 1918.
Müller nähert sich seinem Thema in fünf groß angelegten Kapiteln,
in denen er
die Bedeutung und Entwicklung der Thronfolger im Vergleich
vorführt, zugleich
aber nach dem Modernisierungspotential der Monarchie als
Staatsform fragt. Es
ist kein auf Vollständigkeit ausgerichtetes Werk beabsichtigt,
aber die
zentralen Entwicklungslinien werden an aussagekräftigen Beispielen
vorgeführt.
Im Abschnitt „Unterpfand einer gesegneten Zukunft“ befasst Müller
sich mit den
ab der Geburt an die Thronfolger herangetragenen Erwartungen und
Verpflichtungen, bildeten sie doch die Garantie für die
Fortsetzung der
Monarchie. Zu den Strategien zur Überwindung der
Legitimationskrise nach der
Französischen Revolution gehörten der bewusste Einsatz der Presse
und die
Inszenierung in der Öffentlichkeit. Eine grundlegende
Voraussetzung bildete die
Konstitutionalisierung der europäischen Monarchien mit Ausnahme
des
Zarenreichs. Diese schrittweise Liberalisierung galt freilich
nicht für die
innerfamiliären Verhältnisse der Dynastien, beanspruchte doch der
Monarch eine
schier absolutistische Herrschaft über die Mitglieder seines
Hauses. Dies
verschärfte oft die typischen Konflikte zwischen den Regenten und
ihren
Thronfolgern. Auch die Welt der sie umgebenden Höfe und ihrer
Akteure werden an
Beispielen aus ganz Europa vorgestellt.
Im Anschluss wendet sich Müller den Prinzen und ihren Familien zu,
wobei es oft
zu Diskrepanzen zwischen den Erwartungen der Öffentlichkeit an ein
glückliches
Familienleben und den tatsächlichen Verhältnissen kam. Nur selten
wurden
Skandale so publik wie 1902 der Ausbruch der sächsischen
Kronprinzessin Luise
von Österreich-Toskana, die ihren Mann und die Kinder verließ. Dem
späteren
König von Sachsen gelang es, diesen Schicksalsschlag durch die
öffentliche
liebevolle Zuwendung zu seinen Kindern zu wenden. Ein
Modernisierungsfaktor für
die Staatsform rührte aus dem häufigen Generationenkonflikt,
bemühten sich
viele Thronfolger doch um liberale Reformvorstellungen. Besonders
am Beispiel
Kronprinz Friedrich Wilhelms von Preußen, des 99-Tage-Kaisers
Friedrich III.,
wird dies vorgeführt. Auch Albert Edward Prinz of Wales wurde von
seiner Mutter
Königin Viktoria von politischer Verantwortung ferngehalten, deren
strengen, am
Vorbild ihres Gatten orientierten Erwartungen er nicht entsprach.
Müller
betont, welche Disziplin und teilweise Selbstverleugnung das
öffentlich
inszenierte Eheglück und Familienleben den Beteiligten häufig
abverlangte.
Der Erziehung und Ausbildung der Thronfolger ist ein eigenes
Kapitel gewidmet.
Sie erforderte dann doch mehr, als den Namen richtig zu schreiben,
eine Zeitung
zu lesen und auf ein Pferd zu steigen, wie es Umberto I. von
Italien seinem
Sohn als Mindestanforderung eingeschärft haben soll. Als
gemeinsames Merkmal
ist im Laufe des 19. Jahrhunderts der Wandel vom Privatunterricht
zum Besuch
öffentlicher Schulen und ein zumindest kurzes Universitätsstudium
nachweisbar.
In Preußen mussten die Prinzen ein Kadettenkorps durchlaufen, auch
in
Großbritannien war die militärische Ausbildung wichtig. Müller
untersucht die
Denkschriften zur Fürstenerziehung, in die immer stärker
bürgerliche
Vorstellungen über den Bildungskanon eindrangen. Gleichzeitig
sollten die
Thronerben aber ihre künftigen Bürger übertreffen, was eine
Herausforderung
darstellte. Der Universitätsbesuch wird am Beispiel der
Kronprinzen von Bayern,
Sachsen und Württemberg vorgeführt. Freilich wurde das akademische
Studium
begleitet von einer militärischen Ausbildung. Auf die Erziehung
des ersten
italienischen Thronfolgers Viktor Emanuel verwendete besonders die
Mutter große
Mühe, schon die in Neapel arrangierte Geburt sollte den Süden an
die neue
Dynastie binden, der Knabe erhielt eine anspruchsvolle, auch
literarische
Ausbildung sowie eine Einführung in die übrigen Wissenschaften. Im
Gegensatz
dazu überforderten Königin Viktoria und Prinz Albert ihren
Thronfolger Prinz
Bertie. Dabei war die Erziehung spätestens seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts
eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse, die durch
zahlreiche
Presseartikel und Photographien begleitet wurde.
Die bürgerliche Gesellschaft dieser Zeit erwartete von ihren
Monarchen Arbeit,
Bildung und Leistung. Entsprechend dieser Entwicklung ist ein
Kapitel der Rolle
der Thronfolger in Politik, Medien und Öffentlichkeit gewidmet.
Als Beispiel
wählt Müller zunächst den preußischen Kronprinzen Friedrich
Wilhelm, der hohes
Ansehen in der nationalliberalen Presse genoss, während sein Vater
ihn von
politischen Entscheidungen fernhielt. Auch andere Kronprinzen
bemühten sich in
der Öffentlichkeit um die Anerkennung, die ihnen vom
Familienoberhaupt häufig
vorenthalten wurde, wie etwa Kronprinz Rudolf von Österreich. Die
Inszenierung
eines glücklichen Familienlebens bildete ein Element der
Medienpolitik. Der
bayerische Thronfolger Prinz Ludwig engagierte sich dagegen in der
Politik und
wurde in der Öffentlichkeit als Vertreter der bayerischen
Autonomie
wahrgenommen. Er näherte sich der Mehrheitspartei des bayerischen
Zentrums an,
was einen Schritt auf dem Weg zur Parlamentarisierung bedeutete.
Die ebenfalls
öffentlich demonstrierte Wohltätigkeit half ein Kapital an
„sanfter Macht“
aufzubauen. Gleichzeitig lag die politische Bedeutung der
Thronfolger in der
Zukunftssicherung des Systems durch behutsame Reformen.
Das letzte Kapitel ist unter der originellen Überschrift „Vom
‚Tschingdada‘ zum
Weltkrieg“ der Militarisierung der Monarchien bis 1914
vorbehalten. Besonders
in Preußen, aber auch in den anderen europäischen Staaten fand
gegen Ende des
langen 19. Jahrhunderts eine immer intensivere Militarisierung
statt, die von manchen
Monarchen wie Kaiser Wilhelm II. nach Kräften vorangetrieben
wurde. Freilich
ging dies mit einer zunehmenden Professionalisierung des
Militärwesens einher,
die eine faktische Führung durch fürstliche Befehlshaber zumindest
erschwerte,
wenn nicht ausschloss. Diese Diskrepanz sollte zum Untergang der
mitteleuropäischen Kaiserreiche beitragen. Müller zeigt dies am
Beispiel des
preußisch-deutschen Kronprinzen Wilhelm, der aus dynastischen
Gründen in die
Position eines Armeeoberbefehlshabers geschoben wurde, ohne dafür
im Mindesten
qualifiziert zu sein. Sein auch während des Weltkrieges
unverändert
unbekümmertes öffentliches Auftreten und die Neigung zu einem
exzessiven
Privatleben trugen nachhaltig zum Schwinden des Ansehens der
preußischen
Monarchie bei. Auch ein pflichtbewusster Oberbefehlshaber wie
Kronprinz
Rupprecht von Bayern, der für seine Position qualifiziert war und
sich hoher
Beliebtheit erfreuen durfte, konnte dem nicht nachhaltig
entgegensteuern. Sein
Vater König Ludwig III. von Bayern wurde wie die übrigen
Bundesfürsten und der
Kaiser von Österreich von den Revolutionen am Ende des Weltkrieges
beiseitegeschoben. Zu Recht weist Müller am Ende seiner
Darstellung auf die
Ironie hin, dass die monarchische Propaganda den Krieg als
besondere Domäne der
Fürsten gefeiert habe, während eben die Niederlage in diesem Krieg
die Kronen
hinwegfegte (S. 383).
Gestützt auf eigene Archivarbeiten, gedruckte Editionen, die
Auswertung
zahlreicher Presseorgane und einen souveränen Überblick über die
reiche Literatur
erarbeitet Müller eine meisterhafte Darstellung der Entwicklung
und
Veränderungen der Positionen der europäischen Thronfolger, wobei
er die
individuellen Besonderheiten nicht vergisst. Der Blick auf alle
Kronprinzen und
einige Kronprinzessinnen vermag erstaunliche Gemeinsamkeiten zu
verdeutlichen.
Der Verfasser fragt aber auch nach der Macht und Zukunft der
Monarchie als
Staatsform. Im 19. Jahrhundert sei es der Monarchie über alle
sozialen und
wirtschaftlichen Umbrüche hinweg gelungen, sich gleichzeitig als
Bewahrer von
Tradition und Impulsgeber für Reformen zu inszenieren. Dadurch
konnte die
Staatsform stabilisiert werden, wobei den Thronfolgern als
Hoffnungsträgern
eine zentrale Rolle zukam, Müller spricht von „Europas royaler
Spätblüte“ (S.
14). Gerade darauf aufmerksam gemacht zu haben, ist das Verdienst
dieses
Bandes. Müller betont, dass der Untergang der mitteleuropäischen
Monarchien
1918 nicht zwangsläufig war, hatte diese Staatsform nicht zuletzt
durch ihre
Thronfolger im langen 19. Jahrhundert ihre Anpassungsfähigkeit und
Reformierbarkeit angesichts veränderter Zeitumstände bewiesen.
Noch 1918 waren
gerade viele Sozialdemokraten Anhänger eines reformierten
Volkskönigtums. Der
Band wird durch ein ausführliches Personenregister erschlossen und
durch
aussagekräftige Abbildungen illustriert. Es ist ein intelligentes
Buch, es ist
ein gut lesbares Buch und es ist ein Buch mit Anregungen zu
weiteren
Forschungen – es ist vor allem auch ein Buch, das die
Notwendigkeit und den
Nutzen der Monarchieforschung aufzeigt.
Zitation
Dieter Weiß: Rezension zu: Müller, Frank Lorenz: Die Thronfolger.
Macht und
Zukunft der Monarchie im 19. Jahrhundert. München 2019. ISBN 978-3-8275-0071-7, In: H-Soz-Kult,
26.10.2020, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-29708>.
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Date: 2020/10/26 13:23:38
From: H. Brachmann <fambrach(a)t-online.de>
Hallo Herr Geiger,
bitte senden Sie mir den heute angekündigten Seminarband auf Rechnung zu.
Mit freundlichen Grüßen
Hermann Brachmann
Uhlandstraße 31
89179 Beimerstetten
PS: Wie kam es, dass Sie neulich eine an Sie persönlich gerichtete Mail
auf der Saarlandliste veröffentlichten?
Date: 2020/10/28 16:46:09
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Ehedispensen
im oberen Erzbistum Trier
1731-1748
von Karl-Heinz Bernardy
„Wer Familienforschung betreibt, wird bald erkennen, dass die
Quellen nicht
unerschöpflich sind und man an Grenzen stößt. Für die Zeit vor
Einführung der
zivilen Beurkundung von Geburten, Heiraten und Sterbefällen sind
die
Kirchenbücher die wichtigsten Quellen, um von Lebensdaten und
familiären
Zusammenhängen der Generationen vor uns zu erfahren. Dennoch ist
hin und wieder
festzustellen, dass Kirchenbücher im Laufe der Zeit verloren
gingen, zeitweise
nicht geführt wurden oder nicht die erhofften Informationen
enthalten.
Eine wenig beachtete Quelle für die Familienforschung sind die
Protokolle,
welche die Generalvikariate der Bistümer über erteilte
Ehedispensen angefertigt
haben. Ich hatte mir daher zum Ziel gesetzt, zumindest einen Teil
der
Generalvikariatsprotokolle des alten Erzbistums Trier über
Ehedispensen so zu
bearbeiten, dass sie für die Familienforschung von Nutzen sein
würden.
Die Protokolle ersetzen nicht die Heiratseintragungen in den
Kirchenbüchern,
können jedoch bei Fehlen der Kirchenbücher oder Lücken in den
Kirchenbüchern eine
Hilfe sein, um tote Punkte zu überwinden. Die Protokolle wurden
mit nur wenigen
Worten verfasst, enthalten aber in aller Regel die vollständigen
Namen der
Brautleute, deren Herkunftsorte oder -pfarreien und den Grund für
die
Dispensierung. In dem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen,
dass bei
Dispensen, die wegen Blutsverwandtschaft oder Schwägerschaft
erteilt wurden,
aus den Protokollen nicht ersichtlich ist, weshalb und wie die
Brautleute
blutsverwandt oder verschwägert waren. Ich bitte daher die
geneigten Leserinnen
und Leser, von diesbezüglichen Anfragen abzusehen.“
Aufgrund des Zuschnitts des damaligen Erzbistums Trier sind auch
etliche Orte
im Saarland enthalten, z.B. die in der alten Pfarrei St. Wendel im
Alten Reich
lagen. Ich habe im Register wahllos einige Ortseinträge ausgewählt
und die
Einträge gezählt.
St. Wendel und Theley haben 9 Einträge, Tholey 8, Thalexweiler bei
Lebach 12,
Urweiler 2, Wadern 8, Wadgassen 2, Wadrill 21, die Stadt Trier 39,
Wolfersweiler 3, Schwarzenholz 1, Sotzweiler 2, Püttlingen 2,
Rehlingen 4, Saarlouis
27, Saarwellingen 3Nonnweiler 2, Namborn 1, Nennig 1, Mettnich 13,
Hermeskeil
16, Imweiler, OT Oberthal, 2, Bous 5, Bettingen 2, Alsweiler 1.
Ein Eintrag lautet z.B. so:
„Nr. 822, 31.01.1838, Wendelin Weisgerber u. Margaretha Angel aus
Urweiler,
Pfarrei St. Wendel. Blutsverwandtschaft 4. Grad gleiche Linien“.
Um was es sich bei den Graden und Linien dreht, erklärt Herr
Bernardy recht
anschaulich in seiner Einleitung. Wie sich diese genealogisch
auswirken, das
festzustellen bleibt unsere Aufgabe. Ich kann z.B. die
Blutsverwandtschaft im
Beispiel nicht nachweisen, insofern hat sich die Anschaffung des
Buches für
mich schon rentiert.
Erschienen bei der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde in
Köln,
Veröffentlichungen, Band 342.
Format A5, gebunden, 218 Seiten
Preis: 12 Euro für Mitglieder, 18 Euro für Normalsterbliche.
=>
https://www.wgff-shop.de/sammelwerke/generalvikariatsprotokolle/2683/gvp-ehedispensen-im-oberen-erzbistum-trier-1731-1748?c=11
Das Buch ist frisch erschienen, deshalb halte ich es wie Herr
Bernardy: Ich
bitte daher die geneigten Leserinnen und Leser, von Anfragen
abzusehen. Ich
schaue weder nach, ob ein Ort noch ob ein Name enthalten ist =>
weil das
alles über den Link zu erfahren ist.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger
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Date: 2020/10/29 19:48:01
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Date: 2020/10/29 19:48:04
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Date: 2020/10/30 21:10:47
From: Roland Geiger via Regionalforum-Saar <regionalforum-saar(a)genealogy.net>
Mittelalterliche
Geschichte - Eine Digitale Einführung in das Studium.
Hrsg.
v. Kluge, Mathias <mathias.kluge(a)mittelalter-augsburg.de>
URL
http://www.mittelalterliche-geschichte.de/
Rezensiert
für H-Soz-Kult von Silke Schwandt, Universität Bielefeld
Die hier vorgestellte digitale Einführung in das Studium der
mittelalterlichen
Geschichte wird durch Mathias Kluge von der Universität Augsburg
bereitgestellt
und wendet sich nicht allein an Studierende, sondern an alle,
die an der
geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem
Mittelalter
interessiert sind.
Das Projekt wird von verschiedenen nationalen wie
internationalen Institutionen
[1] unterstützt und widmet
sich verschiedenen
Themen, in den Kategorien „Einführung“, „Historische
Hilfswissenschaften“ und
„Quellen und Quelleneditionen“. Die Artikel wurden von mehreren
Expert/innen in
den jeweiligen Feldern geschrieben und werden fortlaufend
ergänzt. Daher
erweitert sich der Inhalt der Seite kontinuierlich, sodass die
Leser auch die
Entwicklung der Mediävistik und ihrer Fachvertreter/innen
verfolgen können. Der
neuste Beitrag von Daniela Kah zu Reiseberichten als Quelle ist,
noch während
diese Rezension entstand, 2020 erschienen. Insgesamt sind 22
solcher Kapitel
online.
Auf der Startseite wird der Zweck der Seite erläutert. Zudem
wird eine
Publikation beschrieben, die vom Autor der Seite herausgegeben
wurde –
„Handschriften des Mittelalters. Grundwissen Kodikologie und
Paläographie“,
erschienen 2019 in der dritten Auflage. Zu dieser Publikation
gehört eine DVD
mit kurzen Lehrfilmen, die auch auf der Webseite eingepflegt
wurden und dort
abrufbar sind.
Die einzelnen Kapitel sind über das „Inhaltsverzeichnis“
ansteuerbar, das sich
im Menü am oberen Ende der Seite befindet. Die
Nutzer/innen-Führung ist
intuitiv und einfach. Das Inhaltsverzeichnis ist erneut in
verschiedene Abschnitte
gegliedert. Die Themen der bisherigen Einträge haben einen
deutlichen
Schwerpunkt auf Fragen der Historischen Hilfswissenschaften und
der
Quelleneditionen – hier sind auch die Videos eingebunden. Ein
zweiter
Schwerpunkt firmiert unter der Überschrift „Einführung“ und
widmet sich
verschiedenen Forschungsperspektiven, die Einblick in die
mittelalterliche
Geschichte und deren spezifischen Fragestellungen geben sollen.
Mit ihrer
Ausrichtung auf Fragen der Handschriften- und Quellenkritik und
der Einbindung
von Expert/innen-Interviews füllt die Webseite insbesondere für
die Lehre eine
Lücke. Die Videos können leicht in Lehrveranstaltungen
eingebunden werden und
liefern eine gut verständliche Einführung.
Die Darstellung im Bereich „Einführung“ mit einem Artikel zur
Frage der
Epochengrenzen und sechs Einträgen zu verschiedenen
Forschungsansätzen ist
darum bemüht, auf wenig Raum möglichst konzise Informationen
bereitzustellen
und forschungsrelevante Fragen zu skizzieren. Die Struktur der
Artikel ist
einheitlich und übersichtlich. Die dem Format geschuldete,
notwendige Reduktion
führt an manchen Stellen zu einer etwas holzschnittartigen
Darstellung der
mitunter komplexen Themen. Aus der Perspektive von Studierenden
und
interessierten Leser/innen vermittelt der Stil der Darstellung
aber gesichertes
Wissen und Anregungen zum Weiterdenken. Dies gilt insbesondere
für die
Einführungen in Forschungsansätze, die von verschiedenen, im
Fach auch
bekannten Kolleg/innen geschrieben wurden. Hierzu zählen etwa: Epochengrenzen
(Johannes Burkhardt), Vergleichende Geschichte (Martin
Kaufhold), Mentalitätsgeschichte
(Knut Görich), Papst- und Kirchengeschichte (Claudia
Zey), Landesgeschichte
(Susanne Ullmann), Frauen- und Geschlechtergeschichte
(Martina Hartmann)
und Kulturgeschichte (Andrew Gow). Es werden
grundlegende Annahmen und
Fragerichtungen vermittelt, die in der Auseinandersetzung mit
mittelalterlicher
Geschichte eine Rolle spielen. In allen Artikeln dieser Art
werden die
Forschungsansätze als allgemeine Ansätze der
Geschichtswissenschaft vorgestellt
und dann anhand von Beispielen auf ihre Leistungsfähigkeit für
die Erforschung
der mittelalterlichen Geschichte geprüft. Diese Verbindung ist
besonders
gelungen und macht deutlich, wie Fragestellungen, die zur
Erforschung der Geschichte
ab der Moderne entwickelt wurden, für die Analyse vormoderner
Geschichtsepochen
genutzt werden können, aber auch adaptiert werden müssen.
Die Beiträge zum Abschnitt „Historische Hilfswissenschaften“
beinhalten fast
alle kurze Lehrvideos, die aus dem Kontext der eingangs
beschriebenen
Publikation zur Einführung in Kodikologie und Paläographie
stammen. Ausnahmen
sind die Beiträge zu „Orientierung im Text“ und „Illustrierung“,
die beide zur
Einführung in die Kodikologie gehören. Die Zusammenstellung der
Themen ist
sicher nicht abschließend, fehlen doch andere Bereiche der
Historischen
Hilfswissenschaften – wie etwa Diplomatie oder Sphragistik – als
eigene Texte.
Urkunden und Siegel spielen in den vorhandenen Beiträgen aber
durchaus eine
wichtige Rolle. Im Sinne der dynamischen Entwicklung der
Webseite ist dies aber
nicht als Defizit, sondern eher als Wunsch zu verstehen, dass
dieses Format
dazu genutzt wird, fortlaufend neue Beiträge zu anderen
Unterthemen zu
publizieren. Das gilt auch für die anderen beiden
Hauptabschnitte der Webseite.
Die Videos selbst sind aufwendig und professionell produziert.
Sie eignen sich
gut für einen ersten Einblick in die präsentierten Techniken und
die damit
verbundenen Fragestellungen. Auch hier wird deutlich, dass die
Verantwortlichen
sehr daran interessiert sind, stets den Bezug zur Forschung
herzustellen und
nicht allein Fakten über das Mittelalter und sein Schriftgut zu
vermitteln.
Gerade hier zeigt sich, wie die Möglichkeiten digitaler
Vermittlung gut genutzt
werden können. Alle Videos werden von Texten begleitet, die von
Expert/innen
verfasst wurden, welche auch selbst in den Videos erscheinen.
Die Texte sind
zum Teil Transkriptionen der audiovisuellen Beiträge, gehen aber
stets darüber
hinaus. Erneut sind die Verantwortlichen sehr darauf bedacht,
unterschiedliche
Medien entsprechend ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit zu
nutzen. Auf diese
Weise entsteht eine gelungene multimediale Plattform.
Beide Bereiche, „Kodikologie“ und „Paläographie“, fokussieren
auf mittelalterliches
Schriftgut und erklären am Beispiel, wie man mittelalterliche
Urkunden liest,
auf welche Layout-Aspekte man achten sollte, wie Tinte und
Beschreibstoffe
gewonnen werden und welche historischen Entwicklungen
berücksichtigt werden
müssen. Auch hier kommen wieder Expert/innen aus der
Wissenschaft zu Wort, die
in ihren Beiträgen auch auf den Forschungsstand zu ihren Themen
eingehen.
Besonders interessant und unerwartet ist der Beitrag zur
Farbgewinnung, der
spannende Informationen für die interessierte Leserin bereithält
und über das
hinausgeht, was man aus anderen Einführungen digitaler oder
gedruckter Art
gewöhnt ist. Die Beiträge sind gut aufeinander abgestimmt und
Redundanzen
werden weitestgehend vermieden.
Der dritte Teil der Seite „Quellen und Quelleneditionen“
konzentriert sich bis
auf einen einzelnen Beitrag ausschließlich auf die Monumenta
Germaniae
Historica (MGH). Es gibt Videos und Texte zur Geschichte
der MGH (mit
Rudolf Schieffer), zur Arbeitsweise der Institution und ihren
Publikationen
(Quelleneditionen, Urkundeneditionen, Schriftenreihen). Hier
wird den
Nutzer/innen ein guter Einblick in eine der wichtigsten
Institutionen für die
Erforschung der mittelalterlichen Geschichte in Deutschland
gegeben.
Gleichzeitig lernt man aber auch etwas über die Art und Weise,
wie Urkunden und
andere Schriften im Mittelalter genutzt und sogar gefälscht
wurden.
Zuletzt zur Webseite hinzugefügt wurde der Beitrag zur
Quellengattung der
Reiseberichte. Hier sieht man, dass die Seite durchaus so
angelegt ist, die
Sammlung von Beiträgen kontinuierlich zu erweitern. Hier liegt
der Fokus auf
den Texten einerseits und auf deren Nutzen im Rahmen der
Forschung sowie der
Quellenkritik andererseits.
Die Webseite überzeugt insgesamt sehr. Das gilt insbesondere für
Einsatzszenarien in der Lehre. Die Seite richtet sich explizit
an Studierende
und andere Interessierte, liefert daher wenig bis keine eigenen
Forschungsbeiträge. Das liegt aber auch außerhalb der
Intentionen der
Autor/innen und Verantwortlichen. Die einzelnen Seiten haben
immer eine
Botschaft, eine Kernaussage, die durch die gut strukturierten
Informationen gut
vermittelt wird. Für eine Webseite zur Einführung ins Studium
hätte man
eventuell noch Linksammlungen oder weiterführende
Literaturangaben einfügen
können, damit sich die Nutzer/innen selbst noch weiter mit den
Themen
beschäftigen könnten, ähnlich wie es etwa auf den Seiten der
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf [2] geschieht – dort fehlt
allerdings die
umfangreiche Darstellung.
Hervorzuheben ist der dynamische Charakter der Webseite
„Mittelalterliche
Geschichte“, der besonders durch fortlaufende Ergänzungen der
Beiträge zum
Ausdruck kommt. Für Studierende, die am Anfang ihrer
Auseinandersetzung mit der
mittelalterlichen Geschichte stehen, ist eine Lektüre besonders
zu empfehlen.
Anmerkung:
[1] Genannt werden die DFG, die
Fördergesellschaft der Universität Augsburg, die
Kurt-Bösch-Stiftung sowie das
German Historical Institute in Washington, D.C., und die
University of Alberta
in Edmonton.
[2] Vgl.: https://www.geschichte.hhu.de/abteilungen/mittelalterliche-geschichte/studium-lehre-sommerakademien/faecherspezifische-materialien/links-fuer-mediaevistinnen-und-mediaevisten.html
(letzter Zugriff: 30.07.2020)
Zitation
Silke
Schwandt: Rezension zu: Mittelalterliche Geschichte - Eine
Digitale Einführung
in das Studium, in: H-Soz-Kult, 31.10.2020, <www.hsozkult.de/webreview/id/rezwww-202>.
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