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2017/07/23 22:59:28
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Die Flughöhe der Adler. His torische Essays zu globalen Gegenwart.
Datum 2017/07/26 14:23:11
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Über die katholische Pfarrkir che von St. Wendel.


Betreff 2017/07/07 22:03:58
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Das Buch als Medium - Mittelalterliche Handschriften und ihre Funktionen
2017/07/23 22:59:28
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Die Flughöhe der Adler. His torische Essays zu globalen Gegenwart.
Autor 2017/07/26 14:23:11
Roland Geiger
[Regionalforum-Saar] Über die katholische Pfarrkir che von St. Wendel.

[Regionalforum-Saar] Als der hl. Wendelin seinen Kopf verlor.

Date: 2017/07/26 09:58:52
From: Roland Geiger <alsfassen(a)...

Guten Morgen,

 

vorgestern abend erzählte der St. Wendeler Autor Alfons Klein ein paar humorige Geschichte um St. Wendel und seinen Stadtpatron im Rahmen der sog. „Gartengespräche“, die heuer in der Ferienzeit die Pfarrgemeinde im Pfarrgarten bzw. - wie vorgestern - bei schlechtem Wetter im Cusanushaus veranstaltet.

 

Mittendrin machte der Vorleser eine Kunstpause und bat seine Zuhörer um eigene Geschichten zum Thema, und tatsächlich kamen auch ein paar Wortmeldungen.

 

Mir fiel da eine Geschichte ein, die ich vor vielen Jahren in der St. Wendeler Oberstadt gehört hatte. Als ich sie in knappen Worten wiedergab, fiel mir auf, daß ich sie nie aufgeschrieben habe. Das hab ich eben nachgeholt - nun, ich möchte sie Oich nicht vorenthalten.

 

Roland Geiger

 

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Als der hl. Wendelin seinen Kopf verlor.

 

Diese Geschichte hat mir Martha Sebald aus der Balduinstraße vor vielen Jahren erzählt. Sie handelt von ihrer Mutter Barbara Sebald geb. Gerber (1882-1959) oder sogar schon deren Mutter Margarethe geb. Marx (1852- ca. 1920) - das weiß ich nicht mehr so genau -, jedenfalls war die Frau schon sehr alt [hm, ich habe immer den Eindruck gehabt, sie sei allein im Haus, also Witwe gewesen, aber Barbara wurde von ihrem Mann überlebt, bei Margarethe weiß ich es nicht; andererseits könnte es Martha durchaus selbst gewesen sein, denn sie war meines Wissens nicht verheiratet, und ihre Tochter, die heute in Amerika lebt und mit der ich nach Marthas Tod sprach, kannte die Geschichte nicht]. Jedenfalls geht es um diese alte Frau Sebald und den hl. Wendelin, der gegenüber auf dem Brunnen steht - bzw. dessen Kopf.

 

Da kam ein großer Lkw die Balduinstraße heruntergefahren und mußte in Höhe des Brunnens rangieren. Beim Rückwärtsfahren stieß er gegen den Brunnen bzw. - weil er recht hoch war - so heftig gegen den Kopf des Heiligen, daß dieser abgerissen wurde und in hohem Bogen davonflog. Frau Sebald sah, wie er auf die Erde fiel und unbeachtet liegen blieb. Der Lkw-Fahrer hat davon nichts mitbekommen oder es war ihm egal. Er verschwindet damit aus unserer kurzen Geschichte.

 

Der alten Frau Sebald, die von ihrem Fenster aus den davongeflogenen Kopf gut im Blick hatte, tat der hl. Wendelin leid, wie er da zum Teil oben auf dem Sockel stand und zum Teil unten in der Gosse lag. Also ging sie hinaus, nahm den Kopf auf und trug ihn ins Haus. Sie räumte eine Ecke im Fenster leer und stellte den Kopf dort auf, links und rechts von einer Kerze flankiert. Dort stand er ein paar Tage oder mehr, und sie verrichtete abends ihre Gebete vor ihm.

 

Nach einiger Zeit kam ihre Tochter zu Besuch und sah den Kopf auf dem Fenstersims stehen. „Ach du liebe Zeit“, rief sie und schlug die Hände zusammen, „aber Mama, wo hast Du den Kopf denn her?“

 

Und ihre Mutter erzählte ihr die Geschichte, wie der Kopf davongeflogen sei und er ihr leid getan und sie ihn deshalb in Sicherheit gebracht hätte.

 

„Ja, aber weißt Du denn nicht, daß er vermißt wird? Die halbe Stadt sucht schon nach ihm!“

 

In der Tat hatte die alte Dame, die selten vor die Tür ging, davon nichts mitbekommen. Natürlich haben die beiden den Kopf dann wieder zurückgegeben, und deshalb sitzt er heute längst wieder an Ort und Stelle. Aber die rechte Hand des Heiligen, von der die Leute immer meinen, sie würde sich segnend über sie strecken, weist vage in Richtung der anderen Straßenseite, dort, wo heute noch das Haus Balduinstraße 19 steht, wenn auch dort schon lange niemand mehr wohnt.

 

Daß diese Hand nicht die ist, die damals gleich nach der Kopfreparatur auf das Haus zeigte, nun, das ist eine ganz andere Geschichte.