Date: 2017/08/01 22:12:57
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Schmieder, Felicitas (Hrsg.): Mittelalterliche Zukunftsgestaltung im Angesicht des Weltendes. Forming the Future Facing the End of the World in the Middle Ages (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 77). Köln: Böhlau Verlag 2015. ISBN 978-3-412-50245-4; 170 S.; EUR 35,00. Inhaltsverzeichnis: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_26676.pdf> Czock, Miriam; Rathmann-Lutz, Anja (Hrsg.): ZeitenWelten. Zur Verschränkung von Weltdeutung und Zeitwahrnehmung 750-1350. Köln: Böhlau Verlag 2016. ISBN 978-3-412-50528-8; 262 S.; EUR 45,00. Inhaltsverzeichnis: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_26747.pdf> Rezensiert für H-Soz-Kult von: Julia Eva Wannenmacher, Forschungsstelle Jeremias Gotthelf, Universität Bern E-Mail: <julia.eva.wannenmacher(a)rz.hu-berlin.de> Während MediävistInnen der letzten Jahre viel Gelegenheit hatten, vom spatial turn und manche anderen Wendungen hin- und hergerissen zu sein, sind die Dimensionen des temporal turn, wie es scheint, noch längst nicht alle vermessen, und gerade mit Blick auf die mittelalterliche Zeitanschauung herrscht ein oft viel zu eindimensionales Bild mittelalterlicher "Zeitenwelten" vor. "Was ist die Zeit?" fragt der Münchner Computus[1], eines der bedeutendsten mittelalterlichen Lehrwerke zur mittelalterlichen Zeitrechnung, und gibt selbst die Antwort darauf: "Die Zeit ist die Spanne, die sich vom Anfang bis zum Ende erstreckt" - eine vielsagende Antwort. Während heutige Vorstellungen die Zeit vor allem als fließenden Ablauf begreifen, deren einziger, vermeintlicher Fixpunkt die sich stets wandelnde Gegenwart ist, verdeutlicht die Formulierung des mittelalterlichen Verfassers die grundsätzliche Andersartigkeit mittelalterlicher Zeitvorstellungen, bedingt durch das teleologische Weltbild der christlich-jüdischen Welt, das die Weltgeschichte als von einem bestimmten Anfang auf ihr vorbestimmtes Ziel hin ablaufen sieht. Naturgemäß ist es bei einem solchen Zeitverständnis besonders naheliegend, die eigene Gegenwart darin verorten und sich auf die nahe und fernere Zukunft vorbereiten zu wollen. Dies "im Angesicht des Weltendes" zu tun, wie es der Titel des von Felicitas Schmieder (als Ertrag eines 2013 am Internationalen Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung "Schicksal, Freiheit und Prognose. Bewältigungsstrategien in Ostasien und Europa" der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg abgehaltenen Workshops) herausgegebenen Bandes formuliert, bedeutet bei weitem nicht immer das Heraufbeschwören apokalyptischer Szenarien vor einer möglichst bedrohlichen Endzeitkulisse, das vielgenannte Heulen und Zähneklappern angesichts zu erwartender Antichristen und Höllenstrafen. Ganz im Gegenteil zeitigt es ein überaus nüchternes und zukunftsorientiertes Planen und Gestalten der Gegenwart. Zeit wird kostbar, wenn sie knapp wird - und die Endlichkeit der Zeit, die eine Konstante mittelalterlicher Zeitenwelten ist, macht die große Bedeutung dieser nicht erneuerbaren Ressource nur umso klarer. Statt Weltflucht, wie sie die Fokussierung auf ein nahes Weltende denkbar erscheinen lassen könnte, finden wir in den meisten der von den Autorinnen und Autoren des Tagungsbands untersuchten Texte ganz im Gegenteil eine entschlossene Zugewandtheit zu einer Welt, über deren Plan und Abläufe die Protagonisten mit Blick auf ihr Ende ein tieferes Verständnis gewinnen wollen. Die Herausgeberin wiederholt dabei die 2001 von Johannes Fried aufgestellte These[2], dass gerade die apokalyptische Weltsicht der Ursprung des Fortschrittsgedankens im lateinischen Mittelalter gewesen sei, und die die Beiträge mit unterschiedlichen Herangehensweisen an mehreren Textgenera exemplifizieren. Der zeitliche und geographische Rahmen der Beiträge erstreckt sich vom frühmittelalterlichen Irland bis zu den böhmischen Hussiten im 15. Jahrhundert. Wieviel Neues das bei MediävistInnen so beliebte Durchdeklinieren der Koselleck'schen These noch bringen mag, sei dahingestellt[3]; durch die teilweise ungewöhnliche Auswahl von Quellen und Medien und durchaus originelle Herangehensweisen der Autoren vermag der Band einem allzu bekannten Gegenstand dennoch neue Facetten abzugewinnen - auch wenn das Fazit, das die Beiträge fast durchweg eint, in seiner Nüchternheit geradezu modern anmutet: So entsteht ein Bild des Mittelalters, das trotz oder vielmehr mit Fried gerade wegen des vor Augen stehenden Weltendes ein sehr aktives Interesse an der Gestaltung der Zukunft als künftiger Gegenwart hatte und in seiner Gesamtheit darum weder neu noch revolutionär ist oder es zu sein bestrebt, sondern dem bereits im Entstehen begriffenen, neuen Bild dieses zukunftsorientieren Mittelalters interessante Facetten hinzufügt. "The nature of the End had been revealed by Christ and through the Apocalypse of John, the nature of the future before the End had not", stellt Elizabeth Boyle für das mittelalterliche Irland fest (S. 32), für das sie Texte verschiedenster Quellengattungen untersucht hat, die sich mit Zukunftsgestaltung befassen und die individuelle und die eschatologische Zukunft kaum miteinander in Beziehung setzen. Barbara Schlieben geht neue Wege, indem sie drei Texte unterschiedlicher Gattungen, aus ganz verschiedenen Entstehungskontexten, die jedoch alle die Gegenwart im Blick haben, "auf ihr prognostisches Potenzial" (S. 35) untersucht, die sich vor allem auf die unmittelbare Zukunft beziehen, ohne unbedingt das Weltende im Blick zu haben. Anke Holdenried erklärt die "moralische [...] Herangehensweise an das Zukünftige" bei Hugo von St. Vicor und Petrus Cantor als Ausdruck einer mittelalterlichen Geisteshaltung, wobei sie, die sich als Erben der Kirchenväter verstehen, utopische Lesarten der Zukunft strikt vermeiden und sie lieber als Ort der Läuterung darstellen. Angst vor dem Ende als Gegenwartskritik konstatiert Hans-Christian Lehner in den von ihm untersuchten Chroniken. Ähnlich ist das Fazit Susanne Ehrichs bei der Interpretation der Chorfenster der Frankfurter Marienkirche (im Bildteil farbig), die durch die Gegenüberstellung der beiden Zukunftsalternativen die Gläubigen zu Buße und Läuterung veranlassen wollen. Im Spannungsfeld zwischen Endzeitpredigt und Kirchenreform stehen auch die beiden Beiträge von Ulrike Wuttke über den niederländischen Autor Jan van Boendale und Pavlina Cermanova über apokalyptische Prophetie im Hussitismus. Zusätzlich zu den Abstracts, die jedem der Beiträge in der jeweils anderen Sprache des deutsch-englischen Bandes hinzugefügt sind, verfügt der Band über ein Personenregister und Kurzbiographien der Autorinnen und Autoren. Andere inhaltliche Schwerpunkte setzen die Beiträge im ein Jahr später erschienenen Band "ZeitenWelten. Zur Verschränkung von Weltdeutung und Zukunftswahrnehmung, 750-1350", der auf eine Tagung zurückgeht, die die Herausgeberinnen Miriam Czock und Anja Rathmann-Lutz 2015 organisierten; gleichzeitig versteht er sich als Ertrag eines gleichnamigen DFG-Projekts an der Universität Duisburg-Essen aus den Jahren 2012-2015. Zeit und Zeitlichkeit, Deutungszusammenhänge und wechselseitige Bezugsetzungen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stehen auch hier im Fokus. Während die Beiträge der "Mittelalterlichen Zukunftsgestaltung" in der Nachfolge Frieds demonstrierten, dass die Erwartung eines nahen Weltendes kein erstarrtes Warten und keine Abkehr von der Welt mit sich brachte, sondern im Gegenteil zum Anlass für energische Durchstaltung der Gegenwart werden konnte, loten die Autorinnen und Autoren um Miriam Czock und Anja Rathmann-Lutz die Tiefen mittelalterlicher Zeitdimensionen aus und gehen der Frage nach, "wie die Konstruktion von Zeit mit der Deutung von Welt zusammenhängt" (S. 9). Die Zeit wird unter den Händen der Autorinnen und Autoren zu einem formbaren Material, sie untersuchen die Verschränkung verschiedener Zeitebenen, die aktive Gestaltung der Zeit in der Liturgie, die Verschachtelung, Schichtung, Durchbrechung von Zeit und Zeitebenen, und es ist kein Zufall, dass die Herausgeberinnen am Ende ihrer sehr lesenswerten Einleitung "Sedimente, Verwerfungen, Verkrustungen, Aus- und Aufbrüche ihres Materials" (S. 26) beschreiben und damit eher eine archäologische Grabung oder eine geologische Exkursion zu beschreiben scheinen. Vom gemeinen, im Vergleich mit diesen Ausführungen wenig reizvollen Bild des mittelalterlichen Zeitverständnisses als einer linearen Bewegung mit bekanntem Anfang und feststehenden Ziel bleibt bei diesen Untersuchungen nicht viel übrig; sie zeigen, dass den verschiedenen Lebenswelten des Mittelalters auch ebenso unterschiedliche Zeitenwelten entsprachen, die nebeneinander existierten und sich gegenseitig berühren und sogar durchbrechen konnten, die die Menschen ebenso aktiv gestalten und messen konnten wie den Raum, den sie durchmaßen. Auch in diesem Band sprengen bei weitem die für diese Forschung herangezogenen Quellengattungen und die Lebenswelten, denen sie zugehören, den Erwartungshorizont, den man konventionell zur Untersuchung von Zeitvorstellungen vor Augen hätte. Mit der Expertise der Musikgeschichte, der Literaturwissenschaft oder der Paläographie werden literarische, liturgische und hagiographische Texte ebenso untersucht wie historiographische Texte und Visionsberichte. Während Richard Corradini, Miriam Czock, Barbara Schlieben, Eva-Maria Butz und Uta Kleine frühmittelalterliche Autoren wie Walafrid Strabo, Amalarius von Metz oder Theodulf von Orléans betrachten, lädt Petra Waffner ein zu einem "Spiel mit Zeit und Raum" (S. 179) im altfranzösischen Livre du Sidrac, einem enzyklopädischen Werk des 13. Jahrhunderts, das die Zeit in der Endzeit innehalten lässt, und Patrizia Carmassi zu einer Zeitreise durch das hoch- und spätmittelalterliche Halberstadt und seine Bibliothek, die Rückbesinnung und Neuaufbruch in liturgischen Handschriften verschiedener Aufbewahrungsorte, doch identischer Halberstädter Provenienz über mehrere Jahrhunderte hinweg nachverfolgen lässt. Jörg Bölling zeigt die wechselseitigen Bezüge zwischen regnum und sacerdotium, Zeremonie und Zeit am Beispiel der liturgischen Petrusverehrung in der Salierzeit. Angesichts der Fülle und der Neuartigkeit vieler der gezeigten Ein- und Ausblicke in die Zeitenwelten des Mittelalters fällt es schwer, einzelne der insgesamt neun Beiträge gesondert hervorzuheben; die Auswahl ist notwendigerweise subjektiv. Besonders faszinierend fand ich - neben dem vorgenannten Beitrag von Jörg Bölling -, wie Anja Rathmann-Lutz im letzten Beitrag "Monastische Zeit - Höfische Zeit" im Umfeld des kapetingischen Königtums das überraschende Nebeneinander und die funktionale Verschmelzung dieser beiden Sphären und ihrer Zeitebenen zeigt, die nicht nur linear aufeinander folgen mussten, sondern so konstruiert werden konnten, dass "verschiedene Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukünfte [...] zur Legitimation des Klosters wie der Dynastie miteinander verschmolzen" (S. 250). Außer einer umfassenden Einleitung über mittelalterliche Zeitvorstellungen, die durch eine ausführliche Bibliographie ergänzt wird, erhält der Band gut benutzbare (und einmal nicht nur schwarz-weiße, wie das Verlage sonst gern tun) Abbildungen, englische Zusammenfassungen aller Beiträge und wenn auch knappe Personen-, Sach- und Ortsregister, die seine Benützung angenehm gestalten. Wie der zuvor besprochene Band besticht auch dieser durch sorgsam zusammengestellte, einander gut ergänzende Beiträge, deren hohes Niveau durchweg erfreut und das Fazit erlaubt, dass trotz einer langen Forschungsgeschichte zum Thema mittelalterlicher Zeit- und Endzeitvorstellungen längst noch nicht alles gesagt war. Und vor allem der Band "ZeitenWelten" regt dazu an, die Fragestellung über das bisher Gesagte hinaus zu erweitern: Denn schließlich liege, so stimmen erstaunlicherweise fast alle der in beiden Bänden zu Wort gekommenen mittelalterlichen Autorinnen und Autoren überein, die unmittelbare Zukunft auch in unseren Händen. Vielleicht ist ja noch mehr zu erwarten. Anmerkungen: [1] Vgl. z.B. S. 18 des Beitrags von Elisabeth Boyle im hier rezensierten, von Felicitas Schmieder herausgegebenen Sammelband (S. 17-32). [2] Johannes Fried, Aufstieg aus dem Untergang. Apokalyptisches Denken und die Entstehung der modernen Naturwissenschaft im Mittelalter, München 2001. [3] Zum Ursprung der von Reinhard Koselleck ins Leben gerufenen Debatte, ihren Grenzen und Möglichkeiten vgl. den Beitrag von Barbara Schlieben in: Schmieder (Hrsg.), Zukunftsgestaltung, S. 33-37. Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Lioba Geis <lioba.geis(a)uni-koeln.de> |
Date: 2017/08/02 08:49:21
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Guten Morgen,
habt Ihr das gewußt? Ich stolpere da eben
drüber:
Was ist aus den Ländercodes geworden?Die Angabe der Länderkürzel vor der Postleitzahl bei der Adressangabe auf Briefen und Paketen wurde offiziell am 1. September 1999 abgeschafft.
Aufgrund der automatisierten Anschriftenerkennung führte die Vielzahl der weltweit unterschiedlich verwendeten Ländercodes häufig zu Problemen bei der Sortierung und damit zu Verzögerung und Verärgerung bei den Kunden. Die Angabe des Bestimmungslandes unter der Ortsangabe ist ausreichend.
Damit Ihre Briefe ins Ausland reibungslos zugestellt werden können, verwenden Sie also kein Länderkürzel und beachten bitte folgende Hinweise zur Angabe des Ziellandes:
Quelle: https://www.deutschepost.de/de/b/briefe-ins-ausland/laenderkuerzel-laendercode.html
-- Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger -------------------- Roland Geiger Historische Forschung Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel Tel. 06851-3166 email rolgeiger(a)aol.com oder alsfassen(a)web.de www.hfrg.de |
Date: 2017/08/02 22:31:47
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Förster, Stig (Hrsg.): Vor dem Sprung ins Dunkle. Die militärische Debatte über den Krieg der Zukunft 1880-1914 (= Krieg in der Geschichte 92). Paderborn: Schöningh 2016. ISBN 978-3-506-78266-3; 406 S.; EUR 54,00. Inhaltsverzeichnis: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/media/beitraege/rezbuecher/toc_25608.pdf> Rezensiert für H-Soz-Kult von: Holger Afflerbach, School of History, University of Leeds E-Mail: <H.H.W.Afflerbach(a)leeds.ac.uk> Stig Förster hat 1994 die deutsche Öffentlichkeit mit der These überrascht, dass der deutsche Generalstab im späten Kaiserreich gewusst habe, er werde den nächsten Krieg verlieren[1], und trotzdem habe er aus einer Reihe von Gründen, aus Sozialkonservatismus und zur Erhaltung der überhöhten sozialen Stellung des Militärs in Deutschland, auf den Konflikt hingearbeitet. Nun hat Förster von drei erstklassigen Fachleuten die militärischen Fachzeitschriften aus der Zeit von 1880 bis zum Kriegsausbruch 1914 auswerten lassen unter der Fragestellung, was sie für ein Kriegsbild hatten und wie sie sich den nächsten Krieg vorstellten. Dabei wurden die deutschen Zeitschriften (wie zum Beispiel das Militär-Wochenblatt, die Deutsche Heeres-Zeitung, die Deutsche Revue, die Kavalleristischen Monatshefte, die Kriegstechnische Zeitschrift, die Marine-Rundschau, et cetera) von Markus Pöhlmann, die französischen Zeitschriften von Adrian Wettstein und die britischen von Andreas Rose selektiv ausgewertet. Förster schreibt in der Einleitung, die ursprünglich noch geplanten Untersuchungen der österreichisch-ungarischen und russischen Militärzeitschriften seien leider nicht zustande gekommen (S. 12f.). Das ist natürlich sehr bedauerlich, diese Beiträge hätten dem Band zusätzliches Gewicht gegeben und vielleicht sogar inhaltliche Überraschungen bereitgehalten. Doch auch so handelt es um eine sehr informative Untersuchung. Das Kriegsbild aus einer Vielzahl von Fachzeitschriften zu ermitteln, ist eine komplexe Aufgabe, da die Quellen keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Kriegsbild geben. Es kam den Militärexperten darauf an, die Bedeutung der einzelnen Waffengattungen in einem Zukunftskrieg zu evaluieren. Die Aufsätze befassten sich mit der zukünftigen Bedeutung und Taktik der Waffengattungen, wie Infanterie oder Artillerie. Manchmal entstanden auch Debatten, wie zum Beispiel über die beste Bewaffnung und Gefechtstaktik der Kavallerie. Anhaltend wurde über den Wert der Kavallerie in einem künftigen Krieg diskutiert und es wurden schwere und sehr gut fundierte Zweifel über den künftigen Stellenwert dieser traditionellen Waffengattung geäußert. Die Militärexperten untersuchten auch die Rolle neuer Waffen wie Flugzeuge, Motorfahrzeuge, Schlachtschiffe, Unterseeboote und andere Kriegsschifftypen und spekulierten über ihre Bedeutung in künftigen Auseinandersetzungen. Beim Lesen der Beiträge dieses Bandes wird sehr schnell deutlich, dass die für militärische Fachleute geschriebenen Beiträge meist Detailprobleme der militärischen Entwicklung behandelten, aber kein strategisches Panorama entrollten. Die Autoren waren meistens Spezialisten in ihrem Feld, wollten nicht spekulieren und hielten sich daher an die Fakten. Daher entsteht hier, wie Förster in der Einleitung schreibt, "kein zusammenhängendes Bild vom Krieg der Zukunft" (S. 17). Die Debatten wurden auch stark durch die Kriegserfahrungen der Epoche, durch den russisch-japanischen Krieg und besonders auch durch den Burenkrieg, beeinflusst. Letzterer prägte besonders die britischen Fachzeitschriften, die sich trotz auch zu findenden antiquierten Ansichten von Kavallerieoffizieren, zu denen beispielsweise Douglas Haig gehörte, meistens durch professionelle und realistische Analysen auszeichneten. Wenn auch Spekulationen über das Gesamtbild des künftigen Krieges fehlen, wird doch sehr klar, dass der militärischen Fachwelt vor 1914 viele der waffentechnischen und taktischen Entwicklungen, die dann den Ersten Weltkrieg prägen sollten, nicht verborgen geblieben waren. Sehr deutlich wurde die Rolle der überwältigenden Feuerkraft - von Artillerie, Maschinengewehren und Magazingewehren - gesehen und der Einfluss, den sie auf das Schlachtfeld der Zukunft nehmen würde. Daher auch die Kritik an der Kavallerie; ein Angriff zu Pferde gegen mit modernen Feuerwaffen bewaffnete Infanterie schien schlichter Selbstmord. In Großbritannien kam bei der Diskussion um den Krieg der Zukunft auch die Debatte um die Wehrpflicht hinzu. Die Mehrheit der hier ausgewerteten Artikel hatte, was das Gefecht der Zukunft anging, zutreffende Vorstellungen. Es wird in den Beiträgen auch deutlich, dass die zeitgenössische Beschreibung des Zukunftskrieges durch Jan Bloch[2] von professionellen Militärs nicht etwa verlacht, sondern in vielerlei Hinsicht als zutreffend angesehen wurde. Dies war auch nicht erstaunlich, da Blochs sechsbändiges Werk auf der intensiven Auswertung der internationalen Militärfachzeitschriften beruhte, also auf demselben Quellenkorpus, der in diesem Buch hier untersucht wurde. Doch wurden Blochs Schlussfolgerungen - dass Krieg nun unmöglich sei, da er einem Selbstmord gleichkäme - nicht geteilt. Das Gegenargument war wohl, man habe es nicht in der Hand, den Krieg abschaffen zu können, also müsse man ihn vorbereiten und führbar machen, und dabei spiele dann die Rolle der stärkeren Moral eine zentrale Rolle. Immerhin wurden Blochs Thesen 1901 sogar in den Royal United Service Institution (RUSI) in Whitehall diskutiert (S. 325-335, 329). Im Vorwort von Stig Förster wird eine gewisse Frustration deutlich, dass es "im Dunkeln" bleibe, wie sich die Autoren der Fachzeitschriften den Verlauf eines Zukunftskrieges vorgestellt hatten (S. 17). Diese liegt wohl daran, dass der Herausgeber (und auch der Rezensent) sehr gerne gewusst hätten, wen die militärischen Fachleute für den wahrscheinlichen Sieger des Zukunftskriegs hielten. Doch hier versagen die Quellen und die Frage wurde auch von den Bearbeitern nicht wirklich gestellt - wohl auch, weil es hier keine Antworten gab. Die Artikel der Militärzeitschriften beschrieben den Zukunftskrieg bis zur ersten Schlacht; dies ist von Pöhlmann und Wettstein für den deutschen und französischen Fall klar herausgearbeitet worden. Gleichzeitig wird auch klar, dass die militärischen Experten einen kurzen Krieg aus wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gründen für absolut notwendig und wünschenswert, aber keinesfalls für leicht erreichbar hielten. Pöhlmann meint, die Mehrheit der deutschen Autoren habe eine mittlere Kriegsdauer von ein bis zwei Jahren für wahrscheinlich gehalten. Doch in der Frage, wer denn siegen werde, herrscht Schweigen - mit einer Ausnahme. Rose hebt überzeugend hervor, dass die britischen Marineexperten die deutsche Marine nicht als den gefährlichsten Gegner wahrnahmen, und es wird deutlich, dass sie sich aus geostrategischen Gründen für die sicheren Sieger eines maritimen Zukunftskrieges hielten (S. 360). Sie hatten eine ausgewogene Flotte, die neben Schlachtschiffen auch die anderen notwendigen Typen umfasste, und fühlten sich selbst einem hypothetischen Kontinentalbündnis aus Deutschland, Frankreich und Russland gewachsen und überlegen. Für die kontinentalen Mächte fehlen ähnliche Aussagen. Das ist bedauerlich; es wäre interessant gewesen zu lesen, wie die Franzosen ihre Siegeschancen berechneten. Was Deutschland angeht, schweigen zwar die Fachzeitschriften, aber es gibt andere Quellen. Um an der Spitze anzufangen: Der Generalstabschef (v. Moltke) und der preußische Kriegsminister (v. Falkenhayn) hatten im Sommer 1914 klargemacht, dass sie an den deutschen Sieg glaubten - obwohl Moltke den Krieg gleichzeitig für eine Katastrophe hielt, der das europäische Kulturleben für Jahrzehnte vernichten würde. Hier sei die Hypothese gewagt, dass die Mehrzahl der deutschen Militärschriftsteller diese Ansichten in beiden Aspekten geteilt hätte: Der Kontinentalkrieg wird eine europäische Katastrophe, aber wir werden gewinnen. Die Spitzen der Armee sprachen für diese selbst; das Stimmungsbild in den deutschen Armeen im Sommer 1914 war, so scheint mir, ganz eindeutig von massiver (und ungerechtfertigter) Siegesgewissheit geprägt. Noch ein Wort zum Stil: Die Beiträge sind leicht lesbar und flüssig geschrieben; ein sorgfältiges Lektorat hätte aber etliche Flüchtigkeitsfehler herausfiltern können. Dies ändert aber nichts an der Substanz. Dies ist ein sorgfältiges, kompetentes und interessantes Buch über das Kriegsbild vor 1914, das die vorliegenden Einschätzungen, etwa von Dieter Storz[3] oder Hew Strachan,[4] bestätigt und ergänzt. Anmerkungen: [1] Stig Förster, Mit Hurra und vollem Bewußtsein in die Katastrophe, in: Frankfurter Rundschau, 09.09.1994; Ders., Der deutsche Generalstab und die Illusion des kurzen Krieges, 1871-1914. Metakritik eines Mythos, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 54 (1995), S. 61-95. [2] Jan Bloch, Der Krieg. 6 Bde., Berlin 1899. [3] Dieter Storz, Kriegsbild und Rüstung vor 1914. Europäische Landstreitkräfte vor dem Ersten Weltkrieg, Herford 1992. [4] Hew Strachan, The First World War. Bd.1: To Arms, Oxford 2001, S. 1005-1014. Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Jörg Neuheiser <joerg.neuheiser(a)uni-tuebingen.de> -- Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger -------------------- Roland Geiger Historische Forschung Alsfassener Straße 17, 66606 St. Wendel Tel. 06851-3166 email rolgeiger(a)aol.com oder alsfassen(a)web.de www.hfrg.de |
Date: 2017/08/03 10:40:45
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
1585-1586 Neubau der Brücke in der Kelsweilerstraße in St. Wendel
Außgab Buwgeldt zu der Brücken:
Item hab ich Meister Niklaus Lautz Steinmetzen die Brück verdingt In beysein des Kölners [Kelners], daß er dieselbige in Grundt abgebrochen und von newem widerumb uff geführtt, habe im dauon geben ein hondert und dreyßig gulden, und fier malter korn vur welche er das geding nitt annehmen hatt wollen, diweil aber die kirch an korn ettwas zu kurtz stunde, hab ich die selbig an denn Herr Apt zu Tholey kauffen und iedes mtr für fünf reder bezahlen müssen thut 25 g 20 alb
Ich habe in Anwesenheit des Kellners mit Meister Nikolaus Lautz, dem Steinmetz, einen Vertrag abgeschlossen, die Brücke komplett abzureißen und neu zu bauen. Dafür bekommt er 130 Gulden und vier Malter Korn, für welche Entlohnung er den Vertrag nicht akzeptieren wollte [hat es aber wohl doch getan]. Weil aber die Kirche momentan zu wenig Korn hat, mußte ich selbiges beim Tholeyer Abt kaufen und habe für jeden Malter 5 Rädergulden bezahlt, das macht zusammen 25 Gulden 20 albus. Quelle: Kirchenrechnung 1585-1586 (KR 3), Seiten 176/177
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Date: 2017/08/14 09:20:55
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Guten Morgen, ich hoffe, Ihr könnt mir verzeichen, wenn ich dieses Forum in eigener Sache für eine Anzeige nutze, die sicher nicht hier hin gehört. Roland Geiger ------------------------------- Guten Morgen,
heute abend kommt der Pfarrer aus München nach St. Wendel, der schon seit ein paar Wochen auch bei uns durch die Medien geistert. Rainer Maria Schießler hat durch sein Buch „Himmel, Herrgott, Sakrament“ jede Menge Leute erreicht, die mit dem Thema „Religion“ schon lange abgeschlossen hatten, und ihnen gezeigt, daß es noch eine andere Kirche geben kann. Und er zeigt einige dieser Wege auf, die er geht, die andere auch gehen könnten.
Mir ist klar, daß Kirche heutzutage einen anderen, einen minderen Stellenwert in der Gesellschaft hat. Dafür werden wir mit Angeboten viel zu viel zugeschmissen. Dazu kommt natürlich, daß es - nicht nur heutzutage, das war auch schon immer so - Usus ist, von sich aus über andere zu urteilen, vor allem deren Handeln zu verurteilen, ohne zu wissen, vor allem, ohne nachzudenken, wie man in dieser Situation selber verfahren hätte.
Aber trotzdem kommen die Leute in die Kirche und engagieren sich dort - nicht nur die Alten, sondern auch gerade die Jungen. Weil sie etwas suchen - ein Leitbild, etwas woran sie sich orientieren können. Wen haben sie denn sonst? Die kurzlebigen Idole aus der Szene, denen es in erster Linie ums Geld geht? Unsere Politiker, die vielleicht mal mit hehren Zielen beginnen, aber sich irgendwann durch die Macht korrumpieren lassen? Die können selber nichts dafür, sie haben ja selbst niemanden, an dem sie sich orientieren können.
Pfarrer Schießler heute abend ist nicht der Messias, nicht der Heilsbringer, und er wird durch seinen Vortrag auch sicherlich hier bei uns nichts oder nur wenig bewirken. Aber er hat vielleicht ein paar Ideen, wie wir etwas verändern können, und schlimmstenfalls läßt er bei den Besuchern einen Funken Hoffnung zurück oder die Zuversicht, daß man es auch anders machen kann als in den festgefahrenen Strukturen, die wir hierzulande heute haben.
Wir vom Förderverein St. Anna würden uns freuen, wenn Sie Zeit hätten vorbeizuschauen.
Um 17.30 Uhr zum Gottesdienst oder um 19.30 Uhr zur Lesung. Dazwischen wird im Pfarrgarten für das leibliche Wohl gesorgt. In St. Wendel-Alsfassen in der Dechant-Gomm-Straße.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger Förderverein St. Anna in St. Wendel |
Date: 2017/08/16 23:35:51
From: Roland Geiger <alsfassen(a)web.de>
Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis e.V.
Sonderband 22
Von Fähren entlang der Saar Teil 1: Von der oberen Saar bis nach Völklingen
295 Seiten mit vielen historischen Fotos und Karten
36 € zzgl. Porto und Verpackung
Fähren haben zu allen Zeiten die Menschen fasziniert. Sie dienten zum Kontakt der Menschen über den Fluss hinweg, sie dienten aber auch in der Mythologie zur Verbindung der Menschen mit dem Reich der Toten. Eine Publikation zu diesem Thema fehlte bisher für den Bereich der Saar. Nun legt der Wadgasser Heimatforscher Siegfried Bach den ersten Band seiner umfangreichen und spannenden Arbeit zur Geschichte der Fähren und Übergänge über die Saar von der Quelle bis zur Mündung vor. Dieser erste Band behandelt den Lauf der Saar von der Quelle bis zur Mittelstadt Völklingen. Er berichtet in dem 295 Seiten umfassenden, reich bebilderten Werk über zahlreiche und spannende neue Funde und Rechercheergebnisse. Der Autor zeigt, wie die Saar als Lebens- und Verkehrsader der gesamten Region zu früheren Zeiten immer wieder auch überquert werden musste. Das war nicht ganz so einfach, gab es doch außer in Saarbrücken, Saarlouis und Konz nur die Möglichkeit, per Fähre oder Furt den Fluss zu überqueren. Begonnen hat Siegfried Bach schon vor 11 Jahren sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Zahlreiche Archive hat er besucht, dort in historischen Schriften und Publikationen geforscht, hunderte von Seiten transkribiert und historische Karten und Fotos gesammelt. Die Arbeit macht nicht an den Grenzen des Saarlandes halt, sondern behandelt dankenswerterweise den gesamten Lauf der Saar von der Quelle bis zur Mündung. Alles zu dem Thema ist in dem umfangreichen Verzeichnis der Quellen und Literatur erfasst. Besonders erwähnenswert sind die historischen Kartenausschnitte und Fotos. Herr Bach danke ich herzlich für diese tolle Arbeit und freue mich schon auf den zweiten Teil, der den Bereich von Völklingen bis Konz behandeln wird.
Das Buch ist nach Erscheinen erhältlich: im Saarlouiser Buchhandel beim Autor S. Bach, Schaffhauser Str. 35, 66787 Wadgassen-Hostenbach im Kreisarchiv Saarlouis, Kaiser-Wilhelm-Str. 4-6, 66740 Saarlouis, Tel.: 06831/444-425
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