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2011/05/09 22:54:50
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] reduzierte Viehzucht seit ü ber 150 Jahren
Datum 2011/05/09 22:55:55
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Tag der offenen Tür im Bist umsarchiv Trier am Samstag, 28. Mai 2011
2011/05/26 17:59:40
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[Regionalforum-Saar] Wo die Saar am schönsten is t.
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[Regionalforum-Saar] über die Kelten
2011/05/09 22:54:50
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[Regionalforum-Saar] reduzierte Viehzucht seit ü ber 150 Jahren
Autor 2011/05/09 22:55:55
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Tag der offenen Tür im Bist umsarchiv Trier am Samstag, 28. Mai 2011

[Regionalforum-Saar] über den Mimus

Date: 2011/05/09 22:55:36
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

 
Panayotakis, Costas (Hrsg.): Decimus Laberius, The Fragments. Edited
with introduction, translation, and commentary (= Cambridge Classical
Texts and Commentaries 46). Cambridge: Cambridge University Press 2010.
ISBN 978-0-521-88523-2; XXIX, 512 S.; £ 80,00.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Peter Habermehl, Theologische Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin
E-Mail: <habermep(a)... Studierende der Klassischen Philologie sind bei dem Namen
Laberius mitunter überfragt. Und wer möchte es ihnen verdenken? Gerade
einmal 90 Fragmente sind von diesem Zeitgenossen Caesars und Ciceros
erhalten, insgesamt kaum mehr als 150 Verse. Und doch war er einer der
einflussreichsten Autoren der späten römischen Republik und der wohl
populärste Vertreter einer Literaturgattung, die zwar (ähnlich dem
Roman) nie den Segen der antiken Literaturkritik fand, sich aber
ungebrochener Beliebtheit erfreute: des Mimus.

Gegen Ende der Republik erlebt der auf griechischem Boden gewachsene und
im Hellenismus zum Publikumsmagneten gewordene Mimus mit seinem Faible
für Slapstick und Obszönitäten auch in Rom eine Blüte und wird zur
populärsten Gattung des Bühnenspiels. Die Aufführungen zeigen bunte
Alltagsszenen, in denen Herren und Sklaven, Krämer und Köche,
Wursthändler und Wirtsleute, gehörnte Gatten und rührige Liebhaber die
Bühne bevölkern (vgl. Ov. trist. 2,497-518). Doch bietet der Mimus mehr
als nur Burleske. Der unbestechliche Blick auf das menschliche Treiben
kann ihm satirische, ja moralische Züge verleihen. Und mitunter erzielt
er eine eminent politische Wirkung. Zu literarischen Würden verhelfen
ihm spätrepublikanische Autoren wie Publilius Syrus und - Laberius.

Wer sich mit Laberius befassen wollte, konsultierte bislang Otto
Ribbecks klassische Edition in den Comicorum Romanorum Fragmenta (3.
Aufl., Leipzig 1898), die dem Leser die bloßen Fragmente präsentiert,
oder Mario Bonarias Romani Mimi (Roma 1965), die dem Text zwar eine
italienische Übersetzung und philologische Erläuterungen zur Seite
stellen, inhaltlich aber Etliches offen lassen. Nicht nur Philologen
werden daher begrüßen, dass es nun eine Ausgabe gibt, die diesem
eminenten Autor rundum gerecht wird; denn in Costas Panayotakis, der
seit langem an der Universität Glasgow tätig ist und dem wir eine höchst
lesenswerte Studie zu Petron verdanken [1], hat Laberius einen
kongenialen Exegeten gefunden.

Konzise charakterisiert die große Einführung das Phänomen Mimus und
verfolgt die Geschichte dieser Gattung von den griechischen Ursprüngen
bis in die Spätantike. Die antiken Testimonien zu Laberius werden auf
ihren historischen Gehalt geprüft. Zwanzig reiche Seiten gelten
Laberius' Sprache und Metrik. Zuletzt diskutiert Panayotakis die
komplexe Quellenlage der Fragmente sowie ihre Editionsgeschichte seit
Petri Crinitis editio princeps (Florenz 1505), in der Friedrich Heinrich
Bothe (Poetae Scenici Latinorum, Bd. 5, 2: Fragmenta comicorum,
Halberstadt 1824) und der erwähnte Otto Ribbeck zurecht Ehrenplätze
einnehmen.

Hohes Lob verdient die Entscheidung, die Fragmente samt ihrem Kontext
(bei Gellius, Macrobius, Nonius usw.) abzudrucken. So wird meist auf
Anhieb klar, warum antike Autoren ein prägnantes Wort, einen Vers, eine
Passage aus Laberius zitieren. Wie viele Informationen sich im Kontext
oft verbergen, belegt der Kommentar auf fast jeder Seite. Damit nicht
genug, übernimmt Panayotakis (anders als etliche Vorgänger) die Zitate
nicht einfach aus den einschlägigen Editionen. Um den handschriftlichen
Befund der Quellen so verlässlich wie möglich zu referieren, hat er die
maßgeblichen Manuskripte durchgehend neu geprüft.[2] Die Autopsie der
Handschriften, die nüchterne Bewertung der zahlreichen Konjekturen, die
seit der Renaissance zu Laberius vorgeschlagen wurden, die hellhörige
Analyse der diffizilen Metrik, eine beneidenswerte Vertrautheit mit
Fragen griechischer und lateinischer Phono- und Morphologie, aber auch
mit dem Textkorpus der römischen Komödie und nicht zuletzt eine
glückliche Hand für editorische Entscheidungen beschenken uns mit einem
Laberiustext, der als neuer Standard gelten darf.

An Detektivarbeit erinnert die Sorgfalt, die Panayotakis den (nicht
selten entstellt überlieferten) 44 Werktiteln angedeihen lässt, die oft
den einzigen Fingerzeig zum möglichen Plot des Stücks liefern.[3]
Realien jeder Couleur werden in mitunter enzyklopädischer Breite
traktiert, ob es sich nun um anschauliche Porträts einschlägiger Berufe
(z.B. den "Wäscher", fullo, S. 255-257) oder das Amt des Augurs (S.
135f.) handelt, um die römische matrona (218f.) oder das wenig
schmeichelhafte Bild der Schwiegermutter im Mimus (S. 145f.). Der
balearische Kranich (S. 261) wird ebenso liebevoll skizziert wie
angesagte Speisefische (S. 402f.). Gelehrte Exkurse gelten der
pythagoreischen Lehre (S. 160f.) oder der Geographie und literarischen
Geschichte des Avernersees in Kampanien, der als Tor zur Unterwelt galt
(S. 277f.). Und augenzwinkernd referiert der kretische Philologe die
stereotypen Vorurteile der Römer gegenüber den Bewohnern jener Insel,
die als habgierig, schlitzohrig und notorische Lügner galten (S.
236).[4] Nicht minder kompetent werden Fragen der Grammatik und Metrik
erörtert. Eine lehrreiche Lektüre bieten die Einlassungen zu den knapp
50 hapax legomena und Neologismen des Laberius (vgl. S. 63f.) - denen
wir übrigens das Gros der Grammatikerzitate verdanken -, wie z.B.
hilaria ("Heiterkeit") oder miserimonium ("Elend"), praeviridans ("vor
Saft und Kraft strotzend") oder testitrahus ("hodenschleppend"),
conlabellare ("die Lippen schürzen") oder puellitari ("sich wie ein
Mädchen aufführen").

Schon diese Kostproben lassen ahnen, dass ungeachtet seiner
literarischen Qualitäten und Ansprüche Laberius sich der sinnesfrohen
Wurzeln des Mimus durchaus bewusst war - wie zum Beispiel fr. 15 (aus
dem "Hündchen"), fr. 45 (aus dem "Palesfest") oder fr. 36 (aus dem
"Lacus Avernus") plastisch belegen: "scinde una <cum> exoleto patienti
catulientem lupam" (in Panayotakis' Übersetzung: "fuck the shit out of
the bitch on heat along with the shagged-out old queen", S. 276).[5]

Diese exzellente Ausgabe des maßgeblichen römischen Mimographen, die
über Sprache und Metrik hinaus gerade auch die Bühnenqualität der
Fragmente zu erhellen sucht, verspricht nicht nur Sprachwissenschaftlern
und Liebhabern archaischer lateinischer Metrik vergnügliche Lesestunden,
sondern auch dem Kreis derer, die sich für antikes Theater oder das
Genre des Mimus erwärmen, oder für die gerade in jüngerer Zeit lebhaft
diskutierte Frage, wie sich Mimus und andere Literaturformen
wechselseitig beeinflussten. Vor allem aber wird sie ihr Teil dazu
beitragen, den großen (Sprach-)Künstler und Stilisten neu zu würdigen,
der Laberius ohne jeden Zweifel war.


Anmerkungen:
[1] Costas Panayotakis, Theatrum Arbitri. Theatrical elements in the
Satyrica of Petronius, Leiden 1995.
[2] Problematisch ist die Präsentation der textkritischen Noten. Während
der Apparat zu den Laberius-Fragmenten unter dem Text steht, sind die
kritischen Anmerkungen zum antiken Kontext in den laufenden Text
integriert. Gerade bei den vielen schlecht überlieferten Noniuspassagen
führt dies nicht selten zu einem schier unleserlichen Wortsalat. Zwei
separate Apparate unter dem Text hätten hier Wunder gewirkt.
[3] In der Regel verweisen sie auf volkstümliche Berufe (z.B. "Der
Seilhändler" oder "Der Salzverkäufer") oder römisches Alltagstreiben
(z.B. "Die heißen Quellen", "Der Kerker" oder "Der Geburtstag"), auf
Personen von auswärts (z.B. "Cretensis", "Galli" oder "Tusca") oder
komische Charaktere (z.B. "Der Vergessliche" oder "Der Schmeichler"),
aber auch auf religiöse Feste (z.B. "Parilicii" und "Saturnalia") oder
mythische Stoffe (z.B. "Lacus Avernus" und "Necyomantia").
[4] Dem Porträt der Galli (S. 263f.), die Panayotakis als Gallier oder
Kybelepriester deutet, käme ein Verweis auf Martial (u.a. 3,81; 8,75)
und Apuleius (met. 8,24ff.) zugute.
[5] Den (nicht nur stilistischen) Gegenpol bildet Laberius' berühmtes
'Proöm' (fr. 90; wegen metrischer Auffälligkeiten hegt Panayotakis
leichte Zweifel an der Authentizität dieser 27 Verse).