Date: 2018/03/06 23:04:42
From: Hans-Joachim Hoffmann <hans-joachim-hoffmann(a)web.de>
Guten Abend an die Teilnehmer des Forums eine Rückfrage zu ADOLF SCHMALENBERGER: 1936 verlegte er seinen Wohnsitz nach St. Wendel, geriet noch
1944 wegen seiner politischen Tätigkeit in das Visier der Gestapo,
wurde verhaftet und in der Lerchesflur inhaftiert. (LEA Akte im
LAS) Nach dem Krieg engagierte er sich wieder in der SPD, war Stadtratsmitglied in St. Wendel von 1946 -1956, langjähriger Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der Kreisversicherungsanstalt und Mitglied des Ausschusses der AOK St. Wendel. Er verstarb 1958. (Info Stadtarchiv St. Wendel) Für eine biographische Skizze suche ich ein Foto/ein Portrait
von Adolf Schmalenberger. Im Stadtarchiv St. Wendel wurde
man nicht fündig. Es freute mich, wenn ich über das
regionalforum ein Foto/Portrait erhalten könnte. Vieln Dank für Ihre Mühen. Mit freundlichen Grüßen Hans-Joachim Hoffmann, Adolf-Kolping-Weg 7, 66564 Ottweiler
(06824-7990) |
Date: 2018/03/09 09:17:41
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Preise und Löhne in Salzburg und Wien, 1450–1850Wien
Von Michael Adelsberger, Institut für
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien
Die Entwicklung von Preisen und Löhnen zählt seit Langem zu den zentralen Forschungsgebieten der Wirtschaftsgeschichte. In den letzten Jahren richtete sich der Fokus vor allem auf Entwicklungsunterschiede von Reallöhnen und Lebensstandards, sowohl auf globaler als auch auf europäischer Ebene. Gerade der ostalpine Raum stellte in dieser Forschung bislang eine Grauzone dar. Anlässlich des Starts des vom Österreichischen Wissenschaftsfond FWF finanzierten Forschungsprojekt „Preise und Löhne in Salzburg und Wien, 1450—1850“ wurde am 12. Dezember 2017 in Wien ein Workshop abgehalten, der sich mit der Preis- und Lohngeschichte sowie der Entwicklung des Lebensstandards in eben jener Region, befasste. Da an der Universität Regensburg (Leitung: Mark Spoerer) zwei Projekte mit ähnlichen Zielsetzungen laufen, diente der Workshop auch dem Erfahrungsaustausch und der Diskussion.
Nach einer Begrüßung und einleitenden Worten zur Thematik der „Little Divergence“ und zum Projekt durch THOMAS ERTL (Universität Wien), stellte REINHOLD REITH (Universität Salzburg) die Genese des Projekts vor und würdigte dabei vor allem die Verdienste von Markus Cerman. Den Ausgangspunkt der Kooperation zwischen den Universitäten Wien und Salzburg bildete zunächst die Kritik an Robert Allen und die Zielsetzung, einen unmittelbaren Beitrag zur Diskussion über die „Great Divergence“ zu leisten. Das sei zwar nach wie vor Thema, aber als Konsequenz der Diskussion gehe es zunächst einmal um die Probleme des Vergleichs und der Erforschung des Lebensstandards auf der Basis der bisher vorliegenden Lohn- und Preisreihen. Das Gewicht liege daher stärker auf der methodisch reflektierten Rekonstruktion des Lebensstandards im ostalpinen Raum. Das verfügbare Quellenmaterial ermögliche es eben auch, bisherige Ansätze beziehungsweise die Belastbarkeit der Daten zum Thema zu machen und zu testen, Probleme des Vergleichs zu identifizieren und hinsichtlich der Frage des Lebensstandards weitere soziale Gruppen einzubeziehen. Die Vergleichbarkeit der Daten sei selbstredend ein Anliegen, aber angestrebt werde eben auch (auf Basis der Preise und Löhne in lokaler Währung) eine höhere Auflösung der Entwicklung und insbesondere von Krisenzeiten beziehungsweise -jahren zu ermöglichen und, um der Forderung Valentin Groebners zu entsprechen, die Geschichte der Preise so zu fassen, dass auch die Konsumenten darin vorkommen. Das verfügbare Quellenmaterial erlaube Fragen nach Krisenverlauf, Marktintegration, Vorsorge und Vulnerabilität.
ANDREAS ZECHNER (Universität Salzburg) stellte in seinem Beitrag zunächst die für Salzburg verfügbaren seriellen Quellen zur Preis- und Lohngeschichte vor. Am Beispiel der Rechnungsbücher des Salzburger Bürgerspitals, die von 1477 bis Mitte des 19. Jahrhunderts in einer nahezu durchgängigen Reihe vorhanden sind, diskutierte er anschließend das Potenzial dieser Quellengattung für das laufende Projekt: u.a. zur Erstellung von Preis- und Lohnreihen sowie, aufbauend darauf, eines Verbraucherpreis- und Reallohnindex, der Rückschlüsse auf die Entwicklung des Lebensstandards in der Stadt Salzburg erlaubt. Am Beispiel der Getreideeinkäufe des Salzburger Bürgerspitals skizzierte er die methodische Umsetzung der MS-Excel basierten Aufnahme von Preisdaten, wobei anschließend offene Fragen diskutiert wurden (u.a. Umrechnung der Währungseinheiten in Silberäquivalente, Umrechnung der Maßangaben, Kalenderjahr oder Erntejahr, Schreibweise der Edition).
MICHAEL ADELSBERGER (Universität Wien) präsentierte die Quellen des Wiener Teils des Projekts. Dabei handelt es sich vor allem um die Rechnungsbücher des Wiener Bürgerspitals, die durch die Rechnungen des Stifts Klosterneuburg sowie durch die Wiener Marktprotokolle ergänzt werden. Im Gegensatz zu Salzburg gibt es für Wien bereits edierte Preis- und Lohnreihen. Diese müssen jedoch einer Überprüfung unterzogen werden. Daraus folgt eine andere Ausgangslage für die methodische Vorgangsweise. Adelsberger näherte sich diesem Problem anhand von drei Leitfragen: Welche der umfangreichen Preisreihen sollen überhaupt zur Überprüfung herangezogen werden? Dabei soll vor allem die Abstimmung mit Salzburg im Auge behalten werden sowie die Anforderungen für die spätere Reallohnberechnung. Der zweite Punkt betrifft den Ausbau der Reihen durch qualitative Informationen aus bisher nicht herangezogenen Quellen, welche die einzelnen Preis- und Lohndaten kontextualisieren sollen. Schließlich stellt sich noch die Frage, wie die Integration einer Neuerhebung mit den bereits veröffentlichten Daten vorgenommen werden soll.
SEBASTIAN PÖSSNIKER (Universität Regensburg) bot einen Überblick über seine Forschung, die er im Rahmen des Graduiertenkollegs „Metropolität in der Vormoderne“ an der Universität Regensburg betreibt. Er beschäftig sich dabei mit den in Rechnungsbüchern überlieferten Löhnen und Preisen in Regensburg und Nürnberg, um Fragen des (materiellen) Lebensstandards einer Stadt und ihres Umlandes, der Sozialstruktur und der Konjunktur vom Spätmittelalter bis zur Industrialisierung auch im Vergleich mit anderen europäischen Städten nachzugehen.
KATHRIN PINDL (Universität Regensburg) stellte ihr Projekt, das sie im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Erfahrung und Erwartung. Historische Grundlagen ökonomischen Verhaltens“ bearbeitet, vor. Dabei beschäftigt sie sich auf Basis von quantitativen bzw. seriellen Quellen (z.B. Kasten-, Küchen- und Hauptrechnungen und Registern) sowie qualitativen Quellen (z.B. Protokolle, Gutachten) mit der Vorratshaltungspolitik des Regensburger St. Katharinenspitals in der Vormoderne, konkret in der Zeit vom 17. bis ins 19. Jahrhundert. Die Handlungsspielräume der Akteure sowie das Herausarbeiten der Determinanten ihrer Entscheidungen vor dem Hintergrund der zeit-, gruppen- und regionalspezifischen Erfahrungsräume und Erwartungshorizonte stehen dabei im Vordergrund, besonders was das wirtschaftliche Agieren des St. Katharinenspitals in Krisenzeiten – etwa in der Teuerungskrise zu Beginn der 1770er-Jahre – betrifft. Methodisch verknüpft sie bei ihrer Untersuchung empirisch-statistische und narrativ-heuristische Zugänge.
Den Abschluss des Workshops bildete der öffentliche Abendvortrag von MARK SPOERER (Universität Regensburg) unter dem Titel „Löhne, Preise, Speisezettel und die „Little Divergence“. Umrisse eines Regensburger Forschungsprojekts“. Spoerer führte eine größere Besucherzahl in die Debatten um die „Little Divergence“ ein. Anschließend besprach er die Rolle Regensburgs in diesen Diskussionen und stellte die im Projekt verwendeten Quellen vor. Diese sind dank den Rechnungsbüchern des dortigen Spitals für das Spätmittelalter und die frühe Neuzeit äußerst umfangreich vorhanden und eignen sich daher hervorragend für diese Forschung. Eine angeregte und informative Diskussion schloss den Vortrag ab.
Abschließend kann festgehalten werden, dass der Workshop, und vornehmlich der Abendvortrag samt Diskussion, eine Einordnung der drei Städte in die internationale Forschungsdebatte ermöglichte. Das Hauptaugenmerk des Workshops lag auf methodischen und quellenkritischen Fragen. Durch die Diskussion der Schwierigkeiten beim Erheben und Verarbeiten von historischen Preis- und Lohndaten konnten wichtige Aspekte, etwa Fragen der Jahresmittelwertbildung, der Umgang mit historischen Maßeinheiten und die Umrechnung der Nominalwerte in Silberäquivalente, behandelt werden. Darüber hinaus ermöglichte der Workshop eine intensive Diskussion und die Kooperation der Projekte an der Universität Regensburg, der Universität Wien und der Universität Salzburg wurde als große Chance gesehen. Die Zusammenarbeit wird in regelmäßigen Arbeitstreffen – das folgende zum Thema Consumer Price Index – fortgesetzt und ausgebaut werden. Konferenzübersicht: Reinhold Reith (Salzburg), Vorstellung des Projekts „Preise und Löhne in Salzburg und Wien, 1450–1850 Andreas Zechner (Salzburg), Serielle Quellen zur Preis- und Lohngeschichte in Salzburg. Überlegungen zur methodischen Umsetzung Michael Adelsberger (Wien), Die Wiener Preis- und Lohnreihen. Revision und Vertiefung Sebastian Pößniker (Regensburg), Materieller Lebensstandard im süddeutschen Raum ab 1360. Löhne und Preise anhand institutioneller Rechnungsbuchüberlieferung in Regensburg im interstädtischen Vergleich Kathrin Pindl (Regensburg), Speichern und Auskommen. Der Getreidekasten des Regensburger St. Katharinenspitals (17.–19. Jahrhundert) Mark Spoerer (Regensburg), Löhne, Preise, Speisezettel und die „Little Divergence“. Umrisse eines Regensburger Forschungsprojekts |
Date: 2018/03/11 11:06:25
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Nie wieder. Schon wieder. Immer noch. Rechtsextremismus in Deutschland München NS-Dokumentationszentrum München in Kooperation mit der Fachstelle für Demokratie der Landeshauptstadt München und der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V. (a.i.d.a.) 29.11.2017 - 02.04.2018
Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Nie wieder. Schon wieder. Immer noch.. Rechtsextremismus in Deutschland seit 1945. Berlin : Metropol Verlag 2017 ISBN 978-3-86331-369-2, 280 S., zahlr. Abb. € 34,00 (Buchhandelsausg.), € 28,00 (Museumsausg.). Rezensiert für H-Soz-Kult von Britta Schellenberg, Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft, Ludwig-Maximilians-Universität München
„Wir kommen wieder!“, „Du dreckige Nestbeschmutzerin“ und „Deutschland den Deutschen!“ – solche Zitate stammen aus Drohbriefen, Postkarten und Plakataktionen von Personen, die nach 1945 in den Besatzungszonen und ab 1949 in der Bundesrepublik Deutschland als „Nazis“, „Neonazis“ oder „Rechtsextremisten“ bezeichnet wurden. Das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Europa und die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte ermöglichten ein Wiederaufleben der Demokratie und die Verabschiedung von Verfassungen, in denen Grund- und Menschenrechte festgeschrieben wurden – 1946 in Bayern, 1949 in der Bundesrepublik Deutschland. Doch lebten rechtsextreme Einstellungen fort, und hartgesottene Nationalsozialisten wollten die neue Gesellschaftsform nicht akzeptieren.
Die Sonderausstellung „Nie wieder. Schon wieder. Immer noch“ des NS-Dokumentationszentrums München zeigt, wie die Bundesrepublik, der Freistaat Bayern und die Stadt München in unterschiedlichen Phasen von (neo)nazistischen, antisemitischen und rassistischen Aktivitäten heimgesucht wurden und rechtsextreme Ideologeme nach dem Nationalsozialismus die Gesellschaft in verschiedenen Formen mit geprägt haben – bis heute. Am historischen Ort errichtet, am ehemaligen „Braunen Haus“, der NSDAP-Parteizentrale, hat das NS-Dokumentationszentrum 2015 seine Türen als Lern- und Erinnerungsort zur Geschichte des Nationalsozialismus geöffnet. Die Sonderausstellung befindet sich auf der ersten Etage. Hier informiert auch die (insgesamt weitaus größere) Dauerausstellung über die Münchener Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und die lokale Entwicklung des Gedenkens.
Die Sonderausstellung weitet diese Perspektive. Sie verfolgt auf der Grundlage eines breiten wissenschaftlichen Konzepts zwei Ziele, so Winfried Nerdinger, der Gründungsdirektor des Zentrums (Ausstellungskatalog, S. 8f.): Erstens werden in einer chronologischen, nach Jahrzehnten gegliederten Abfolge die Entwicklungen antisemitischer, rassistischer und neonazistischer Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland dokumentiert (die DDR bleibt ausgespart). Zweitens bindet die Ausstellung, räumlich im Anschluss, diese Aktivitäten an ihren ideologischen Kern. Sie informiert über zentrale Dimensionen rechtsextremer Ideologie, die im „Widerspruch zu den Grund- und Menschenrechten“ stehen. Ob nun intendiert oder nicht, die Sonderausstellung korrespondiert drittens mit den grundsätzlichen Anliegen des Hauses: Festgehalten auf einer grauen Wand sind die Namen der Toten, die von 1990 bis 2016 Opfer rechtsextremer Gewalt in Deutschland wurden. Auf Basis von Recherchen der Amadeu Antonio Stiftung sind es 192 Personen. Die Wand ist breit, der Effekt eindringlich. So offeriert die Ausstellung die Möglichkeit, zu erinnern und zu gedenken – sie ist „Lernort“ und „Erinnerungsort“ gleichermaßen.
Die Zeitleiste, an der man zunächst entlangläuft, ist nach Jahrzehnten in acht Teile gegliedert: Sie beginnt 1945 und endet 2017. Jedes Jahrzehnt wird durch einen gesellschaftspolitischen Überblickstext eingeführt. Zudem ist die Chronik zweigeteilt: Der untere Bereich ist für die neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Aktivitäten reserviert. Der obere Bereich bildet den gesellschaftlichen Umgang mit diesen Aktivitäten ab, sowohl den staatlichen als auch denjenigen von Bürger/innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Im Themenfeld des Neonazismus beginnt die Chronik mit Einträgen zur „Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung“ (WAV), die 1945 in München gegründet wurde, und der Abbildung einer Papierschleife zur Huldigung nationalsozialistischer „Märtyrer“. Sie endet mit einem Foto des NPD-Politikers und Stadtrats der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ Karl Richter auf einer Münchener Pegida-Demonstration im Jahr 2017. Im Bereich des Gegenengagements beginnt die Chronik mit einem Gesetzesauszug der bayerischen Regierung zur Abwehr rassistischer und antisemitischer Ausschreitungen (1946) sowie einem Foto zu den Protesten jüdischer Überlebender gegen den Abdruck eines antisemitischen Leserbriefes in der „Süddeutschen Zeitung“ (1949). Sie endet mit einem Foto aus einer Gerichtsverhandlung gegen Mitglieder der rechtsterroristischen „Gruppe Freital“ am Oberlandesgericht Dresden (2017). Bei den dargebotenen historischen Zeugnissen, die stets beschriftet und kommentiert sind, handelt es sich um Gesetzestexte, Programme einschlägiger Organisationen, Wahlplakate, Zeitungsartikel, Flugblätter, Postkarten, Fotos von Orten des Verbrechens, von CD-Covern, von Demonstrationen, Protest- und Gedenkveranstaltungen. Die übersichtlich präsentierten Reproduktionen ermöglichen immer wieder ein Eintauchen ins Detail. Funktionalität und Inhalt gehen Hand in Hand.
Die Wand der „192 Tote[n] seit 1990“ gegenüber der Zeitleiste schafft Raum für Trauer und Nachdenklichkeit. Auf grauem Grund nehmen die Namen der Toten (zusammen mit ihrem Alter und Wohnort) als dunkle Buchstaben still und schlicht ihren Platz in der Ausstellung ein. Damit wird den Opfern eine Individualität verliehen. Gleichzeitig entspricht ihre Integration jenseits von Täterperspektiven zeitgemäßer wissenschaftlicher Arbeit: Die Seite der Betroffenen gehört zum Themenfeld, ist Teil der deutschen Realität und damit Teil des Untersuchungs- und Ausstellungsgegenstands. Die Wand markiert die massive Gewalt, aber ebenso das gewachsene Bewusstsein, diese zu thematisieren und Formen des Gedenkens zu finden. Der Kommentar unter der Liste der Getöteten stimmt nachdenklich: „Staatliche Stellen geben niedrigere Opferzahlen an, weil die Ermittlungsbehörden in der Vergangenheit den rechtsextremistischen Hintergrund von Straftaten häufig übersahen oder ignorierten.“ In der Gesamtschau der Ausstellung wird deutlich, dass der behördliche Umgang mit dem Phänomen immer wieder lücken- und fehlerhaft war: etwa beim Münchener „Oktoberfest-Attentat“ von 1980 mit 13 Toten, der „NSU“-Mordserie von 2000 bis 2007 mit 10 Toten und der Terrorattacke beim Münchener Olympia-Einkaufszentrum im Jahr 2016 mit 9 Toten.[1] So zeigt die Ausstellung auch den bis heute oft schwierigen Umgang mit Rechtsextremismus und Rassismus. Implizit markiert sie zugleich Wissens-, Forschungs- und Erinnerungslücken: Die Namen der Todesopfer von 1945 bis 1989 fehlen an der Gedenkwand.
Im zweiten Ausstellungsbereich verteilen sich kaleidoskopartig, ausgehend von einer zentral angesiedelten schwarzen Stele, weitere, braune Stelen: Mit jeder davon wird ein wichtiges Ideologem des Rechtsextremismus präsentiert. Die schwarze Stele bildet den Kern, die „Ideologie“ der „Ungleichwertigkeitsvorstellungen“, die alle Ideologeme zusammenbindet. Die Auswahl bildet den aktuellen Forschungsstand ab. Die Ausstellungsverantwortlichen beziehen auch Position im Begriffswirrwarr so mancher akademischer Sammelbände zum Thema. Wohltuend klar ist zum Beispiel die (enge) Bestimmung der „Fremdenfeindlichkeit“ als „Hetze und Gewalt gegen Geflüchtete“ und damit ihre Abgrenzung gegenüber dem (weiteren) „Rassismus“, der etwa auch Deutsche mit schwarzer Hautfarbe trifft. Erwähnenswert ist zudem, dass sich eine Stele explizit mit „Rassismus gegen Sinti und Roma“ befasst sowie eine weitere mit „antimuslimischem Rassismus“, beides Einstellungsdimensionen, die aktuell in der Gesamtbevölkerung besonders verbreitet sind.[2] Eine weitere Stele fasst die Themen „Sexismus, Antifeminismus und Homophobie“ zusammen – dies ist eher unüblich und wohl vor allem Platzgründen geschuldet.
Eine Fläche der dreieckigen Stelen bietet immer die Erläuterung des jeweiligen Ideologems, also etwa des „Antisemitismus“; auf den anderen beiden Flächen finden sich exemplarische Äußerungen jüngeren Datums. Die Auswahl der Beispiele ist unabhängig davon, ob die Äußerungen von bekannten Rechtsextremen, von Rechtspopulisten oder aus den Reihen eher unverdächtiger Parteien kommen. Eingelöst wird damit der im Eingangsbereich zitierte Satz von Max Mannheimer (1920–2016), Holocaust-Überlebender und ehemaliger Präsident der Lagergemeinschaft Dachau: „Wer ,Rechts‘ auf eine ,Szene‘ reduziert, vernachlässigt den Blick auf die Grauzone zwischen Brandstiftern und Biedermännern.“
Die Präsentation dieses zweiten Abschnitts ist bunter als der erste Teil, und die Ausstellungsstücke sind weniger konventionell geordnet. Gezeigt werden auch Handzettel, Buttons und Spuckis. Auswahl und Präsentation bringen den Eindruck von Straße und Alltag mit sich; dies überzeugt sowohl inhaltlich als auch funktionell und gestalterisch. Manchmal könnten zusätzliche Erklärungen und didaktische Aufbereitungen für ein allgemeines und auch junges Publikum hilfreich sein – wenn etwa die Forderung von Rechtsextremen der Gegenwart auftaucht, Wissenschaftler, Politiker und Journalisten „nach dem Muster des Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunals von 1945“ zu verurteilen, weil sie für die „Islamisierung“ Deutschlands verantwortlich seien. Allerdings bietet ein attraktives Begleitprogramm zur Ausstellung neben fachlichen Abendveranstaltungen auch offene Rundgänge und zielgruppenspezifische Seminare an, zum Beispiel für Schüler/innen und Lehrer/innen.[3]
Der durchaus produktive Kontrast zwischen den Ausstellungsteilen zeigt, dass die gezielte Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, Wissenschaftler/innen unterschiedlicher Disziplinen und städtisch Verantwortlichen im Ausstellungsprojekt einen deutlichen Mehrwert darstellt. So ist eine perspektivenreiche Gestaltung gelungen, inklusive Katalog und Begleitprogramm. Aus der Sicht der Public History ist dies ein gutes Beispiel der aktiven Partizipation diverser Gruppen. Die in der Ausstellung zu sehenden Originalstücke wurden von der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (a.i.d.a.) zur Verfügung gestellt, die einschlägiges Material seit 1990 sammelt.[4]
Am Ende der Sonderausstellung gelangen die Besucher/innen wieder zur Dauerausstellung zurück und stoßen dort auf die Auseinandersetzung mit dem historischen, einst nationalsozialistischen Ort in München. Hier, nahe beim Ausgang, befindet sich eine digitale Installation, auf der ununterbrochen aktuelle Nachrichten flimmern. So endet der Besuch in der Gegenwart: mit dem Newsticker zu rassistischen Übergriffen, Hate-Speech-Attacken und Rechtsextremismus-Debatten.
Wenngleich Auswahl und Präsentation der Ausstellungsstücke vielfach überzeugen, bleibt doch immer wieder eine Frage offen: Warum wird im Einzelfall ein Dokument aus München, aus Bayern oder jenseits davon herangezogen? Eine regionale und lokale Fokussierung könnte eine besondere Stärke der Ausstellung sein, sofern die Gründe der Schwerpunktsetzung und ihre inhaltliche Bedeutung klar kommuniziert würden. Leider ist die konzeptionelle Überlegung hinter der Wahl der Ausstellungsstücke nicht immer nachvollziehbar. So bleibt zuweilen offen, ob die Auswahl dem Wunsch des Kuratorenteams geschuldet ist, lokale und regionale Bezüge dominant abzubilden, oder dem Sammlungsschwerpunkt des kooperierenden zivilgesellschaftlichen Archivs – oder aber, ob es darum geht, die herausragende Bedeutung Bayerns und Münchens für den Rechtsextremismus nach 1945 abzubilden. Hier hätte sich die kritische Rezensentin eine klarere Kommunikation gewünscht (der Hinweis am Beginn der Ausstellung, dass besondere Schlaglichter auf Bayern und München geworfen werden, ist nicht hinreichend). Ein weiteres Manko ist, dass die Ausstellungstexte nur auf Deutsch angeboten werden. Englischsprachige Einführungen und zusammenfassende Erläuterungen dürften in München ein durchaus interessiertes internationales Publikum finden.
Inhaltlich nicht nachvollziehbar ist, warum Darstellungen zu den Entwicklungen im zweiten deutschen Staat bis 1990, der DDR, komplett fehlen; dies wird nicht begründet. Erläuterungen zu kulturellen Prägungen und Gewaltereignissen in der DDR und zu deren Vermächtnis wären dringend notwendig, mindestens um eine bessere Einordnung der Entwicklungen in Ostdeutschland nach 1990 zu ermöglichen. Dortige rechtsextreme Aktivitäten seit der deutschen Einheit werden ja durchaus abgebildet. Die Entscheidung, die DDR und die Frage möglicher Kontinuitäten fast ganz auszulassen (siehe im Katalog lediglich die Hinweise von Wolfgang Benz, S. 16ff.), irritiert bei einer Ausstellung über „Rechtsextremismus in Deutschland seit 1945“.
Mein Resümee: Die Ausstellung leistet einen Beitrag zum Erkennen und Verstehen historischer Anleihen und ideologischer Bezugspunkte rassistischer, antisemitischer und rechtsextremer Aktivitäten und Ideologien von 1945 bis heute. Dafür richtet sie den Blick auf die Täter, auf „Biedermeier“ und „Brandstifter“ ebenso wie auf die Opfer und den staatlichen und zivilgesellschaftlichen Umgang. Sie ist wissenschaftlich fundiert, vielschichtig und erklärt unaufgeregt ideologische Zusammenhänge. Die materielle Präsentation unterstreicht die inhaltliche Ausgestaltung; sie ist äußerst übersichtlich, kohärent und gleichzeitig abwechslungsreich. Gezeigt werden zahlreiche historische Dokumente, auch Originale, oft jüngeren Datums und mit einer deutlichen Dominanz aus München und Bayern. Der Sonderausstellung ist zu wünschen, dass ihre wissenschaftlich-konzeptionellen Überlegungen ebenso wie einzelne Elemente Eingang in die Dauerausstellung finden: Anbieten würde sich etwa die Übernahme der Gedenkwand mit den Namen der Getöteten sowie die Integration der Fallgeschichten („Münchener Oktoberfest-Attentat“, „NSU-Komplex“ und „Münchener Olympia-Einkaufszentrum-Attentat“) , aber auch eine Auswahl an Äußerungen und Aktivitäten, die sich heute wie damals gegen Demokratie und Menschenrechte richten.
Anmerkungen: Britta Schellenberg: Rezension zu: Nie wieder. Schon wieder. Immer noch. Rechtsextremismus in Deutschland, 29.11.2017 – 02.04.2018 München, in: H-Soz-Kult, 10.03.2018, <www.hsozkult.de/exhibitionreview/id/rezausstellungen-294>.
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Date: 2018/03/18 21:18:10
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Guten Abend,
das ist die Familie von Michael Demuth und Anna Maria Kreuz aus St. Wendel. Und hier sind ihre Kinder, alle geboren in St. Wendel.
Barbara * 3. Juli 1809. Anna Katharina * 3. Februar 1812. Katharina * 9. Februar 1815 Peter * 28. Oktober 1817 Helena * 30. Dezember 1820 (später Haushälterin bei Karl Marx) Elisabeth * 22. Juli 1823 Maria Katharina * 13. April 1826
Michael Demuth war angestellter Bäcker, später Tagelöhner; finanziell gings der Familie nicht besonders gut. Nachdem Michael 1826 starb, geriet seine Witwe mit ihren Kindern an den Rand des Existenzminimums.
Mir fiel auf, daß zwischen den Geburten der Kinder immer 2 oder 3 Jahre lagen, und ich fragte mich warum.
Ob da eine Art Familienplanung vorlag?
Vielleicht wollte sich die Frau schonen, für die jede Geburt eine beträchtliches Risiko darstellte, das sie möglicherweise nicht überlebte. Bzw. strengte sie jede Schwangerschaft und Geburt an und laugte sie aus.
Oder der Mann wollte die Frau schonen - aus den gleichen Gründen.
Vielleicht lagen auch biologische Gründe vor, daß die Frau einfach nur alle paar Jahre schwanger wurde. Oder zwischen den 3-Jahresperioden lagen nicht registrierte Frühgeburten.
Gestern kam ich von einem Seminar mit dem Titel „Populäre Genealogie, Geschichtswissenschaft und Historische Demographie“ zurück, das in Münster in Westfalen stattfand.
Einen der Vorträge hielt ein junger Historiker namens Benjamin Matuzak vom Max Planck Institut für ethnologische Forschung in Halle. In seinem Vortrag ging es u.a. um junge Familien im 19ten Jahrhundert und ihr Verhalten unter wirtschaftlichem Druck. Ehrlich geschrieben konnte ich seinem sehr interessanten Vortrag folgen, bis er sein Projekt anhand von Grafiken darzulegen versuchte. Da kam ich nicht mehr mit.
Aber mir fiel ein Punkt auf, der zum o.a. „Problem“ etwas sagte. Er zeigte, daß die mehrjährigen Lücken dadurch entstanden, daß arme Familien nicht mehr Kinder bekamen, als sie ernähren und durchbringen konnten. Auf meine naive Frage, ob das die Natur regele oder ob das bewußte Kontrolle sei, sagte er: das letztere.
Ich glaube, da wäre ich nie drauf gekommen. Interessanter Aspekt.
Roland Geiger, St. Wendel. |
Date: 2018/03/19 18:22:36
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Guten Abend,
auf meine Email von gestern kamen unterschiedliche Reaktionen.
Der Idee der bewußten Familienplanung folgt so gut wie niemand.
Der allgemeine Tenor geht hin zur Periode des Stillens.
Dr. Helmut Priewer hat es am besten zusammengefaßt:
Gezielte Familienplanung durch Verzicht auf Geschlechtsverkehr (GV) oder Anwendung "alternativer" Methoden ist nicht auszuschließen (darüber wird, bisher ohne abschließendem Ergebnis, kontrovers diskutiert), halte ich in diesem Fall aber nicht für gegeben. Die Sache läuft zwar auch auf Planung hinaus, aber etwas anders.
Die Intergenetischen Intervalle (Abstände zwischen den einzelnen Geburten) liegen hier immer ungefähr zwischen min. 30 und max. 36 Monaten (habe nicht exakt nachgerechnet).
Dies spricht eindeutig für ein konstantes Stillverhalten der Mutter (falls zwischendurch nicht noch Totgeburten aufgetreten sind). Obwohl hier eine katholische Region (St. Wendel) vorliegt. Bei Katholiken wurde seltener gestillt als bei Protestanten.
Frauen werden ohne Konzeptionsschutz bei normaler GV-Frequenz alle 9 Monate schwanger und gebären daher alle 18 Monate ein Kind. Durch Stillen (bei der armen Bevölkerung eher gegeben, da es Milchersatznahrung, z.B. Kuhmilch, nicht kostenlos gibt) entsteht ein Konzeptionsschutz. Dieser hält bei regelmäßigem Stillen ungefähr 12 bis 18 Monate. Und das ist exakt der Geburtenabstand.
Er hat darüber auch in seinem Artikel „Sterblichkeit und Todesursachen - ein Beitrag zur Familienforschung aus historisch-demographischer Sicht“ geschrieben, der u.a. 2016 im Band „„Vertiefende Familienforschung - Die Vorträge des gleichnamigen Seminars am 12ten und 13ten November 2017 auf der Schloßakademie Dhaun zum Nachlesen“ veröffentlicht wurde.
Vielen Dank an alle, die mir off- und on-list geantwortet haben.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger
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Date: 2018/03/20 23:36:45
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Franz Simon Meyer: Die ganze Geschichte meines gleichgültigen Lebens. Band 1. 1816 – 1828. Die Jugendjahre Hrsg. v.Diziol, Sebastian Erschienen Kiel 2016: Solivagus-Verlag Umfang 632 S., 51 Abb., 4 Karten, 11 Ill. Preis € 32,90 ISBN 978-3-9817079-3-9
Rezensiert für H-Soz-Kult von Michael Maurer, Bereich Volkskunde/ Kulturgeschichte, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Kennen Sie Meyer? Franz (Simon) Meyer? Wohl kaum, wenn sein Leben als ein „gleichgültiges“ bezeichnet werden konnte. Franz Simon Meyer war ein deutscher Bürger des 19. Jahrhunderts, den man vielleicht als „durchschnittlich“ bezeichnen könnte – hätte er nicht dieses Manuskript von 1500 Seiten hinterlassen, das sich im Stadtarchiv Baden-Baden erhalten hat, in dem er über die Jahre und Jahrzehnte seines Erwachsenenlebens ausführlich Bericht abstattete.
Meyer wurde 1799 in Rastatt geboren, war von Beruf Kaufmann und Bankier und starb 1871 in Rastatt. Seine Ausbildung erhielt der Katholik auf dem Piaristenkolleg in Rastatt und auf einer Privatschule in St. Blaise bei Neuchâtel (er war auch im Französischen perfekt), bevor er sich mit einem Vetter auf eine Reise durch die Schweiz und nach Mailand begab (1816), dann, gerade volljährig geworden, nach Paris (1820), weiter nach London und in den Norden Englands, genauer gesagt in die Industriezentren der Midlands (Birmingham, Manchester, Sheffield, Liverpool; 1821). Auf einen fast hundertseitigen Vorbericht über seine Familie folgen die Berichte dieser Reisen. In seinem späteren Leben, ab 1822, hatte er die Angewohnheit, über jedes einzelne Jahr einen zusammenfassenden Bericht zu schreiben, in dem er sich die Geschehnisse der großen Politik notierte und die kleinen Veränderungen in seinem Haushalt, seiner Familie, seinem ausgedehnten Verwandten- und Freundeskreis. Er liebte es offenbar, in seinen Aufzeichnungen aus früheren Zeiten erneut zu lesen und auch daraus vorzulesen, wohl mit zunehmender Begeisterung im Alter.
Seine persönlichen Aufschreibebücher haben (abgesehen von den Reiseberichten und rückblickenden Darstellungen) gewissermaßen Tagebuchcharakter – falls man das über „Jahresbücher“ noch sagen kann. Die Bücher sind immer persönlich, nämlich sein individuelles Leben und dessen Vorfälle im Rahmen des geschichtlichen Ablaufes thematisierend, aber nicht introspektiv, nicht reflexiv, nicht psychologisch. Sie wurden zwar nicht im Hinblick auf eine Publikation geschrieben, aber doch durchaus in der Hinwendung an einen vorgestellten Leser (wohl am ehesten in der eigenen Familie). Als persönliche Bücher enthalten sie zusätzliche Dokumente wie Briefe und Rechnungen, aber auch eigene Gedichte und Bilder (sowohl gesammelte Bilder mit Porträts von berühmten Zeitgenossen als auch – in der Jugend, auf der ersten Reise – eigene Zeichnungen und Aquarelle von Landschaften unterwegs). Es sind also in jedem Falle sehr persönliche Bücher, und das ist es wohl, was durch den vom Herausgeber auf Vorschlag des Schriftstellers Feridun Zaimoglu gewählten Titel ausgedrückt werden sollte: „Die ganze Geschichte meines gleichgültigen Lebens“. (Wobei hier noch auf die Finesse der Umschlaggestaltung hingewiesen werden sollte: „gleichgültigen“ ist sowohl typographisch hervorgehoben als auch verschwindend; handschriftlich wird mit Goldbuchstaben überschrieben, was sonst als „Die ganze Geschichte meines Lebens“ erscheint.)
Was hat uns Franz Meyer zu bieten? Zunächst eine bemerkenswerte Familiengeschichte von Einwanderung und Aufstieg seiner Vorfahren, die aus einfachen Verhältnissen in Savoyen und Tirol in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach Baden kamen und Handel trieben. Bereits sein Vater war Bankier und konnte einen eindrucksvollen gesellschaftlichen Aufstieg am badischen Hof in Rastatt verbuchen; der Sohn brauchte nur noch in seine Fußstapfen zu treten und sich zu bewähren. Was er offenbar tat, wobei ihm die Wirren der Revolutionszeit nach 1789 erspart blieben, die jedoch in der Vorgeschichte und auch in manchen späteren Begebenheiten den Hintergrund dieser Lebenserzählung bieten. Beispielsweise beschreibt Meyer genau den Rastatter Gesandtenmord, der im Jahre seiner Geburt 1799 stattfand, also wohl aufgrund der Erzählungen seines Vaters. Historisch aufschlussreich sind auch die Geschehnisse, die 1820 an die Oberfläche kommen, als der Sohn sich im Paris der Bourbonen-Restauration um eine Anerkennung für seinen royalistischen Vater bemüht, der viele französischen Emigranten in Rastatt beherbergt und ihre Geschäfte besorgt hatte, wobei er sich selber in Gefahr brachte. Eindrücklich der häufig wiederholte Wahlspruch seines Vaters: „es muß doch noch anderst werden!“ (S. 406 u.ö.) Der vorliegende erste Band (die Edition ist auf drei Bände geplant) umfasst im Wesentlichen das Jahrzehnt nach dem Wiener Kongress, eine Zeit der Ruhe und Stabilisierung, der Restauration und Wiedergutmachung, aber eben auch eine Zeit, von der der heutige Leser schon weiß, dass der Wahlspruch des Vaters auch später noch brauchbar war. Wir sind bereits gespannt auf Rastatt in den Jahren 1848/49!
Die Aufzeichnungen von Franz Meyer (so schrieb er sich gewöhnlich), einem Mann mit ausgesucht schöner Handschrift und Signatur, auch insofern also ein ausgezeichneter Vertreter seines Berufsstandes, wirken oft etwas biedermeierlich. Und die Zeit, die hier beschrieben wird, ist ja gerade jene Zeit, die historisch zuweilen als „Biedermeier“ bezeichnet wird. Man kann sich sehr gut vorstellen, in welchen Häusern, Wohnungen, Salons und Interieurs man sich damals aufgehalten hat. Man sieht Franz Meyer vor seinem geistigen Auge meist schreibend an einem Sekretär, noch mit Feder und Tintenfass, auf ausgesuchtem Schreibpapier Linien ziehend. Man sieht ihn auch in seinem Comptoir, und durchaus auch in Ballsälen, aber mit Vorliebe im Kreise seiner Familie. Er ist auch ein Mann, der Natur und Landschaften zu genießen weiß, aber doch auch einer, der (jedenfalls in jungen Jahren) auch in die Themse oder ins Meer springen kann. (Im Rahmen seiner Englandreise berichtet er sogar von seiner Einfahrt in ein Bergwerk und seiner Teilnahme an einer Fuchsjagd.) Er hat auch gerne gesungen, am liebsten mit Freunden, und er war ein gebildeter Mann. Die Aufzeichnungen sind durchzogen von Schiller-Zitaten; offenbar war der schwäbische Dichter für ihn das Höchste. (Dass seine eigenen Gedichte ebenso wie die Zeichnungen und Aquarelle eher für den Hausgebrauch angefertigt wurden, gehört zu den bürgerlichen Lebensformen seiner Zeit.) Das Schreiben muss ihm leicht gefallen sein: Schon als 20jähriger beherrschte er einen gediegenen, komplexen Prosastil, gleichmäßig fließend, aber nie langweilig. Es handelt sich bei seiner Lebensgeschichte um eine kulturgeschichtlich wertvolle Quelle – wertvoll vor allem als Zeugnis für bürgerliches Privatleben und Lebensgefühl im 19. Jahrhundert, wenn auch weniger abgerundet als etwa die berühmten „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ von Wilhelm von Kügelgen. Seine Jahresberichte wachsen um den Stamm wie die Jahresringe eines Baumes.
Die Edition von Sebastian Diziol ist sehr überlegt konzipiert und sorgfältig gestaltet. Der Text wird zeichengetreu wiedergegeben, man muss es sich also auch gefallen lassen, wenn Meyer einmal aus Versehen statt „fiel“ „viel“ schreibt oder Ähnliches. Außerdem versteht sich von selbst, dass die Orthographie zu seiner Zeit noch weniger reguliert war als später. (In die Interpunktion wurde dagegen durch den Herausgeber bewusst eingegriffen.) Lesefehler sind selten (einmal „Straße“ statt „Strafe“, S. 308; in Londoner Parks weiden „Kühe“, nicht „Ruhe“, S. 287.) Einen durchgehenden Anmerkungsapparat gibt es nicht, doch wurden die modernen Schreibweisen bei Ortsnamen hinzugefügt und auf dem Rande in verschiedenen Farben die identifizierbaren Personen angegeben und schwer verständliche Ausdrücke übersetzt und erklärt. Ein Stammbaum, Karten, Orts- und Personenregister erschließen die Textfülle. Der Herausgeber hat außerdem ein einladendes Vorwort und ein wissenschaftlich gewichtiges Nachwort über den historischen Quellenwert der Selbstzeugnisse hinzugefügt.
Eigens Beachtung verdient in diesem Falle die Buchgestaltung. Sie ist nicht nur das, was man gewöhnlich etwas herablassend „liebevoll“ nennt, sondern tatsächlich geschmackvoll (René Hübner). Während man sich sonst oft gestört fühlt, wenn moderne Künstler historische Quellen „aufhübschen“ wollen, hat in diesem Falle die Zusammenarbeit von Herausgeber, Verlag und Buchkünstler zu einem in jeder Hinsicht geglückten Resultat geführt: Die Edition einer Lebensgeschichte aus dem 19. Jahrhundert, die in Text und Gestaltung etwas vom Flair jener Zeit vermittelt. Man erwartet schon die folgenden beiden Bände.
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Date: 2018/03/23 16:49:56
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Hallo,
diese Akte fand ich heute im Landesarchiv Saarbrücken. Es handelt sich natürlich nur um kurze Inhaltsangaben. Die angegebene Seite ist stets nur die erste Seite.
SaCOReg = Sachsen Coburg Regierung
Roland Geiger
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SaCOReg 575 Register, enthaltend einige Beschlüsse, welche von der Anklagekammer erlassen wurden Vol. I 05.03.0123-29.10.1832
Seite 1 Nr. 1. 05.03.1823, Catharina Arend, ledig, 20, Tochter von Conrad Arend, Feldhüter, Martinweyerbach, soll ihr neugeborenes Kind männlichen Geschlechts ermordet haben
Seite 6 Nr. 2. 13.03.1823, Johannes Fritz, 53, Ackerer in Schmitthachenbach, soll Conrad Huck, Ackerer von Bärenbach mit Flintenschutz verwundet haben
Seite 12 Nr. 3. 11.06.1823, Peter Kunz, 39, Feldschütz aus Marpingen soll Christian Krämer, Schuster von Breiten, schwer verwundet haben
Seite 16 Nr. 4. 21.10.1823, 1. Peter Schmitt, Ackerer in Bliesen, 34; 2. Adam Schmitt, Ackerer in Bliesen, 32; 3. Anton Klees, Strohdecker in Bliesen, 38; 4. Johann Nikolaus Lips, Taglöhner in Bliesen, 45; 5. Johannes Hemmer, Maurer in Bliesen, 33; Straßenraub auf der Straße von Wolfersweiler nach Baumholder
Seite 27 Nr. 5. 21.10.1823, Johannes Fritz, 53, Ackerer in Schmitthachenbach, soll Conrad Huck, Ackerer von Bärenbach mit Flintenschutz verwundet haben
Seite 32 Nr. 6. 27.08.1824, Sophia Schwambach, 23, und Catharina Elisabetha Schwambach geb. Diel, 59, Berschweiler, Ermordung eines Kleinkinds
Seite 43 Nr. 7. 12.09.1825, Daniel Haymann, 47, Handelsmann in Martinweyerbach, Meineid
Seite 49 Nr. 8. 01.02.1826, Heinrich Fels, Schlosser von Baumholder, Entwendung eines Pflugs
Seite 52 Nr. 9. 01.02.1826, Catharina Trost, ledig, St. Wendel, Einbruch beim Bäcker Anton Keller in St. Wendel
Seite 58 Nr. 10. 22.02.1826, Jakob Helfenstein, Ackerer in Thallichtenberg, Entwendung eines Pflugs
Seite 64 Nr. 11. 15.03.1826, Peter Veit, Kalkgräber in Niederlinxweiler, soll seinen Vater Joseph Leist per Schrotschuß verwundet haben
Seite 70 Nr. 12. 12.04.1826, Jakob Hebel, Schäfer zu Offenbach, soll seinen Knecht Heinrich Gilges mit einem Holzknüppel auf den Kopf geschlagen haben, woran der verstarb.
Seite 76 Nr. 13. 16.03.1827, Johann Adam Peter Anstalt, Zimmermann von Rohrbach, wohnhaft Heimbach, Bigamie
Seite 81 Nr. 14. 11.07.1827, Johannes Hemmer, Lumpenhändler in Bliesen, soll auf dem Weg zwischen Alsweiler und Marpingen den Nikolaus Anton, Lumpensammler aus Demmeldingen, beraubt haben
Seite 84 Nr. 15. 13.12.1827, Peter Massing senior, Ackerer und Schöffe, Peter Massing jr, Ackerer, beide in Namborn, Unterschriftenfälschung
Seite 88 Nr. 16. 14.12.1827, Friedrich Dieter, Ackerer in Nahbollenbach, Entwendung eines Pflugs
Seite 92 Nr. 17. 07.01.1828, Johann Zang, 29, und Peter Zang, 26, beide Zimmerleute aus Heusweiler, Einbruch ins Pfarrhaus Namborn bei Pastor Wendel Hallauer
Seite 101 Nr. 18. 13.02.1828, Andreas Follmar, 45, Müller in Bliesbolchen, zuletzt in Diensten bei Jakob Veit, Müller in Osenbach, Diebstahl
Seite 106 Nr. 19. 27.09.1828, Johann Friedrich Greiner, 23, Maurer in Oberreidenbach, Diebstahl von Geld bei seinem Dienstherrn Johann Nikolaus Rassier in Bliesen
Seite 114 Nr. 20. 24.12.1828, Nikolaus Angel, Sohn des Taglöhners Johann Angel, 19, Urweiler, Einbruchdiebstahl
Seite 118 Nr. 21. 21.02.1829, Wilhelm Pöss, 24, ohne Gewerb in Baumholder, Einbruchdiebstahl
Seite 124 Nr. 22. 22.04.1829, Jacob Keller, 26, Metzger in Bliesen, Johann Nicolaus Schumann Vater, 49, Dreher in Niederhofen, Johann Nikolaus Schumann Sohn, 24, Stuhlmacher in Niederhofen, Entwendung eines Hammels
Seite 130 Nr. 23. 02.11.1829, Adam Schwan, 53, Taglöhner in Baltersweiler, Catharina Walter, Ehefrau des Michel Leischen, 44, Taglöhnerin in Baltersweiler, falsches Zeugnis
Seite 135 Nr. 25. 03.02.1830, Jakob Biehl, 20, Schuhmacher in Welschbach, Einbruchdiebstahl in Breiten
Seite 143 Nr. 26. 29.04.1830, Philipp Schön, 25, geboren in Oberweiler, Canton Wolfstein, Knecht bei Johann Adam Rübel in Wiesweiler, soll einen Sack Hanfsamen gestohlen haben
Seite 146 Nr. 27. 29.04.1830, Peter Sesterheim, 22, Müller in Namborn, soll durch absichtliches Herabstoßen eines Topfs mit heißem Wasser Totschlag an dem 9 Monate alten Wendel Alles begangen haben, außerdem Verletzung der Margaretha Wagner, Ehefrau des Wendel Alles, und ihres dreijährigen Sohns Franz Alles
Seite 149 Nr. 28. 03.05.1830, Johann Friedrich Greiner, siehe Nr. 19 (Seite 106) Seite 153 Nr. 29. 28.05.1830, Nikolaus Marx, 20, geb. in Rüdenburg, wohnhaft in Morscheid, Dienstknecht bei Philipp Adam Roos, Schullehrer in Reichenbach, Diebstahl bei seinem Dienstherrn
Seite 157 Nr. 30. 22.06.1830, Carl Fillmann, Sohn, 25, Müller auf der Antesmühle, soll seinen Vater Carl Fillmann durch Zudrücken der Kehle und Stoßen an die Brandmauer und Stubenthür mißhandelt zu haben
Seite 160 Nr. 31. 22.06.1830, Nikolaus Lauer, 18, Sohn des Ackerers Michael Lauer, Grügelborn, Brotdiebstahl beim Ackerer Jakob Lang in Grügelborn
Seite 163 Nr. 32. 24.06.1830, Johannes Klein, 45, ohne Gewerb, geboren und wohnhaft in St. Wendel, Einbruchdiebstahl in St. Wendel
Seite 166 Nr. 33. 29.6.1830, Franz Funkhauser, 40, Ackerer und Taglöhner, wohnhaft Roschberg, soll den Feldhüter Johann Bischoff von Gehweiler so mißhandelt haben, daß der 20 Tage nicht mehr arbeiten konnte.
Seite 168 Nr. 34. 24.07.1830, Jakob Fluck, 40, Küfer und Bierbrauer, aus Siebeldingen bei Landau gebürtig, soll im Wirtshaus Jakob Fleck in St. Wendel dem Kiefergesell des Wirtes namens Carl Adler Sachen entwendet haben
Seite 171 Nr. 35. 29.10.1830, Peter Mai, 22, Taglöhner aus Baltersweiler, dort wohnhaft, Einbruchdiebstahl bei Jakob Becker zu Reitscheid
Seite 174 Nr. 36. 17.03.1831, Maria Franz, Tochter des Ackerers Johannes Franz aus Bliesen, soll in der letzten Hälfte des August 1830 das von ihr geborene Kind männlichen Geschlechts getötet haben.
Seite 176 Nr. 37. 17.03.1831, Jacob Fuchs, Taglöhner aus Oberlinxweiler, soll aus der Mahlmühle von Wendel Jacob, Müller in Oberlinxweiler, Frucht gestohlen haben. .
Seite 179 Nr. 38. 1831. Jacob Brixemer, 35, Tag- und Nachtwächter in Hofeld, Peter Haßdenteufel, 21, Ackerer in Hofeld, Andreas Loch, 40, Ackerer in Hofeld, Johannes Hasstenteufel, 58, Ackerer in Mauschbach, Johann Schmitt, 27, Wirth und Schmied in Hofeld, Jacob Langendörfer, Ackerer in Mauschbach, Johann Bick, 36, Ackerer in Hofeld, Nicolaus Hassdenteufel sr, 49, Ackerer in Hofeld, Nicolaus Hassdenteufel jr, 25, Ackerer in Hofeld, Jacob Schmidt, 27, Ackerer in Hofeld, wegen bewaffneter Rebellion nach der Verhaftung von Johann Rammacher von Hofeld.
Seite 193 Nr. 39. 19.11.1831, Jacob Schuh, Taglöhner, Heinrich Volz, Taglöhner, Nicolaus Carlinovsky, Fuhrmann, Johann Welter, Schneider, Jacob Gestier, Drechsler, Jacob Keller, Ackerer, alle in St. Wendel, sollen sich den Zollbeamten Friedrich Albrecht und Carl Braun gewaltsam widersetzt haben
Seite 197 Nr. 40. 24.02.1832, Jacob Becker, Sohn von Nicolaus Becker, Taglöhner in Reitscheid, Wilhelm Metzger, Ziegler und Taglöhner auf der Hengstwalder Ziegelhütte nahe Waldmohr, vulgo „der lange Fries“, zuletzt sich beim Wirth Nicolaus Hassdenteufel zu Grügelborn sich aufhaltend, Peter Geiger, Maurer zu Reitscheid, Jacob Kirch, Schuhmacher in Grügelborn, Michel Becker, Sohn von Nicolaus Becker, Taglöhner in Reitscheid, Jacob Geiger, Strohdecker zu Reitscheid, Jakob Becker, Steinmetz in Grügelborn, Johannes Molter, Ackerer in Reitscheid, sollen sich dem Grenzaufseher Ernst Pieson, zu Oberkirchen stationiert, tätlich widersetzt haben.
Seite 199 Nr. 41. 07.09.1832, Valentin Elicker, Taglöhner, Peter Finckler, Maurer, beide in Oberlinxweiler, sollen den Taglöhner Georg Fuchs beraubt zu haben.
Seite 202 Nr. 42. 07.09.1832, Maria Kyré, Witwe des Joseph Fourré, Wäscherin in St. Wendel, soll die vorzeitige Entbindung der schwangeren Sophia Schweig aus Steinberg theils durch Arzneimittel, theils durch gewaltsames Eröffnen des Fruchtbehälters befördert zu haben.
Seite 204 Nr. 17.10.1832, Nicolaus Keller, Oberkirchen, war auf dem Hambacher Fest und traf dort den Uhrenhändler Johannes März
Seite 205 Nr. 25.10.1832, Catharina Ditzler, ledige Tochter des Taglöhners Jacob Ditzler zu Namborn, zuletzt Dienstmagd bei Franz Josef Dreher, Ackerer zu Hopstätten, wegen Entwendung von Schweinefleisch
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Date: 2018/03/23 17:07:27
From: Jörg Reidenbach <joerg.reidenbach(a)gmx.de>
Ein Erstnutzer dieser Website bittet um Beachtung einer Anfrage: Gesucht werden Geburtsort und Ort der Heirat einer 1855 geborenen Maria Fröhlich. Mit ihrem Ehemann Johann Karl Reidenbach, Sandformer, geb. 05.04.1851 in Abentheuer bei Birkenfeld, Heirat: 1878, und zwei 1878 bzw. 1880 (wo ?) geborenen Töchtern ist sie 1882 nach USA ausgewandert. Letzter Wohnort der Auswandererfamilie war Neunkirchen/Nahe, damals zum Fürstenthum Birkenfeld gehörend. Die am 21.08.1855 in Trippstadt geborene Anna Maria Fröhlich war nicht die Ehefrau bzw. Mutter der Auswandererfamilie. Das belegen weitere Lebensdaten. Für eine Rückmeldung bedankt sich Jörg (Reidenbach) aus Trier |
Date: 2018/03/26 17:46:28
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
heute in der Saarbrücker Zeitung: 25. März 2018 | 20:17 Uhr
Nachtwächtertreffen in St. Wendel Sicherheitskräfte aus vergangenen Tagen
Zum 13. Mal traf sich die Nachtwächterzunft aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz. Der Austausch stand dabei im Mittelpunkt.
Von Frank Faber
Stilecht mit Hellebarde, Signalhorn und flackernden Laternen tauchen am Samstag urige Typen vor der Wendelinus-Basilika auf. Mehr als 20 Vertreter der Nachtwächterzunft aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland sind in ihrer mittelalterlichen Arbeitskluft in der Kreisstadt erschienen.
Der St. Wendeler Roland Geiger ist zur Organisation des 13. Betriebsausflugs der Sicherheitskräfte aus der Vergangenheit verdonnert worden. Hans-Peter Lindenbaum aus dem Hunsrückdorf Gemünden hat seinerzeit das Ganze ins Leben gerufen und Kollegen, die er kannte, angesprochen: „Es wär’ doch ganz nett, wenn man sich mal so in zwangloser Runde treffen würde.“ Davon hat auch Geiger Wind bekommen. „Als ich zum zweiten Mal in Speyer dabei war, haben die Kollegen gesagt, wir suchen noch einen Platz, wo wir hingehen können“, berichtet er. Wenn dann das 13. Treffen, so Geiger weiter, Pech bringe und in die Hose gehe, dann halt in St. Wendel.
Zwischen der Mosel und der französischen Grenze hat er die Gilde der Nachtwächter und Türmer zusammengetrommelt und sich mit ihnen auf ein „Westricher Nachtwächtertreffen“ einigen können. Einzeln treten sie anschließend nach vorne und lobpreisen vor dem Hauptportal der Basilika den Ort ihrer Herkunft. Der Oppenheimer Nachtwächter Udo Weinel ist im Hauptberuf IT-Architekt und schleust Besucher durch den Untergrund seines Heimatortes. Michel aus Alzey plagt das schlechte Gewissen. „Wenn ich nicht da bin, haben in Alzey die Narren Ausgang“, meint er.
Michael Schneider aus der ältesten rechtsrheinischen Gemeinde Engers bewegt eine arbeitsrechtliche Frage: „Ein Nachtwächter, der am Tag stirbt, kriegt der eigentlich Rente?“. In Mainz gewähren die beiden Gewaltboten (Gewalt steht für Verwaltung) Jörg Burkhart und Franz Winkler die nächtliche Ordnung. Zu ihren Aufgaben gehört der Feuerschutz, Überwachung des Bettelwesens und Aufsicht der Bürgermiliz. „Bei uns gibt es viel mehr zu sehen als nur Soldaten“, rührt Dieter Heinz die Werbetrommel für einen Besuch in Baumholder. Er führt die Gäste in dem Westrichstädtchen entlang einer historischen Stadtmauer. „Es ist schön, dass man mal untereinander die Erfahrungen austauschen kann“, befindet Karl-Heinz Kurth aus Königsfeld im Landkreis Ahrweiler.Zwischendrin intoniert die Bläsergruppe eine Vertonung des Wiegenliedes „Över de stillen Straten“ von Theodor Storm.
Oh, es wird ernst. In Reih und Glied postieren sich die Nachtwächter. Udo Weinel gibt das Kommando: „Hebt an die Hellebarde“ und alle recken ihren Spieß in die Höhe. Dann ist es höchste Zeit, die Arbeit ruft. „Hört ihr Leut und lasst Euch sagen, unsre Glock hat Neun geschlagen. Wir hier machen unsre Rund, jetzt zu jeder vollen Stund“, singt das nostalgische Sicherheitspersonal unterstützt von den Klängen der Bläsergruppe. Geiger marschiert daraufhin vorneweg durch die Gassen der Altstadt, greift in die Wissenskiste und vermittelt in heimischer Mundart historische und sagenhafte Anekdoten aus der wechselvollen Geschichte St. Wendels.
Am Sonntag hat der Ebernburger Nachtwächter Chnutz vom Hopfen einen Vortrag über das Nachtwächterlied „Hört Ihr Leut und lasst Euch sagen!“ im Mia-Münster-Haus gehalten. Geiger wurde bei der Planung des 13. Nachtwächtertreffens mit den Kollegen aus der Pfalz, dem Rheinland, Rheinhessen und dem Hunsrück von der Stadt St. Wendel und dem Verein für Landeskunde unterstützt.
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Zwei zugehörige Fotos gibt es direkt auf der Website der Saarbrücker Zeitung: www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/stwendel/sanktwendel/sicherheitskraefte-aus-vergangenen-tagen_aid-8123945 |
Date: 2018/03/27 22:25:15
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Salve, am Sonntagmittag kam unser Nachtwächtertreffen wiederum in SR3. Hier ist der Link: https://www.sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=214&tbl=pf Schaltet Euch ein bei 3 Minuten 43 Sekunden. -- Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger -------------------- Roland Geiger Historische Forschung Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel Tel. 06851-3166 email alsfassen(a)web.de www.hfrg.de |