Der verlorene Sohn
Heinz Becker, der Klischee-Saarländer schlechthin, verschwand vor 14 Jahren
aus seiner Heimat: Ein Wiedersehen mit Gerd Dudenhöffer
Seit 14 Jahren steht er nicht mehr im Saarland auf der Bühne. 14 Jahre hat
er geschwiegen. Jetzt redet Gerd Dudenhöffer wieder. Über seinen Exportschlager
Heinz Becker – und wie er dem Land abhanden kam.
Von SZ-Redakteur Thomas
Schäfer
Frankfurt/Main. Freitagabend, Alte Oper Frankfurt, in zweieinhalb
Stunden steht er auf der Bühne. Wenn Gerd Dudenhöffer an den typischen
Saarländer denkt, fällt ihm dies hier ein: „Mmh, wat soll ich dann mache? Aach
Gott, jetzt räänt's ach noch. Wat soll ich mache? Nä, nä, ich glaab, ich hann
die Freck.“ Eher pessimistisch seien seine Landsleute. „Und immer in der
Selbstverteidigung.“
Jeder andere Landstrich ist stolz auf das, was er hat, findet Dudenhöffer.
Die Bayern pflegten ihr „Mia san Mia“, in Baden-Württemberg gelte „Wir können
alles. Außer Hochdeutsch“. Die Saarländer aber: Wenn von Lyoner und Saarschleife
die Rede ist, hieße es meist: Gibt es nichts anderes? Dudenhöffer aber sagt:
„Lyoner ist was Dolles und die Saarschleife: Wenn Bayern so was Schönes hätte,
die hätten's auf dem Wappen drauf.“
Lyoner, Karlsberg, Saarschleife und der Becker Heinz: Säulen saarländischer
Identität. Eigentlich. Oder bloß früher einmal?
14 Jahre sind vergangen seit dem letzten Auftritt von Dudenhöffers Bühnen-Ich
im Saarland. Seit 14 Jahren macht er einen Bogen um die Heimat. An der
Landesgrenze ist gnadenlos Schluss. Landau, Gerolstein, Trier. Aber kein
Saarland. „Schluss, aus, fertig!“
Dabei lebt Dudenhöffer seit 63 Jahren hier, in Bexbach. „Ich bin ein
überzeugter Saarländer. Ich würde wegziehen, wenn es mir hier nicht passen
würde. Ich komme mit den Leuten klar, ich find's schön, finde die Lebensart gut.
Es ist nur schade, dass die Saarländer nicht stolzer sind auf das, was sie
haben.“
Die Geschichte der Trennung des Landes von seinem neben Oskar Lafontaine und
Nicole bekanntesten Botschafter beginnt 1997. Auf einer SZ-Veranstaltung
verkündet Dudenhöffer das Aus von Alice Hoffmann in der bundesweit erfolgreichen
Serie „Familie Heinz Becker“. Er spricht heute von einem „taktischen Fehler“,
der ihm nicht mehr passieren würde. Ein Stein sei ins Rollen gekommen. „Das war
einfach nicht schön, auch unfair, eine Kampagne auch der SZ. Irgendwann war mir
das zu doof, dann sagte ich mir: Es reicht jetzt, ich trete hier nicht mehr auf.
Schluss, aus, fertig!“
Besonders getroffen hat Dudenhöffer allem Anschein nach ein SZ-Kommentar vom
Mai 1998. Titel: „Geh fort, Heinz Becker!“ Darin wird die Meinung vertreten,
dass Dudenhöffer Deutschland das Bild des trotteligen Saarländers vermittelt.
Ein Dummkopf und Tollpatsch, etwas zurückgeblieben und von der Zivilisation
überfordert. In den Tagen danach schlossen sich viele Saarländer dieser Meinung
in Umfragen und Leserbriefen an. Kult oder Schrott, Stolz oder Scham: Über Heinz
Becker entbrannte eine Art Glaubenskrieg, der mancherorts weiter tobt.
Ausgerechnet Sing-Star Nicole zählte seinerzeit zu den großen Fans. Sie nannte
die Figur eine „positive Fremdenverkehrswerbung“ für das Land.
Dudenhöffers Erinnerungen sind weniger schön: „Es ging mir auch persönlich
nah, denn es wurde bis in die Familie reingetragen.“ Er spricht von einer Wunde,
die zwar vernarbt sei, aber noch immer schmerzt.
Wie es aussieht, beruhen die Verletzungen der Vergangenheit, das zerrüttete
Verhältnis der Saarländer mit einer saarländischen Institution, auf einem großen
Missverständnis. Denn Heinz Becker ist überhaupt kein Saarländer. Zumindest
nicht zwingend.
Ist Heinz Becker ein Saarländer? „Nein, jein“, sagt Dudenhöffer: „Er spricht
Saarländisch. Es ist eine Kunstfigur, die einen Dialekt hat. Denn er braucht den
Dialekt, weil er nicht spricht, sondern schwätzt.“ Dahinschwätzt. Das Stadium
des Dummschwätzers hat er weitgehend hinter sich. Er guckt Fernsehen, kennt sich
aus in der Welt, kriegt mit, was in Syrien los ist. Redet über Klimawandel,
Sterbehilfe und die Euro-Krise.
Das Saarland und das Saarländische, genauer das Rheinfränkische, sind nicht
zentral, die Sprache ist Mittel zum Zweck. In Frankfurt glauben manche fest
daran, Heinz Becker sei ein Hesse. „Die Leute in Hamburg würden mich nicht
verstehen, wenn ich Lokalkolorit machen würde“, sagt Dudenhöffer. Doch die Leute
verstehen ihn sehr gut.
Mit seinem Programm „Sackgasse“ war er allein in diesem Jahr in über 100
Städten: Bonn, Mainz, Leipzig, Berlin, Hamburg, Dresden. Bis Weihnachten ist er
noch auf Tour. Die Vorstellungen seien zu über 90 Prozent ausverkauft, sagt sein
Manager: „Was wir derzeit auf der Bühne sehen, ist der beste Heinz Becker, den
wir je hatten.“ Dudenhöffer selbst sagt voller Selbstbewusstsein: „Ich habe die
Figur jetzt, wo ich sie hinhaben wollte.“ Es sei alles drin: „Es geht auch schon
zur Sache, das heißt, dass Leute rausgehen oder bitterböse Briefe schreiben.
Aber dafür ist Kabarett da: polarisieren, eine Reibefläche bieten.“ Den Leuten
gefällt's. „Ich mache das seit über 30 Jahren – es funktioniert.“
Nur mit dem Saarland funktioniert es nicht mehr. Der Prophet im eigenen Land:
Man hat sich auseinandergelebt. Verletzte Eitelkeit? Gerd Dudenhöffer, schwierig
und verbittert? „Warum sollte ich verbittert sein? Ich bin sehr zufrieden. Ich
spiele in ausverkauften Häusern, ich freue mich, dass ich immer noch unterwegs
sein kann. Ich bin etabliert.“ Ob sich die Saarländer freuen würden, wenn Heinz
Becker zurückkäme? Darüber macht sich Dudenhöffer keine Gedanken. Er hat damit
abgeschlossen. Er fühlt sich nicht mehr wohl auf saarländischen Bühnen. 14 Jahre
saarlandlos: „Das muss man nicht überbewerten.“
Dass Heinz Becker zurückkehrt, ist derzeit so wahrscheinlich wie Champions
League im Ludwigspark. Dudenhöffer wähnt sein Alter Ego damit in prominenter
Gesellschaft: „Ich stelle fest, dass es schon einige gab, die das Saarland
verlassen haben, weil etwas nicht gepasst hat.“
Saarschleife, Lyoner, Dibbelabbes, Heinz Becker – gäbbt's nix anneres? Oder
ist die Zeit bloß eine andere im (ehemaligen) Aufsteigerland?
„Ihn, den Heinz Becker alias Gerd Dudenhöffer, ohne trennende Mattscheibe zu
sehen, ist ein Genuß“, befand die SZ nach einem seiner letzten Auftritte 1998 in
Saarlouis und lobte: „Alles ist intelligent.“ Intelligente Unterhaltung auf
Saarländisch. Dudenhöffer will als Satiriker „die Wahrheit überziehen, bis sie
platzt“. Er bringt die Menschen damit zum Lachen. Zwei Stunden am Stück. Überall
in Deutschland. Fast überall. „Nein, jein.“
Auf einen Blick
Dudenhöffers aktuelles Programm „Sackgasse“ ist am 1. und 2.
Januar abends im SWR zu sehen. An Heiligabend wird wieder die Kult-Folge „Alle
Jahre wieder“ der „Familie Heinz Becker“ ausgestrahlt: 15.40 Uhr ARD, 17 Uhr
NDR, 18.40 Uhr WDR, 22.30 Uhr SR. Seine neue Tour „Die Welt rückt näher“ startet
Ende April 2013 in Frankfurt. tho