Date: 2011/02/01 08:43:56
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Einladung Haus der Stiftung
Demokratie Saarland, Bismarckstr. 99, 66121 Saarbrücken „Die 3. Welt im 2.
Weltkrieg“ Kooperationsveranstaltung mit Aktion
3. Welt Saar und der Heinrich-Böll-Stiftung Millionen Soldaten aus Afrika, Asien,
Ozeanien und Lateinamerika haben im Zweiten Weltkrieg gekämpft, um die Welt vom
deutschen und italienischen Faschismus sowie vom japanischen Großmachtwahn zu
befreien. Allein Indien stellte 2,5 Millionen Kolonialsoldaten und China hatte
mehr Opfer zu beklagen als Deutschland, Italien und Japan zusammen. Frankreich
sowie Großbritannien rekrutierten auch in ihren afrikanischen Kolonien jeweils
mehr als eine Million Kolonialsoldaten für Kriegseinsätze vom Maghreb über
Europa bis nach Indien und Burma. Sowohl die faschistischen Achsenmächte
als auch die Alliierten rekrutierten in ihren Kolonien Hilfstruppen und
Hilfsarbeiter oftmals mit Gewalt. Japanische Militärs verschleppten zudem
Hunderttausende Frauen aus Asien in ihre Frontbordelle. Rekruten aus den
Kolonien, ob Freiwillige oder Zwangsverpflichtete, mussten sich mit weniger
Sold, schlechteren Unterkünften und geringeren Kriegsrenten als ihre „weißen
Kameraden“ abfinden. Weite Teile der Dritten Welt – von der
lateinamerikanischen Küste, West-, Nord- und Ostafrika über den Nahen Osten und
Indien bis nach Südostasien und Ozeanien – dienten als Schlachtfelder und
blieben nach Kriegsende verwüstet und vermint zurück. Bei der Befreiung der
philippinischen Hauptstadt Manila von den japanischen Besatzern starben mehr
Zivilisten als in Berlin, Dresden oder Köln. Aus ihren Kolonien bezogen die
kriegführenden Mächte zudem Nahrungsmittel für die kämpfenden Truppen und
Rohstoffe für die Rüstungsproduktion. Oft musste die einheimische Bevölkerung
deshalb Hunger leiden.
In der Dritten Welt gab es allerdings
nicht nur Opfer, sondern auch Kollaborateure der faschistischen Achsenmächte,
die an deren Seite kämpften – von Nordafrika und Palästina über den Irak und
Indien bis nach Thailand und Indonesien. Ausstellungseröffnung: 18:00
Uhr Begrüßung Einführung in die
Ausstellung: Karl Rössel Rheinisches Journalistenbüro
Köln Im Rahmen der Ausstellung finden
verschiedene Veranstaltungen statt: MITTWOCH, 16.02.2011,18:00
Uhr Stiftung Demokratie Saarland,
Vortrag mit Birgit Morgenrath, Rheinisches
JournalistInnenbüro Köln "Die Kolonialpläne der
Nazis" DONNERSTAG, 17. 02. 2011, 20:00
Uhr im Filmhaus
Saarbrücken, Mainzerstr.
8 "Indigènes (Tage des
Ruhms) , Regie:
Rachid Bouchareb, Film DONNERSTAG, 24.02.2011, 20:00
Uhr im Filmhaus, Saarbrücken,
"63 years on .... (63 Jahre
danach...), Regie: Kim Don-Won,
Film anschließend Diskussion mit Nataly
Jung-Hwa Han, Berlin MITTWOCH, 02.03.2011, 20:00
Uhr "Deutsch arabische Pläne zur
Vernichtung der Juden im Nahen Osten", Vortrag von Martin Cüppers, Forschungsstelle
Ludwigsburg MITTWOCH, 16.03.2011, 18:00
Uhr im Haus der Stiftung Demokratie
Saarland,Bismarckstr. 99, 66121
Saarbrücken, "Lateinamerika und Karibik im 2.
Weltkrieg",
Vortrag
von Gerd Eisenbürger, Informationsstelle Lateinamerika,
Bonn MITTWOCH, 23. März 2011, 19:30 Uhr
"Unterwegs als sicherer
Ort", Regie
Dietrich Schubert,
Film anschließend Diskussion mit Peter
Finkelgruen, Köln Nähere Informationen über die
einzelnen Veranstaltungen finden Sie im Internet. www:a3wsaar.de,
www:boell-saar.de Die Ausstellung wird gezeigt bis
31.03.2011 Öffnungszeiten: Montag -
Donnerstag 09.00 Uhr - 16.00 Uhr Freitag: 09.00 Uhr - 14.00
Uhr Eintritt frei! Mit freundlichen
Grüßen Christa Reidenbach Stiftung Demokratie Saarland Bismarckstr. 99 66121 Saarbrücken Tel.: 0681/90626-10 Fax.: 0681/90626-25 eMail:
c.reidenbach(a)stiftung-demokratie-saarland.de www.stiftung-demokratie-saarland. |
Date: 2011/02/01 08:49:42
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Hunnenring ist Buch-ThemaDie Gemeinde Nonnweiler präsentiert am Donnerstag, 10. Februar, eine neue Veröffentlichung aus dem Insitut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Mainz. Herausgeberin Sabine Hornung, Uni Mainz, stellt das Buch „Archäologische und naturwissenschaftliche Forschungen zum Wandel der Kulturlandschaft um den Hunnenring bei Otzenhausen“ vor. Vorträge halten Martin Schönfelder, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz, und Andreas Kronz, Geowissenschafliches Zentrum Uni Göttingen. Der Eintritt ist frei. red ------------------------------ Salü, letztens habe ich antiquarisch eine ziemlich zerfledderte Ausgabe von Rudolf Pförtners "Bevor die Römer kamen", erschienen 1961,erstanden. Darin findet sich auf den Seiten 320 bis 342 ebenfalls eine längere Abhandlung über den Hunnenring. Weiß jemand zufällig, wo der o.a. Vortrag stattfindet? Roland Geiger |
Date: 2011/02/01 09:05:31
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Geschichte der Trevirer unter der Herrschaft der Römer von J. Steininger Trier, 1845 (Seite 193ff) Wollte man dagegen annehmen, dass der Landgraben erst zur Zeit des Honoriüs, als Grenzwall des römischen Gebietes gegen die Franken, errichtet worden sei, dass er also auch die Grenze des fränkisch gewordenen Unter-Germaniens bezeichne; so wäre wohl gegen Letzeres schwerlich viel einzuwenden, indem der Land graben über den Rücken hinzieht, der das Brohlthal auf seiner Ostseite begrenzt; und die Brohl, in deren Nähe Olbrück liegt, könnte die Obringa des Ptolemaeus, die Grenze Unter-Germaniens, sein. Aber alsdann würden die Verbindung des Landgrabens mit der Langmauer, und der Lauf dieser letztern so nahe an Trier vorbei, unerklärt bleiben; indem man diese doch nicht wohl als eine Grenze Unter-Germaniens betrachten kann. Wie wir aber hier sehen, dass im Nordwesten von Trier grosse Anstalten getroffen waren, um die Zugänge zur Stadt und um das Land der Trevirer zu decken, so finden wir auch auf der Südseite des Hundsrückens, im Südosten von Trier, eine Reihe von verschanzten Lagern, von ringförmigen Steinwällen auf Berggipfeln, welche zum Theile neben den römischen Strassen liegen, und ohne Zweifel die Zugänge nach Trier von dieser Seite her schützen sollten. Alle diese Steinringe haben das gemein, dass der Wall auf derjenigen Seite am stärksten ist, wo der Berg am leichtesten erstiegen werden kann; wo aber die Bergabhänge so steil und felsig sind, dass sie nicht erstiegen werden können, da ist der Wall entweder schwach, oder er fehlt gänzlich. Der erste von diesen Steinringen, welche hier noch angeführt werden sollen, ist die Ringmauer auf dem Berge Mumerich, zwischen Grunig und Selbach, nahe bei Tholei. Die Römerstrasse von Trier über Wadern und Tholei nach Bingen, führt an der Nordseite des Berges vorüber; und in der Nähe von Grunig werden viele römische Alterthümer in den Feldern aufgegraben; so wie auch der Varus-Wald, wo viele Alterthümer gefunden werden, nicht weit davon entfernt ist. Da der Berg nur von der Nordseite her zugänglich ist, so findet sich der ungefähr fünf Schuh hohe Stein-Wall, mit einem Wallgraben davor, auch nur auf dieser Seite. Der Berg besteht aus rothem Thon-Porphyr und ist nun mit Wald bedeckt; aber der Wall ist im Walde noch gut erhalten. Der zweite und imposanteste Steinring befindet sich auf der Nordost-Seite des Dorfes Otzenhausen, in der Nähe der Römerstrasse von Trier nach Birkenfeld. Der Ringberg ist von der Nordost-Seite am zugänglichsten; und auf dieser Seite ist der Gipfel des Berges durch einen, wenigstens zwanzig bis dreissig Schuh hohen Steinwall umgeben, dessen Breite in der Grundfläche ungefähr fünfzig Schuh betragen mag. Auf der SüdostSeite ist der Steinwall doppelt, indem gegen die Mitte des Berges ein zweiter Wall um den Berg herumzieht, und sich gegen Ost und Südwest an den Wall anschliesst, welcher den Gipfel des Berges umgiebt. Dieser untere Wall bildet den kleinen Ring, welcher an der Ostseite des Berges selbst für einen Wagen offen und zugänglich ist. Der Abhang des Berges ist unter dem kleinen Ringe ganz mit Steinen überdeckt. Auf der West-Seite kann man ebenfalls zwischen Felsen in den kleinen Ring gelangen; und der grosse Ring ist über dem ziemlich steilen Abhange daselbst nicht ganz geschlossen. Durch den Steindamm führt auf der Südost-Seite ein enger Weg aus dem grossen Ringe in den kleinen Ring hinab, und man behauptet, im grossen Ringe sei ein Brunnen-Schacht gewesen, der nun verschüttet ist. Indessen fand ich noch jetzt, nach anhaltend trocknem Wetter, in einer Vertiefung auf dem grossen Ringe, ziemlich reichliches Wasser; und der Brimsbach (Prinsbach) fliesst auf der Nordseite des hier sehr steilen Ringberges ungefähr drei- bis vierhundert Fuss tief unter dem Ringe vorüber, nach dem eine halbe Stunde südwestlich vom Ringe gelegenen Dorfe Prins-Castel, welches vielleicht das Princastellum des Anonymus Ravennas ist (Bouqet. Recueil des historiens des Gaules et la France, tome I. p. 120.), das von dem ungenannten Geographen des siebenten Jahrhunderts an die Mosel versetzt, und gewöhnlich für Berncastel (Berincastel; Gesta Treviror., c. 190.) genommen wird. Da Prinscastel im Thale liegt, und keine andere römische Befestigung in der Nähe ist, so scheint dasselbe seinen Namen von dem Ringe bei Otzenhausen, diesem grossen, verschanzten Lager, erhalten zu haben. Eine gut gearbeitete Diana von Bronze, welche auf diesem Ringe gefunden wurde, wird in der Sammlung der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier aufbewahrt; und noch vor wenigen Jahren wurden Urnen und andere römische Alterthümer in der Nähe des Ringes ausgegraben. Vor ungefähr vierzig Jahren wurde daselbst auch eine Kupferplatte mit einer Inschrift gefunden, und zu Nonnweiler eingeschmolzen, ohne dass sie von irgend einem Sachverständigen untersucht worden wäre. Wenn aber auch dieser Verlust zu bedauern ist, so glaube ich doch, dass man über die Bedeutung des Ringes nicht in Zweifel sein könne. Eine solche ungeheuere Verschanzung kann nur eine militaerische Bestimmung gehabt haben, und wurde wahrscheinlich in den alemannischen Kriegen unter Valentinian, gegen das Jahr 369, errichtet, um Trier, die Winterresidenz des Kaisers, gegen einen Ueberfall von Mainz her zu decken; so wie schon Constantin die Strasse von Bingen über Neumagen nach Trier durch das Lager (vermuthlich auf dem Nieder-Emmeler Berge) bei Neumagen schützte. Ein dritter Ringwall befindet sich auf dem Ringkopfe, in einem Walde nordöstlich von Leisel, zwei Stunden nordöstlich von Birkenfeld. Er ist viel kleiner, als der Ring bei Otzenhausen; besteht aber gleichfalls, so wie jener, aus QuarzfelsMassen, welche bei beiden Ringen an Ort und Stelle die Gipfel und Abhänge der Berge bedeckten, und nur durch Menschenhand zum Walle zu ordnen und aufzuhäufen waren. Man hat von diesem Ringe eine schöne Aussicht über die niedrigere Gegend um Allenbach, zu deren Schutz er, so wie ein vierter Ring östlich von der Wildenburg, gegen Herstein, angelegt zu sein scheint. Letztern habe ich nicht selbst gesehen; aber er ist in der Gegend allgemein bekannt, und wird auch in der statistisch-topographischen Beschreibung des Regierungsbezirks Trier p. 182, im trierischen Adresskalender für das Jahr 1844, angeführt. Einen fünften Ringwall sieht man bei Bondenbach, auf der rechten Seite des Hahnenbaches, in der Gegend von Rhaunen; und einen sechsten, in der Nähe von Bingen, kenne ich nur aus Ukerts Germania p. 312. Ukert sagt: „Im Taunus, auf „dem Altkönig, dem Thalwegsberge, bei den alten Höfen, auf „der Goldgrube bei Wiesbaden, auf dem Kellers- und Schäferskopfe, in der Nähe der grossen und kleinen Kentmauer, der Steinrassel und des Würzberges sind ebenfalls Ringwälle. Im Rheingau „ist ein solcher auf dem Rabenkopf und bei Bingen (Man vergleiche auch die Ringwälle auf dem Taunus und in der Wetterau: Philipp Dieffenbach: Zur Urgeschichte der Wetterau. Darmstadt. 1843, p. 41-61)." Die Ringwälle des Taunus dürften wohl während der Kriege errichtet worden sein, welche von Drusus an, im Jahre 10 v. Chr., bis auf Probus, gegen 282 n. Chr., in diesen Gegenden zu verschiedenen Zeiten geführt wurden. Wenigstens erachte ich es in keinem Falle für nöthig, die Meinung derjenigen zu widerlegen, welche in den oben beschriebenen Ringwällen etwas anderes, als verschanzte Lager, erkennen wollen. Ich glaube, dass der ringförmige Steinwall zu Landscheid, in der Nähe der Langmauer, und der Ring zu Otzenhausen, den Vergleich mit den heiligen Steinkreisen der Druiden durchaus nicht zulassen, und dass durch diese zwei Ringwälle die Bedeutung der übrigen, welche ich gesehen, und oben angegeben habe, unzweifelhaft bestimmt wird. Da aber diese Ringwälle sich theils in der Nähe römischer Strassen befinden; und da theils viele Spuren römischer Niederlassungen bei ihnen vorkommen; so halte ich es für wahrscheinlich, dass sie römischen, nicht gallischen Ursprungs sind, und dass sie vielleicht zu den Castris gehören, welche Valentinian im Jahre 369 n. Chr. bauen liess. Ich mag sie daher nicht gerne mit den oppidis der Britannier vergleichen, welche Caesar allerdings ihnen sehr ähnlich beschreibt (Caesar, B. G. V., 21). Ich nehme um so mehr Anstand, einen solchen Vergleich gelten zu lassen, als wir aus Caesar (Caesar, B. G. VII, 23) die Befestigungen der Gallier auf eine Weise kennen lernen, die sich damit gar nicht würde vereinigen lassen. Auch scheinen den unsern ganz ähnliche Befestigungen an der obern Mosel und Maas vorzukommen, welche auf den Karten zu der Histoire de Lorraine par Dom Calmet, tome I; Nancy 1745; ringförmig gezeichnet sind, und von dem Verfasser dieser Karten, dem Ingenieur Didier Bugnon, als römische Lager (camps romains) betrachtet werden.
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Date: 2011/02/01 09:12:39
From: Hans Mader <MaderHans(a)aol.com>
*G* Das Buch steht bei mir im Regal ;))
Date: 2011/02/01 10:07:14
From: anneliese.schumacher(a)t-online.de <anneliese.schumacher(a)t-online.de>
Die Homepage der Gemeinde Nonnweiler enthält auch den Veranstaltungsort.
Buchpräsentation
Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie, aus dem Insitut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Mainz, Band 192.
Die Gemeinde Nonnweiler präsentiert im Rahmen einer Buchvorstellung am Donnerstag, dem 10.02.2011 den neuen Band aus dem Insitut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Mainz. Herausgeberin Dr. Sabine Hornung, Uni Mainz, stellt das Buch "Archäologische und naturwissenschaftliche Forschungen zum Wandel der Kulturlandschaft um den "Hunnenring" bei Otzenhausen" vor.
Vorträge: Dr. Martin
Schönfelder, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz
Dr. Andreas Kronz, Geowissenschafliches Zentrum Uni
Göttingen
Musikalische wird die Veranstaltung durch die Musikschule im Landkreis St. Wendel e.V. umrahmt.
Kurhalle Nonnweiler
Die Gemeinde Nonnweiler präsentiert am Donnerstag, 10. Februar, eine neue Veröffentlichung aus dem Insitut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Mainz. Herausgeberin Sabine Hornung, Uni Mainz, stellt das Buch Archäologische und naturwissenschaftliche Forschungen zum Wandel der Kulturlandschaft um den Hunnenring bei Otzenhausen vor. Vorträge halten Martin Schönfelder, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz, und Andreas Kronz, Geowissenschafliches Zentrum Uni Göttingen. Der Eintritt ist frei. red
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Salü,
letztens habe ich antiquarisch eine ziemlich zerfledderte Ausgabe von Rudolf Pförtners "Bevor die Römer kamen", erschienen 1961,erstanden. Darin findet sich auf den Seiten 320 bis 342 ebenfalls eine längere Abhandlung über den Hunnenring.
Weiß jemand zufällig, wo der o.a. Vortrag stattfindet?
Roland Geiger
Date: 2011/02/01 20:42:34
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
From: P. Alkuin Schachenmayr
<nota(a)schachenmayr.net>
Date: 30.01.2011 Subject: Konf: Die monastische Klausur - Bronnbach im Taubertal 03/11 ------------------------------------------------------------------------ Europainstitut für cisterciensische Geschichte, Spiritualität, Kunst und Liturgie (EUCist), Bronnbach im Taubertal 04.03.2011-05.03.2011, Kloster Bronnbach Die klösterliche Klausur wird mit Beiträgen aus den Fachgebieten Ordensrecht, Spiritualität, Architektur, Musikwissenschaft und Ordensgeschichte behandelt. Der Veranstalter (siehe Link zur Homepage) fördert den Kontakt zwischen Zisterziensern und Laieninteressenten und rekrutiert Nachwuchsforscher für die Cistercienser-Forschung. ------------------------------------------------------------------------ Freitag, 4. März 2011 9.15 Uhr: Einleitende Bemerkungen durch P. Alkuin Schachenmayr O.Cist.a 9.30 Uhr: Forschungsgeschichte des Klosters Bronnbach - Leonhard Scherg 10.15 Uhr: Klausurbegriff und Klosterreform im 15. Jh. - Meta Niederkorn 11.30 Uhr: Die Umgestaltung von Klausurbauten im 15./16. Jh. im ordensübergreifenden Vergleich - Katinka Krug 14 Uhr: Generalabt Boucherat (1604-1625) und die Klausur - Bertrand Marceau 15 Uhr: Die Klausur in den Cistercienserinnenklöstern der frühen Neuzeit: Vorschriften, Wahrnehmung und Praxis - Jan Zdichynec 16 Uhr: Musikpflege im Frauenstift Nonnberg des 17./18. Jh.s - Monika Kammerlander 19:30 Uhr: Konzert für zwei Cembali im Bernhardsaal. Meister und Schüler - Regelpoeten und Originalgenies. Komponierende Zisterziensermönche des Barock im Kontext ihrer Zeitgenossen Samstag, 5. März 2011 9.30 Uhr: Klösterliche Gebärdensprache, Zeichen der Stille - Radka Lomicková 10.30 Uhr: Spannungsverhältnis Klausur und Öffentlichkeit(en) - Georg Schrott 11.30 Uhr: Klausur und Wirtschaftsweise der Cistercienserinnen - Maria M. Rückert 15.15 Uhr: Das Privileg des Klausureintritts für Staatsoberhäupter und Mitglieder regierender Häuser - Peter Wiesflecker 16.15 Uhr: Klausur in Klarissenkonventen im 16. Jh. - Babette Reicherdt ------------------------------------------------------------------------ P. Dr. Alkuin Schachenmayr O.Cist. Institutsvorstand EUCist Stiftsplatz 1 A-2532 Heiligenkreuz Mobil: (0043) 664-848-0058 E-Mail: nota(a)schachenmayr.net "EUCist News" Blog <http://cistercium.blogspot.com/> URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=15622> _________________________________________________ HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU Redaktion: E-Mail: hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de WWW: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de _________________________________________________ |
Date: 2011/02/02 18:26:03
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg; Würzburger Diözesangeschichtsverein; Historisches Seminar der Universität Leipzig 26.11.2010-27.11.2010, Würzburg Bericht von: Wolfgang Weiß, Institut für Historische Theologie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg; Diözesangeschichtsverein, Würzburg E-Mail: <w.weiss(a)uni-wuerzburg.de> In dieser in Kooperation der Katholischen Akademie Domschule, des Archivs und der Bibliothek des Bistums Würzburg, des Würzburger Diözesangeschichtsvereins und des Historischen Seminars der Universität Leipzig am 26./27. November 2010 veranstalteten Tagung wurden diachron zentrale Aspekte der Entwicklung des Pfarreiwesens bzw. der Organisierung der Seelsorge vor Ort seit den Anfängen des Bistums Würzburg bis hin zum gegenwärtigen Ringen um die Errichtung sogenannter Pfarreiengemeinschaften in den Blick genommen. Mit WILFRIED HARTMANN (Tübingen) konnte einer der besten deutschen Kenner der Geschichte des Frühmittelalters und des frühen Kirchenrechts für die Tagung gewonnen werden. Sein Referat spannte den Bogen "Vom frühen Kirchenwesen (Eigenkirche) zur Pfarrei (8. - 12. Jahrhundert)" und schloss dabei - so der Untertitel - "strukturelle und kirchenrechtliche Fragen" ein. Die Notwendigkeit der Taufe und der Teilnahme der Gläubigen am Gottesdienst führte nördlich der Alpen seit dem 4. Jahrhundert zum Aufbau der Kirchenorganisation zunächst in den römischen "civitates", seit dem 6. Jahrhundert auch auf dem Land im Rahmen der Grundherrschaften. Das 741/42 gegründete Bistum Würzburg wurde vom Hausmeier Karlmann mit 26 Königskirchen ausgestattet, die damals schon länger bestanden. Auch der Retzbacher Vertrag (815) zwischen dem Bischof von Würzburg und dem Abt des Klosters Fulda zeigt, wie weit verbreitet das Eigenkirchenwesen war, dessen Entwicklung sich im Bistum Würzburg aber bei weitem nicht so genau nachzeichnen lässt, wie es im karolingerzeitlichen Bistum Freising dank der dort erhaltenen Traditionsaufzeichnungen möglich ist. Auf den Grundlagen des Eigenkirchenwesens entwickelte sich im Hochmittelalter - befördert vom Kampf gegen die Investitur von Geistlichen durch Laien seit dem Zeitalter des Investiturstreits (Laterankonzil 1059) - eine Pfarreiorganisation, die durch Zugriffsrechte des Bischofs, räumliche Abgrenzung (Pfarrsprengel) und Pfarrzwang (verbindlich erst seit 1215) gekennzeichnet war. Das Dekret Gratians ließ dem Eigenkirchenherrn seit dem 12. Jahrhundert nur noch wenige Verfügungsmöglichkeiten in Gestalt des Patronatsrechts. An diese Ausführungen schloss der Vortrag von ENNO BÜNZ (Leipzig) an, der sich mittlerweile in zahlreichen Regionalstudien von Nord- über Mittel- bis Süddeutschland mit der Entwicklung der Pfarrei im Mittelalter beschäftigt hat. Sein Referat mit dem Thema "Kirchliche Blüte oder Krise?" rückte die "Pfarreien, Seelsorger und Gemeinden im Bistum Würzburg um 1500" in den Mittelpunkt, knüpfte aber chronologisch an die Ausführungen von Wilfried Hartmann an. Im 11./12. Jahrhundert bildete sich die Pfarrei nicht nur institutionell heraus, sondern setzte in dieser Zeit auch eine Welle von Pfarreigründungen ein, die in manchen Regionen des sehr ausgedehnten Bistums Würzburg freilich bis zum frühen 16. Jahrhundert anhielt, wie am Beispiel des Landkapitels Coburg gezeigt wurde. Um 1500 gab es im Bistum Würzburg etwa 870 Pfarreien, und in zahlreichen Pfarrkirchen, aber auch in Kapellen bestanden darüber hinaus 1.444 Benefizien für Messpriester, darunter allein 231 Frühmessstiftungen, die mancherorts wiederum Ausgangspunkt für eine Pfarreigründung wurden. Kirchenbauten und Pfründenstiftungen wären ohne die Spendenbereitschaft der Menschen vor Ort gar nicht möglich gewesen. Nicht der Diözesanbischof, sondern vor allem der Ortsadel, aber auch viele Landgemeinden spielten im späten Mittelalter eine entscheidende Rolle, um die Kirche ins Dorf zu holen. In zahlreichen städtischen Pfarrkirchen wurden seit dem 15. Jahrhundert auch von Laien Prädikaturen gestiftet, um theologisch ausgebildete Geistliche für eine gelehrte Predigt und damit für die religiöse Unterweisung zu gewinnen. Gewiss gab es im Kirchenwesen vor der Reformation auch Missstände, die beispielsweise daran ablesbar sind, dass Pfarrgeistliche weitere Benefizien innehatten oder das Konkubinat nicht beachteten. Bünz hob allerdings hervor, dass ein abschließendes Urteil nicht möglich sei, da das alltägliche Pfarreileben im Bistum Würzburg sowohl aus geistlicher wie aus laikaler Perspektive noch näherer Erforschung bedürfe. Schon jetzt sei aber auch im Bistum Würzburg um 1500 ein blühendes kirchliches Leben sichtbar, das die Gläubigen allerdings auch eher aufnahmebereit für die lutherische Lehre gemacht habe. Auf die umfassenderen Grundlagenreferate zur mittelalterlichen Entwicklung folgten jeweils halbstündige Kurzreferate zu zentralen frühneuzeitlichen Themen. Ausgangslage der Tagungskonzeption war hierbei, dass große Teile des Bistums Würzburg im 16. Jahrhundert von der Reformation erfasst wurden, was in den weltlichen Territorien die Einrichtung eines evangelischen Kirchenwesens zur Folge hatte. Dagegen konnte im Hochstiftsgebiet die katholische Konfession durch die Gegenreformation Fürstbischof Julius Echters gesichert werden und sich durch Aktivitäten in Sinne der katholischen Reform, die bis in die Schönbornzeit festzustellen sind, festigen. Der Stadtarchivar UWE MÜLLER (Schweinfurt) beleuchtete als Beispiel für einen evangelischen Reichsstand das Verhältnis von "Geistlichkeit und Rat in der protestantischen Reichsstadt Schweinfurt". Ausgehend von dem im Vortragstitel erwähnten Zitat "daß ein Erbar Rath in keine Wege widerwertige Predig leiden wölle" - aus einem Gutachten Melanchthons und anderer Wittenberger Theologen in Lehrstreitigkeiten innerhalb der Schweinfurter Geistlichkeit - legte er die wiederholten Konflikte zwischen der reichstädtischen Obrigkeit und ihrer Geistlichkeit im Zeitraum von der Einführung der Reformation 1542 bis zur Konsolidierungsphase nach dem Westfälischen Frieden dar. Bei der Berufung des Oberpfarrers Johannes Piccart 1654 kam es letztmals zu einer prinzipiellen Auseinandersetzung um die Ausübung des Summepiskopats, der "iura episcopalia", speziell um das Recht des Rates zur Bestellung der Geistlichen, um die Ausübung der Kirchenhoheit durch die weltliche Obrigkeit, die diese erfolgreich reklamiert. Weitere Konfliktfelder - Wahrung der reinen Lehre, des "genus doctrinae", Ausgestaltung der Kirchenordnung, Ausübung von Kirchenzucht und Schulaufsicht - wurden einbezogen. VERONIKA HEILMANNSEDER (München/Würzburg), die an einer historischen Dissertation arbeitet, die vergleichend den Würzburger und Freisinger Geistlichen Rat in der Zeit der Gegenreformation und Katholischen Reform behandelt, konnte anhand des Fallbeispiels der würzburgischen Landstadt und Pfarrei Seßlach zeigen, wie sich im frühneuzeitlichen Bistum Würzburg die diözesanen Kommunikationskanäle zu einem engmaschigen Netz der Informationsübermittlung und Kontrollnahme verdichteten. Als kennzeichnend stellte sie das Ineinandergreifen von Zentral- und Mittelbehörden sowie der unteren Organisationseinheiten der Pfarreien heraus. Diese Ausdifferenzierung von umfassenden Verantwortlichkeiten auf jeder Verwaltungsebene stellte einerseits die Pfarrei im Allgemeinen in erweiterte Kommunikationsräume, ermöglichte andererseits der Diözesanspitze eine erleichterte Einflussnahme auf das Pfarreiwesen. Chronologisch schloss unmittelbar WINFRIED ROMBERG (Würzburg) - Mitarbeiter am Germania-Sacra-Projekt zur Fortsetzung der von Alfred Wendehorst bis Julius Echter vorangetriebenen Würzburger Bischofsreihe - in seinem Referat über das Würzburger "Pfarrwesen vom Dreißigjährigen Krieg bis zur Aufklärungszeit (1617/18-1803)" an. Zentral war dabei die Zusammenschau der Veränderungen im institutionellen und pastoralen Bereich. Er führte aus, dass in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges das von Julius Echter reformierte Pfarrwesen nahezu vollständig zusammenbrach. Eine Neuformierung der gesamten Kirchenorganisation einschließlich der Pfarrebene fand in den Jahren von 1660 bis kurz vor 1700 mittels territorialrechtlicher Kirchenordnungen (1670/1693), welche an die zurückliegende Reformära Julius Echters anknüpften, statt. Das insgesamt wiederauflebende Pfarrwesen war dadurch in hohem Maße obrigkeitlich geregelt, streng hierarchisch verfasst und auf die Amtsperson des Pfarrers orientiert. Die Aufklärungszeit ab den 1750er-Jahren erbrachte neue Impulse einer stärker human orientierten Pastoral wie des sozialen Fortschritts. In wichtige Themen und Fragestellungen der Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert führten drei Statements ein. Dabei griff WOLFGANG WEIß (Würzburg) die von Olaf Blaschke geprägte Kennzeichnung der Pfarrer bzw. der Geistlichen als "Milieumanager" auf. Blaschke wollte damit zuspitzend zum Ausdruck bringen, dass diese fast im Alleingang das ultramontane Milieu zu verantworten hätten. Weiß warnte vor der Neigung der Sozialgeschichte zu vereinfachenden Forschungskonstrukten (zum Beispiel bei der Milieuvorstellung) und mahnte an, die innere Differenzierung des Katholizismus ernst zu nehmen. So seien im 19. Jahrhundert unter den Würzburger Geistlichen bis über die Jahrhundertmitte ultramontane "Neokonservative" und Spätaufklärer bzw. liberale Altkonservative in den verschiedensten Schattierungen und Übergängen zu erkennen. Die durch den Außendruck des Kulturkampfs erzwungene Binnenhomogenisierung (bzw. Ghettoisierung) trete nur eine relativ kurze Phase der 1870er- und 1880er-Jahre als dominierendes Phänomen hervor, sei aber keineswegs vollständig erfolgt. Schon in den 1890er-Jahren ließen sich milieu- und reformkatholische Richtungen deutlich unterscheiden. CHRISTIANE STOCK und MATTHIAS FINSTER (beide Würzburg) setzten sich mit der Seelsorgeplanung im Bistum Würzburg ab den 1970er-Jahren auseinander. Stock thematisierte hierbei die Errichtung der Pfarrverbände. Sie ging dabei auf die Fragen ein, warum diese neuen pastoralen Strukturen Mitte der 1970er-Jahre geplant und zum Teil auch eingeführt wurden sowie woran deren Umsetzung letztendlich scheiterte. Im Anschluss an die Ausführungen von Christiane Stock stellte Matthias Finster die Neugliederung der Dekanate in den 1970er-Jahren vor. Nach einer kurzen Rückschau auf die Veränderungen der Dekanate im Bistum Würzburg seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die treibenden Kräfte, der Verlauf, die wesentlichen Prozesse und die Ergebnisse der Reform dargestellt. Den Abschluss bildete ein Ausblick auf mögliche neue Veränderungen hinsichtlich der Dekanate durch die Errichtung der Pfarreiengemeinschaften. Wie im Bischöflichen Kommissariat Meiningen, also dem südthüringischen Bereich des Bistums Würzburg, die Seelsorge auf die veränderten Verhältnisse nach 1945 angepasst werden musste, legte KATRIN SCHWARZ (Würzburg) dar. Das Diasporagebiet nahm aufgrund territorialer wie konfessioneller Hintergründe bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts einen besonderen Status in der Diözese Würzburg ein, der nach 1945 fortgesetzt wurde, da das kirchliche Gebiet getrennt vom Mutterbistum innerhalb der sowjetischen Besatzungszone lag. Aus diesem Grund waren besondere Strukturen notwendig, um die seelsorgliche Versorgung der mitunter zehntausenden Flüchtlinge und Vertriebenen, die nach 1945 in das Bischöfliche Kommissariat einströmten, aufrecht zu erhalten. Vor diesem Hintergrund skizzierte Katrin Schwarz den Aufbau zahlreicher neuer Seelsorgestellen und Gottesdienststationen und sprach dabei auch die kirchenrechtlichen Grundlagen an. Die beiden letzten Referate wandten sich dann Gegenwartsfragen zu. Der Würzburger Lehrstuhlinhaber des Kirchenrechts HERIBERT HALLERMANN (Würzburg) behandelte aus kanonistischer Sicht den gegenwärtigen Umbruch "Von der Territorialpfarrei zur Pfarreiengemeinschaft" zu. Er mahnte hierbei an, dass sich gegenwärtige Organisationsformen pfarrlicher Seelsorge immer noch mehr am alten Codex Iuris Canonici (CIC)/1917 als am geltenden CIC/1983 orientierten. Der neue Codex gehe nämlich von der Gemeinschaft der Gläubigen aus und nicht von territorialen Grundlagen; auch räume er der pfarrlichen Hirtensorge als gemeinsame Aufgabe des Hirten (Pfarrers) und der Gemeinde(mit)glieder den Vorrang vor den Strukturen ein. Vor diesem Hintergrund kam Hallermann auf die Bildung von Pfarreiengemeinschaften im Bistum Würzburg zu sprechen. Dies sei ein recht halbherziges Unternehmen, da eine rechtlich verbindliche Neustrukturierung vermieden worden wäre, eine Reihe von kirchenrechtlichen Unstimmigkeiten damit verbunden und in pastoraler Hinsicht wenig gewonnen sei. Sie würde sogar neue Schwierigkeiten in sich bergen, denn letztlich bestehe die Gefahr, dass sich sogar das Gegenüber von Pfarrer und Gemeindemitglieder vertiefe und die Mitverantwortung der Laien keineswegs wachse. Der Würzburger Domkapitular CHRISTOPH WARMUTH (Würzburg), innerhalb der Diözesanleitung hauptverantwortlich für den Weg zu den neuen Pfarreiengemeinschaften zuständig, referierte über die Überlegungen und Schritte auf dem Weg zu den neuen Pfarreiengemeinschaft. Schwerpunkte des Vortrags waren die Schilderung der Ausgangslage, der Errichtungsprozess mit den damit verbundenen Konfliktfeldern, der aktuelle Stand sowie die Zukunftsperspektiven der neuen unteren pastoralen Ebene. Im Anschluss daran entstand eine interessante Diskussion zwischen Christoph Warmuth und Heribert Hallermann zu den rechtlichen Grundlagen der Pfarreigemeinschaften. Die Tagung unterstrich das Wort von Wolfgang Petke, dass die Pfarrei eine Institution und ein Forschungsgegenstand von langer Dauer sei. Der Blick in die einzelnen Epochen verdeutlichte, dass die Organisierung der Seelsorge vor Ort unterhalb der Diözesanebene ständigen Anpassungsprozessen ausgesetzt war. Sie stand jeweils unter besonderem Bewährungsdruck. Immer wieder war es notwendig, die verschiedenen Interessen der Beteiligten bzw. Betroffenen (Diözesanleitung, theologische Leitlinien, weltliche Obrigkeit, Laien) oder soziologische Verhältnisse zu berücksichtigen. Nicht zu verkennen ist auch, dass der obrigkeitliche Zugriff in der Neuzeit wuchs, besonders der Bischof, seine Diözesankurie sowie seine Pfarrer ausschlaggebend wurden und selbst in der Gegenwart wirkliche Mit- oder gar Eigenverantwortung der Laien nur eine untergeordnete Rolle spielt. Konferenzübersicht: Wilfried Hartmann (Tübingen): Vom frühen Kirchenwesen (Eigenkirche) zur Pfarrei (8. - 12. Jh.): strukturelle und kirchenrechtliche Fragen Enno Bünz (Leipzig): Kirchliche Blüte oder Krise? Pfarreien, Seelsorge und Gemeinden im Bistum Würzburg um 1500 Uwe Müller (Schweinfurt): "...daß ein Erbar Rath in keine Wege widerwärtige Predige leiden wölle" - Geistlichkeit und Rat in der protestantischen Reichsstadt Schweinfurt Veronika Heilmannseder (München/Würzburg): Kommunikationsräume einer würzburgischen Pfarrei um 1600 Winfried Romberg (Würzburg): Das Pfarrwesen im Zeitalter des Konfessionalismus und der Aufklärung (1618-1803) Wolfgang Weiß (Würzburg): Der Pfarrer im ultramontanen Milieu: Vom Kirchen- und Staatsdiener zum "Milieumanager" - Realität oder Forschungskonstrukt? Christiane Stock, Matthias Finster (beide Würzburg): Entwicklung der Seelsorgeplanung im Bistum Würzburg seit den 1970er-Jahren (Pfarrverband, Dekanatsreform) Katrin Schwarz (Würzburg): Seelsorgerische Strukturen im Bischöflichen Kommissariat Meiningen nach 1945 Heribert Hallermann (Würzburg): Von der Territorialpfarrei zur Pfarreiengemeinschaft. Anmerkungen aus kanonistischer Sicht Christoph Warmuth (Würzburg): Die Errichtung der Pfarreiengemeinschaft im Bistum Würzburg als Antwort auf die aktuellen pastoralen Herausforderungen URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3525> ------------------------------------------------------------------------ Copyright (c) 2011 by H-Net and Clio-online, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational use if proper credit is given to the author and to the list. For other permission, please contact H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU. _________________________________________________ HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU Redaktion: E-Mail: hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de WWW: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de _________________________________________________ |
Date: 2011/02/03 20:24:32
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Wendt, Reinhard: Vom Kolonialismus zur Globalisierung. Europa und
die
Welt seit 1500 (= UTB 2889). Paderborn: UTB 2007. ISBN 978-3-8252-2889-7; 440 S.; EUR 22,90. Rezensiert für geschichte.transnational und H-Soz-u-Kult von: Friedrich Edelmayer, Universität Wien E-Mail: <friedrich.edelmayer(a)univie.ac.at> In den letzten Jahren geht einer der Trends in der Geschichtsforschung hin zu Studien, die unter dem Etikett von "Globalgeschichte" oder "neuer Weltgeschichte" firmieren. Es soll also nicht nur mehr die Geschichte der europäischen Expansion dargestellt werden, sondern vielmehr soll von den Interaktionen berichtet werden, die zunehmend ab dem 15. Jahrhundert die einzelnen Teile der Welt immer mehr zusammen wachsen ließen zu jenem "globalisierten" System, das heute nicht nur Zustimmung, sondern auch zahlreiche Kritik hervorruft. Reinhard Wendt steht in der Tradition dieser neueren Geschichtsschreibung, auch wenn er im ersten Satz seiner Einführung schreibt: "Dies ist ein eurozentrisches Buch" (S. 11). Zum Glück stellt sich dies bald als eine mehrheitliche Schutzbehauptung heraus, auch wenn natürlich die Weltregion Europa, der lange Zeit wichtigste Motor für die Globalisierungsprozesse, im Buch immer wieder vorkommen muss. Wendt hat sich für seine sehr lesenswerte Zusammenfassung der Globalisierungsprozesse ein originelles System der Darstellung einfallen lassen. Seine vier Hauptkapitel untergliedert er jeweils in drei Teile, die er auch gleich benennt: A. Nord-Süd; B. Süd; C. Süd-Nord. In den A-Teilen wird jeweils die europäische oder "nördliche" Welt in ihrer Expansion in die und ihrer zunehmenden Vernetzung mit den anderen Welten beschrieben. In den B-Teilen werden die Veränderungen in den anderen Welten analysiert. Und in den C-Teilen zeigt der Autor, wie sich der Norden, der in den letzten fünfhundert Jahren beträchtlich gewachsen ist - heute zählt dazu beispielsweise der größte Teil Nordamerikas - durch den Süden seinerseits verändert hat. Wendt hat damit eine sehr tragbare Konstruktion gefunden, um den äußerst heterogenen Stoff übersichtlich zu gliedern und von einer Darstellungsweise wegzukommen, die die gesamte Menschheitsgeschichte einzig aus dem europäischen Blickwinkel betrachtet. Nach seiner sehr lesenswerten Einführung und einem kurzem Kapitel über die mittelalterlichen Interaktionen im afro-eurasischen Raum kommt Wendt zu seinem ersten Hauptteil, der iberischen Phase, die er als jene des Kronmonopolismus bezeichnet. Der Beginn dieser Phase am Ende des 15. Jahrhunderts ist eindeutig, das Ende, das der Autor im Jahre 1820 ansetzt, wirkt etwas künstlich. Er meint damit wohl den Zusammenbruch der spanischen und portugiesischen Systeme in den Amerikas. Für den Rezensenten ist diese Einteilung etwas artifiziell und nur mit der amerikanischen Weltregion begründbar. Dem Autor scheint es nicht unähnlich ergangen zu sein, nennt er doch seinen zweiten Hauptteil die nordwesteuropäische Phase oder die Zeit der "Chartered Companies", die er 1600 beginnen und 1857 enden lässt. Es ergeben sich hier also zeitliche, wenn auch nicht wirklich räumliche Überschneidungen. Letztlich handelt es sich um nicht ganz geglückte Kapitelüberschriften, die nicht davon ablenken sollten, dass Wendt ganz großartig die einzelnen Globalisierungsprozesse beschreibt. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf politische Ereignisse, religiöse Änderungen oder das, was früher unter dem Begriff "Entdeckungsgeschichte" subsumiert wurde, sondern berichtet detailreich Prozesse, die in anderen Darstellungen nur marginal erwähnt werden. Pars pro toto sei der globale Pflanzenaustausch erwähnt, der im Buch immer wieder auftaucht. Hier überrascht der Autor mit Detailkenntnissen, die oft nur in der regionalhistorischen Forschungsliteratur zu finden sind. Meines Wissens wurde beispielsweise noch nicht globalhistorisch kontextualisiert, dass der Benediktinerabt Caspar Plautz im Kloster Seitenstetten in Niederösterreich schon 1621 Kartoffelrezepte publizierte[1], wie Wendt beschreibt (S. 189). Auch bei seinem dritten Hauptteil, den der Autor als die Phase der europäischen Dominanz (1857-1930) bezeichnet, behält er sein oben genanntes Gliederungsschema bei. Im Teil A berichtet er über Freihandel und Imperialismus, die Aufteilung der Welt sowie Missionen und Imperialismus. Im Teil B beschreibt er unter anderem die von ihm so genannte "Verdichtung" des europäischen Weltsystems, die Aufhebung der Sklaverei und die kolonialen Gesellschaften. Im Teil C kommt er wieder auf Kolonialwaren oder überseeische Pflanzen zurück und widmet auch den Migrationen den nötigen Raum. Im letzten Hauptteil beschreibt Wendt die Dekolonisierung, den Neokolonialismus und die endgültige Globalisierung im 20. und 21. Jahrhundert. Auch hier scheut er nicht davor zurück, unangenehme Fragen zu stellen, beispielsweise nach der "Biopiraterie", also der Verwendung pflanzlicher Stoffe für die Pharmaindustrie, ohne die Länder, in denen die betreffenden Pflanzen gewonnen werden, an den Gewinnen zu beteiligen (S. 373). Sehr kritisch setzt er sich auch mit den kolonialen Erblasten in den postkolonialen Gesellschaften auseinander (S. 345-349). Versöhnlich wirkt der Schluss des Buches. Dort werden nicht nur die Gesamtergebnisse der Arbeit noch einmal knapp zusammengefasst, sondern es fehlt auch nicht der Hinweis auf einzelne regionale Küchen, die italienische Pasta mit Tomaten, das steirische Kürbiskernöl, die englischen "Fish and Chips", den ungarischen Paprika, die Polenta, die Schokolade etc. etc. All diese Produkte sind keine europäischen, auch wenn sie hier schon identitätsstiftend wirken und manchmal als "national" wertvoll gegen alles "Ausländische" verteidigt werden müssen. Gerade die letzten Zeilen von Wendt regen noch einmal sehr zum Nachdenken an. Das Buch ist also ein gelungener Wurf. Einzig das an sich illustrative Kartenmaterial gerät manchmal etwas zu klein und unlesbar. Die Abbildungen dagegen sind äußerst illustrativ und klug ausgewählt. Das anregend geschriebene Werk ist als Pflichtlektüre im universitären Neuzeitunterricht unbedingt zu empfehlen. Anmerkung: [1] Honorius Philoponus [= Pseudonym von Caspar Plautz], Nova Typis Transacta Navigatio. Novi Orbis Indiae Occidentalis ..., [Linz] 1621. Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Katja Naumann <knaumann(a)uni-leipzig.de> URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-1-083> Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums geschichte.transnational. http://geschichte-transnational.clio-online.net/ ------------------------------------------------------------------------ Copyright (c) 2011 by H-Net, Clio-online, geschichte.transnational, and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact geschichte.transnational(a)uni-leipzig.de or H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU. Falls Sie Fragen oder Anmerkungen zu Rezensionen haben, dann schreiben Sie bitte an die Redaktion von H-Soz-u-Kult: <hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de> _________________________________________________ HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU Redaktion: E-Mail: hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de WWW: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de _________________________________________________ |
Date: 2011/02/04 17:02:39
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Fahrt in die Geschichte
Kerneuropas: Tagesfahrt nach Luxemburg am 25. März
2011 In Zusammanarbeit mit Europe
Direct LHS Saarbrücken Programmablauf: ·
Freitag, 25.März 2011, Abfahrt in Saarbrücken (genauer
Abfahrtsort wird noch bekanntgegeben) ·
Stadtrundgang in Luxemburg: Constitutionsplatz, Kathedrale mit Besuch
der Krypta des "Blinden Königs" Johann von Böhmen, Besichtigung der
evangelischen Kirche, der früheren Jesuitenkirche mit der Großherzoglichen Loge,
durchs Regierungsviertel und zum "Knuedler" mit dem Reiterdenkmal von Wilhelm
II., zum Bockfelsen mit der Ruine der gräflichen Burg und den Casematten mit
Blick auf den Grund und die Corniche. Abschluß auf der Plâce d`Armes, dem
historischen Stadtzentrum mit dem Gouverneurspalais. ·
Mittagspause ·
Besichtigung der Ausstellung "Unter vollen Segeln" in der
Villa Vauban mit Führung und Erklärung des modellhaften Projekts der
Rekonstruktion der Villa. Die Ausstellung ist einer der bedeutendsten
Epochen der niederländischen Geschichte gewidmet. Luxemburg gehörte bis zur
französischen Revolution zu den habsburgischen Niederlanden, deren nördlicher
Teil sich nach den Freiheitskriegen im 17. Jahrhundert zu einer respektablen
Seemacht entwickelt hatte. Diesem Zeitalter mit den beeindruckenden
Schifffahrts-Gemälden aus der klassischen niederländischen Maler-Geschichte ist
die Ausstellung gewidmet. ·
anschließend: Freizeit ·
Ankunft in Saarbrücken gegen 19.00h Für die Stadtführung wird festes und flaches Schuhwerk
empfohlen. Teilnahmebeitrag: 25,00 Euro Der Reisebegleiter: Ulrich Andres, geb. 1940 in Bonn. Gelernter Sozialarbeiter
mit langjähriger Erfahrung in sozialen Brennpunkten und der Jugend- und
Kulturarbeit im Rheinland und in der Pfalz. Aktiv in gewerkschaftlicher und
berufsständischer Arbeit auf Landesebene. Ab 1985 Angestellter der
Landeshauptstadt Saarbrücken und Orientierung in die Erwachsenenbildung mit
Schwerpunkt im regionalen grenzüberschreitenden Bereich und ab 1995 zur
Senioren-Kulturarbeit. Seit Juni 2005 Rentner und weiterhin, auch ehrenamtlich,
in der regionalen Kulturarbeit tätig. Schriftliche Anmeldung ist erforderlich! (Anmeldefrist bis zum 25.Februar
2011) Mit freundlichen
Grüßen Saskia
Recktenwald Stiftung Demokratie
Saarland Bismarckstr.
99 66121
Saarbrücken Telefon:
0681/90626-22 S.Recktenwald(a)stiftung-demokratie-saarland.de |
Date: 2011/02/06 20:34:23
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Grewe, Klaus: Meisterwerke antiker Technik. Mainz am Rhein: Philipp
von
Zabern Verlag 2010. ISBN 978-3-8053-4239-1; 168 S.; EUR 34,90. Rezensiert für H-Soz-u-Kult von: Peter Kritzinger, Institut für Altertumswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena E-Mail: <peter.kritzinger(a)uni-jena.de> Klaus Grewe - seit über vier Jahrzehnten in der Erforschung antiker Technikentwicklung tätig - hat sich mit dem zu besprechenden Buch zum Ziel gesetzt, antiken Bauwerken und ihren Schöpfern ein Denkmal zu setzen (S. 8). Da sich kaum schriftliche Zeugnisse erhalten haben, kommt dabei den Überresten antiker Bauwerke natürlich eine herausragende Bedeutung zu. Tatsächlich lassen sich auch heute noch viele Errungenschaften und Leistungen antiker "Ingenieurskunst" bewundern. Es liegt also nahe, diese beeindruckenden Zeugnisse für sich sprechen zu lassen. Der kurzen Einleitung folgen acht thematische Kapitel, welche wohl die wichtigsten Bereiche antiken Ingenieurwesens abdecken. Staudämme lassen sich für die gesamte Antike (ab etwa 2600 v.Chr. im Wadi Garawi in Ägypten) beinahe im ganzen Mittelmeerraum belegen [1], von denen einige selbst heute noch in Funktion sind. Abgesehen von den zum Teil beeindruckenden Dimensionen der Staumauern (bis zu 40 Meter hoch und mehrere 100 Meter lang), war auch die Bautechnik auf einem Niveau, das erst im 20. Jahrhundert wieder erreicht wurde; man denke nur an die Bogenstaumauer. Grewe beschreibt exemplarisch in Autopsieberichten konkrete Beispiele von Staumauern in Ägypten, Spanien, Syrien und der Türkei aus unterschiedlichen Epochen (S. 10-24). Wasserleitungen dienten in der Antike vornehmlich dazu, Häuser, Städte bzw. ganze Landstriche mit Trinkwasser oder - seltener und eingeschränkter - mit Wasserenergie zu versorgen. Der Bau dieser Leitungen stellte an die Bauleiter ganz besondere Herausforderungen, die Grewe vor allem anhand der Eifelwasserleitung nach Köln exemplifiziert (S. 58-65). Aufgrund mangelnder technischer Alternativen waren antike Baumeister gezwungen, das natürliche Gefälle auszunutzen, was dazu führte, dass Wasserleitungen nicht selten über viele Kilometer hinweg durchschnittlich nur wenig über ein Promille Gefälle aufweisen. Eine Folge war die Errichtung imposanter Aquädukte, die Höhen von bis zu 50 Meter (so der Pont du Gard, S. 85-89) erreichen konnten. Alternativ wurden Druckleitungen eingesetzt (S. 48-50), die dabei halfen, unnötige Höhenverluste zu vermeiden. Teilweise wurde das Wasser aber auch durch Berge hindurch verlegt, wobei die Tunnelanlagen mehrere Kilometer lang sein konnten (S. 139-160). Die Nutzung der Wasserenergie erfuhr vor allem im Römischen Reich einen in der Wissenschaft lange Zeit unterschätzten Höhepunkt. Getreide wurde in geradezu industriellem Ausmaß (so in den Mühlen von Barbegal bei Arles) mit Hilfe von Wasserkraft gemahlen. Turbinentechnik war im Römischen Reich (so in Simitthus in Africa) ebenso wie das Getriebe bekannt, das den Betrieb etwa von Steinsägen ermöglichte (S. 67-72). Zudem wurde Wasser auch für (Heil-)Bäder genutzt, deren Überreste wiederum von der hohen Kunst antiker Baumeister künden (S. 73-76). Der Transport besaß im "globalisierten" Imperium Romanum eine geradezu lebenswichtige Bedeutung, weshalb das Transportnetz großzügig ausgebaut wurde. Straßen und Straßenbrücken aus der Antike lassen sich nahezu überall rund um das Mittelmeer nachweisen. Dabei sind eine nicht geringe Anzahl der Brücken gegenwärtig noch in Benutzung, woraus unschwer eine verlorene und nicht mehr erreichte Qualität im Bauwesen zu erkennen ist (S. 91-122). Die großen Römerstraßen waren zumeist mit einem aufwendigen Fundament und einer hochwertigen Pflasterung versehen, die sich ebenfalls verschiedentlich erhalten hat (S. 126). Zudem zeigte ein ausgeklügeltes System (mittels Stadiasmus bzw. Meilensteinen) dem Reisenden die Entfernungen zu den verschiedenen Städten an. Um die Distanzen möglichst klein und den Straßenverlauf weitestgehend gerade zu halten, scheute man auch nicht davor zurück, buchstäblich Berge zu versetzen (S. 125 u. 133). Doch nicht nur für den Landverkehr wurde höchster Aufwand betrieben: Diverse Kanalanlagen sind überliefert, wovon die spektakulärste wohl die Verbindung zwischen Nil und Rotem Meer sein dürfte (S. 161-163). Am Ende des Buches findet sich ein knappes Abkürzungs- bzw. Literaturverzeichnis. Durch diese und noch weitere Aspekte antiker Ingenieursleistungen führt Grewe seine Leser anhand von Zeugnissen aus der Zeit vom 8. Jahrhundert v.Chr. bis in die Spätantike. Durch den unprätentiösen Stil liest sich das reich bebilderter Buch wie ein archäologischer Führer. In der Tat animiert Grewe seine Leser immer wieder durch knappe, aktuelle, topographische Hinweise zu den jeweiligen Befunden diese persönlich zu besuchen. Die zumeist vom Verfasser beigesteuerten Bilder lenken dabei den Blick der Betrachter auch auf ausgefallene, interessante Details. Ganz ohne Zweifel hat Grewe das selbstgesteckte Ziel erreicht: Das Buch ist eine fesselnde Hommage an antike Ingenieure, das sich vor allem an den interessierten Laien wendet. Allerdings macht die Tatsache, dass Grewe die Überreste antiker Ingenieurskunst ausschließlich aus der Perspektive des praxisorientierten Technikers betrachtet, das Buch auch für Studenten der Altertumswissenschaften durchaus lesenswert. Anmerkung: [1] Beeindruckend sind allein die Zahlen für die römische Zeit: in der Türkei 30, in Spanien 23, in Nordafrika 34 und in Syrien 23 Staudämme. Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Udo Hartmann <hartmannu(a)geschichte.hu-berlin.de> URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-1-089> ------------------------------------------------------------------------ Copyright (c) 2011 by H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU |
Date: 2011/02/08 10:23:25
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
2. Tag des
Geschichtsunterrichts:
Menschen in Bewegung –
Auswanderung, Einwanderung, Binnenwanderung
Dienstag, 15. Februar 2011
(das ist am Dienstag nächster Woche!)
8 bis 16 Uhr Universität des Saarlandes Uni-Aula (Gebäude A3 3) und
verschiedene Räume des Historischen Instituts (Gebäude B3 1)
Fernsehsendungen wie „N24 History“
oder die Doku-Reihe „Die Deutschen“ kennt fast jeder. Historische Filme und
Dokudramen prägen die Medienlandschaft. Zuschauer mit einem reflektierten
Geschichtsbewusstsein können aktuelle gesellschaftliche Phänomene in einen
historischen Zusammenhang stellen. Um ein solches Bewusstsein zu wecken, ist das
Schulfach Geschichte besonders gefordert. Das Historische Institut der
Universität des Saarlandes organisiert deswegen in Zusammenarbeit mit dem
Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung Saarbrücken (ILF), dem
Landesinstitut für Pädagogik und Medien (LPM) und dem Saarländischen
Geschichtslehrerverband zum zweiten Mal einen Tag des Geschichtsunterrichts für
Studierende, Lehrer und Referendare.
Thema der Fortbildung ist die
Migration.
Ein Schwerpunkt am Tag des Geschichtsunterrichts liegt auf der Pfalz als Migrationsland. Dazu wird ein öffentlicher Vortrag in der Aula ab 9 Uhr angeboten: Roland Paul, der stellvertretende
Leiter des Instituts für pfälzische Geschichte in Kaiserslautern, spricht über
„Die Pfalz als Beispiel eines Migrationslandes vom 16. bis 20. Jahrhundert.“
Danach erfahren die Teilnehmer in verschiedenen Workshops, wie sie das Thema
Migration in den Unterricht einbetten können. Viele der Workshops haben dabei
einen Bezug zur Region.
Unter anderem geht es im Workshop von
Karl-Werner Desgranges um die Hugenotten im Warndt,
Dr. Johannes Schmitt behandelt die
Auswanderung in der Saarregion im vorindustriellen Zeitalter.
Im Workshop von Professor Peter Thorau
erfahren die Teilnehmer, ob der erste Kreuzzug eine Migrationsbewegung war.
Nicholas Williams hält einen Workshop
zum Thema „Evakuierung und Flucht im Zweiten Weltkrieg: Zeitzeugenberichte“.
In Workshops zum interkulturellen
Lernen mit Neuen Medien und zum Geschichtsbewusstsein bei Schülern mit
Migrationshintergrund werden aktuelle fachdidaktische Ansätze
vorgestellt.
Kontakt: Dr. Eva Kell Tel.: 0681 / 302-2966 E-Mail: e.kell(a)mx.uni-saarland.de Weitere Informationen:
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Date: 2011/02/09 09:34:38
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Vortrag über keltisches FürstengrabStart einer Veranstaltungsreihe über die Kelten-Geschichte in der SchaumbergregionDie Gemeinde Tholey lädt zu einer Veranstaltungsreihe ein, die das Leben der Kelten vor 2000 Jahren näherbringen soll. Den Auftakt bildet am morgigen Mittwoch ein Vortrag über das Fürstengrab.Tholey. Vor 2000 Jahren war die Saar-Lor-Lux-Großregion ein wichtiges Zentrum Europas. Hier lebten die Kelten. Ihre Fürstinnen und Fürsten waren mächtige Herrscher und gefürchtete Krieger, ihre Druiden hüteten den Schatz des Wissens um die Magie des Universums, ihre Schmiede beherrschen die Kunst, Eisen zu gefürchteten Waffen und innovativen Werkzeugen zu formen. Die Ausstellung „Die Kelten – Druiden, Fürsten, Krieger“, die seit November im Weltkulturerbe Völklinger Hütte zu sehen ist, hat dieses Thema in den Mittelpunkt gerückt. Die Gemeinde Tholey hat eine Veranstaltungsreihe konzipiert, die das Wissen um diese reiche und bedeutende Kultur vor 2000 Jahren in der Schaumbergregion aufarbeitet. Zum Start der Reihe referiert Thomas Fritsch, der Terrex-Projektleiter des „keltischen Ringwalls von Otzenhausen“ am Mittwoch, 9. Februar, um 19.30 Uhr im Tholeyer Rathaussaal über das keltische Fürstengrab „Fuchshübel“ bei Theley, den größten erhaltenen Grabhügel des Saarlandes. Der mächtige Grabhügel zwischen Theley und Selbach von 60 Metern Durchmesser und fünf Metern Höhe wurde 1835 ausgegraben. Entdeckt wurde eine reiche Ausstattung: Schmuck und Waffen aus Bronze, Eisen oder Gold und die Überreste eines Wagens. Zu sehen sind die Schätze des Fuchshübels heute im Rheinischen Landesmuseum in Trier. Dr. Thomas Fritsch informiert über die Kultur der Kelten in der Region und beleuchtet in einem Exkurs den vermeintlichen Fürstensitz auf dem Momberg bei Gronig. Die Veranstaltungsreihe wird am 19. Februar mit einer Fahrt in die Keltenausstellung in Völklingen fortgesetzt, am 24. März findet ein Vortrag von Dr. Sabine Hornung über „Die Kelten im St. Wendeler Land“ im Hasborner Alten Rathaus statt. Am 31. März referiert Dr. Meinrad Maria Grewenig in der Erweiterten Realschule Theley über die „Kelten im Saarland“. Wanderungen zu keltischen Fundstellen und eine Demonstration keltischer Handwerkskunst runden die Reihe ab. red Ein Flyer mit allen Terminen ist bei der Gemeinde Tholey erhältlich, Tel. (0 68 53) 50 80. |
Date: 2011/02/09 09:35:35
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
vorgestern in der SZ:
Kulturgeschichte in fünf EpochenLeitprojekt soll die Geschichte des St. Wendeler Landes zum Anfassen und Mitmachen aufbereitenDie Vergangenheit erzählen und gleichzeitig die Zukunft beschreiben. Das will die Kulturlandschaftsinitiative St. Wendeler Land mit einer Erzählung über die Region erreichen. Die Geschichten über die Geschichte sollen dabei von den Menschen aus dem St. Wendeler Land beigesteuert werden.Von SZ-RedakteurVolker Fuchs St. Wendel. Historische Romane sind auch deshalb so beliebt, weil sie Geschichte bildhaft erzählen, weil Menschen in diesen Erzählungen lebendig werden, die Vergangenheit Gestalt annimmt statt der nüchternen Aufzählung von Daten und Fakten. Nun ist auch das St. Wendeler Land reich an Geschichte. Und wer diese kennt, wer weiß, warum sich die Kulturlandschaft so und nicht anders entwickelt hat, der kann seine Zukunft besser gestalten. Dieser Gedanke steht hinter einem neuen Leitprojekt der Kulturlandschaftsinitiative St. Wendeler Land in Zusammenarbeit mit der Europäischen Akademie Otzenhausen. Es trägt den Titel: „St. Wendeler Land steinreich: Auf den Spuren einer 2500-jährigen europäischen Kulturentwicklung“. „Wir wollen eine Erzählung machen“, sagt der Vorsitzende der Kulturlandschaftsinitiative Werner Feldkamp im SZ-Gespräch in der Akademie. Dort stellt er gemeinsam mit Kerstin Adam von der Akademie die Idee vor. „Wir wollen die Vergangenheit erzählen und gleichzeitig die Zukunft beschreiben“, führt er aus. Die Geschichten dazu sollen interessierte Menschen aus der Region beisteuern. Wie soll das konkret passieren? Am Samstag, 14. Mai, gibt es zum Start einen Aktionstag in der Europäischen Akademie. Durch Vorträge sowie Auftritte von Darstellern aus verschiedenen Epochen der letzten 2500 Jahre wird das Projekt vorgestellt. Es folgen fünf thematische Folgekonferenzen zu den einzelnen Epochen. Experten werden ihre Ergebnisse vorstellen, möglichst viele interessierte Laien sollen mitarbeiten. Kerstin Adam: „Wir wollen Geschichte zum Anfassen und Mitmachen.“ Das Vorhaben ist insgesamt auf mehrere Jahre hin angelegt. Die Struktur dieser geplanten Erzählung ist vorgegeben. Die 2500 Jahre werden in fünf Epochen aufgeteilt: die keltische, die römische, die fränkische und die deutsche. Die jüngste ist dann die der europäischen Nationalstaaten. Jeder dieser Epochen sollen starke Symbole, Landmarken, also historische Spuren, und interessante Persönlichkeiten zugeordnet werden. Dazu soll es thematische Erzählungen geben. Wie war das mit der Energieversorgung in den 2500 Jahren, mit der Wald- und Landwirtschaft, der Ernährung und Wasserversorgung? Welche Mineralien und Erze spielten wann und wie eine Rolle und prägten die Region. Schließlich schmolzen schon die Kelten Eisen. Weitere Themen können die Gesellschaftsentwicklung, Kunst, Kultur und Religion sein. Nicht umsonst ist das St. Wendeler Land nach seinem Volksheiligen benannt. Und schließlich soll aus dieser vielfältigen Geschichte die Brücke zur Zukunft der Region geschlagen werden. Wichtig ist Feldkamp und Adam, dass bei dieser Aufarbeitung möglichst viele zum Mitmachen gewonnen werden. Heimatkundler und ihre Vereine ebenso wie interessierte Laien. Geplant ist deshalb im zeitigen Frühjahr eine Befragung. Die Menschen in der Region sollen sich dabei zu den Besonderheiten des St. Wendeler Landes äußern. Welche kennen sie, welche würden sie mit Bekannten und Gästen besuchen? Was wissen sie über diese? |
Date: 2011/02/11 12:54:16
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Einladung zu dem
Vortrag Nach dem Ersten Weltkrieg
musste das Deutsche Reich "seine" Kolonien an die Siegermächte abtreten. Doch
schon 1933 richtete die NSDAP wieder ein Kolonialpolitisches Amt (KPA) ein, um
die Verwaltung eines "germanischen Kolonialreichs" in Afrika vorzubereiten.
Dieses sollte von der Atlantikküste im Westen bis zum Indischen Ozean im Osten
des Kontinents reichen. Seine Eroberung gehörte zu den erklärten Kriegszielen
der Nazis und sollte nach der Unterjochung Osteuropas erfolgen. Auch der in
Saarlouis geborene Kolonialmilitär Paul von Lettow-Vorbeck setzte sich in der
NS-Zeit massiv für die Rückeroberung der ehemaligen deutschen Kolonien ein.
Referentin: Birgit Morgenrath, Rheinisches
JournalistINNenbüro, Köln Dieser Vortrag ist Teil einer
Veranstaltungsreihe im Rahmen der Ausstellung "Die 3. Welt im 2. Weltkrieg":
Mit freundlichen
Grüßen Christa Reidenbach Stiftung Demokratie Saarland Bismarckstr. 99 66121 Saarbrücken Tel.: 0681/90626-10 Fax.: 0681/90626-25 eMail:
c.reidenbach(a)stiftung-demokratie-saarland.de www.stiftung-demokratie-saarland.de |
Date: 2011/02/13 23:21:18
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
de Vingo, Paolo: From Tribe to Province to State. An Historical-ethnographic and Archaeological Perspective for Reinterpreting the Settlement Processes of the Germanic Populations in Western Europe between Late Antiquity and the Early Middle Ages (= British Archaeological Reports International Series 2117). Oxford u.a.: Archaeopress 2010. ISBN 978-1-407-30658-2; XXI, 303 S.; £ 52,00. Rezensiert für H-Soz-u-Kult von: Oliver Schipp, Mainz E-Mail: <OliverSchipp(a)web.de> Seit Edward Gibbon in seinem Hauptwerk "The History of the Decline and Fall of the Roman Empire" die Herrschaftsgründungen durch die germanischen Stämme auf den Trümmern des Römischen Reiches als ein unabwendbares Ereignis, verschuldet von der christlich-römischen Dekadenz, betrieben von schwachen Kaisern und starken Königen, beschrieben hat, arbeitet sich die Forschung an dieser brillanten Vorlage ab. Jede Forschergeneration fügt neue Theorien und Thesen hinzu. Wenn Gibbon auch vielfach nicht erreicht wird, so sind seine Einschätzung und Bewertung doch inzwischen überholt. Daran sind die verschiedenen historischen, anthropologischen, juristischen und archäologischen Forschungsdisziplinen gleichermaßen beteiligt. Erschwert wird die Erforschung des 4. bis 9. Jahrhunderts aber immer noch durch die imaginäre Epochengrenze zwischen Spätantike und Mittelalter, der an den Universitäten eine entsprechende Aufteilung der Arbeitsbereiche entspricht. Zudem ist die Völkerwanderungszeit seit jeher Gegenstand internationaler Forschung. Die Beschäftigung mit dieser setzt folglich eine gewisse Mehrsprachigkeit voraus. Paolo de Vingo geht in seiner Dissertation, die nun als Monographie vorliegt, der Frage nach, wie aus Stämmen Staaten wurden, und legt erstmals eine detaillierte Studie vor, in welcher die historischen Quellen und archäologischen Befunde sowie die Ergebnisse der Forschung über sprachliche, sachliche und methodische Grenzen hinweg dargestellt werden. Dabei nimmt er nicht das gesamte Gebiet des vergehenden Westreiches in den Blick, sondern fokussiert seine Untersuchung auf Franken, Burgunder, Ostgoten und Langobarden. Als territorialen Schwerpunkt wählt er den Alpenraum und Norditalien. Dieses Vorgehen ist mit der Quellenfülle und der disparaten Befundsituation gut begründet, wenngleich man feststellen muss, dass der weitgesteckte Rahmen der ersten Kapitel immer mehr eingeengt wird, je weiter die Untersuchung voranschreitet. Es entsteht mithin der Eindruck, dass die ursprüngliche Konzeption der Arbeit größer angelegt war. Auf der Grundlage der archäologischen Analyse sollen schließlich eine detaillierte historische Bewertung und eine Beschreibung der Entwicklung der einzelnen ethnischen Gruppierungen möglich werden. Am Anfang der Studie steht eine Präsentation der Arbeit durch die Archäologin M. M. Negro Ponzi (S. IIIf.), gefolgt von einem Vorwort des Archäologen M. Rotili (S. V-XVIII) und einer Einführung von Paolo de Vingo (S. 1-5). Die anschließende eigentliche Untersuchung gliedert sich in vier Kapitel und eine Zusammenfassung. Eine umfassende Bibliographie schließt das Werk ab. Im ersten Kapitel der Untersuchung wird die historische Situation vom 5. bis zum 8. Jahrhundert mit besonderem Schwerpunkt auf das Gebiet Norditaliens dargestellt (S. 7-36). De Vingo beginnt mit der Ansiedlung der Sarmaten im 3. Jahrhundert und spannt den Bogen über die Wanderungen der Burgunder, Franken und Goten bis zu Karl dem Großen. Er unterscheidet bei der Ansiedlung von 'Barbaren' auf dem Boden des Römischen Reiches mehrere personenrechtliche Kategorien wie dediticii, foederati, laeti, gentiles und inquilini.[1] Die Gruppen werden aber nur vage differenziert; auch die rechtliche Entwicklung dieser personenrechtlichen Stellungen berücksichtigt de Vingo nicht weiter, sodass nicht deutlich wird, was es für die jeweilige Gruppe bedeutete, unter einer der erwähnten Rechtsstellungen im 3., 4. oder 5. Jahrhundert angesiedelt worden zu sein. So hatte etwa die Ansiedlung der 'Barbaren' als Inquilinen im 3. Jahrhundert nicht, wie de Vingo schreibt, die Bodenbindung zur Folge (S. 8), da diese erst im 4. Jahrhundert eingeführt wurde.[2] Hier hätte man differenzierter darstellen müssen. Im zweiten Kapitel werden der kulturelle Kontext und die Ethnogenese der 'Barbaren' erörtert (S. 37-87). Untergliedert in die Ethnogenese der Burgunder, Franken, Langobarden und Goten skizziert de Vingo auf der derzeitigen Forschungsgrundlage diesen vielschichtigen Prozess, den Wenskus einst als "Stammesbildung" bezeichnete, der mit Wolfram inzwischen "Ethnogenese" genannt und neuerdings als Transformation begriffen wird. Es gelingt dem Autor, auf wenigen Seiten die wichtigsten Quellen (Jordanes, Gregor von Tours und Paulus Diaconus) anzusprechen und die Ethnogenese der jeweiligen Gruppierung auf der Grundlage der aktuellen Forschung zu schildern. Dabei werden sowohl die Ergebnisse der deutschsprachigen Forschung, insbesondere der "Wiener Schule", vertreten durch Herwig Wolfram und Walter Pohl, als auch der englischsprachigen Forschungen, vor allem von Ian Wood und Peter Heather, einbezogen. Leider geht de Vingo nicht auf Forschungskontroversen ein und erklärt sich auch nicht in der 'Gretchenfrage' der gotischen Ethnogenese - wie man es nämlich mit der Historizität der bei Jordanes beschriebenen Wanderung der Goten hält. Das Kapitel wird mit einer Zusammenfassung abgeschlossen, in der de Vingo vier Typen der Ethnogenese unterscheidet. Nachdem nun die Stämme gebildet sind, wird im dritten Kapitel unter Verwendung aller Quellengattungen die Staatsgründung der Burgunder beschrieben (S. 89-169); die literarischen Quellen werden dabei ebenso herangezogen wie das geschriebene Recht der Burgunder (Lex Burgundionum und Lex Romana Burgundionum). Des Weiteren werden die materiellen Hinterlassenschaften untersucht und das Siedlungsgebiet anhand von Grabbefunden abgesteckt. Einen besonderen Reiz besitzt die Darstellung der burgundischen Gesellschaft mittels der Rechtsbücher und des archäologischen Befundes in den beiden Burgunderstädten Genf und Lyon. Theoretischer Herrschaftsanspruch und Sozialordnung werden hierbei den tatsächlichen Hinterlassenschaften gegenübergestellt. Durch die Kontrastierung der Textquellen mit den archäologischen Befunden kommt de Vingo zu einer umfassenden Darstellung sowie zu soliden Schlussfolgerungen bezüglich der Ausgestaltung der burgundischen Herrschaft in der Sapaudia. Die Brücke zum Frühmittelalter wird schließlich im vierten Kapitel geschlagen, in dem de Vingo die Siedlungsprozesse in Norditalien untersucht, wobei die Romanen, Ostgoten, Byzantiner und Langobarden in den Fokus genommen werden (S. 171-261). Die Begräbnisbräuche und die Grabbeigaben lassen nicht nur die topographische Verbreitung eines bestimmten Typs erkennen, sondern de Vingo kann an diesen Zeugnissen auch die sozialen Veränderungen aufzeigen. Dabei darf man aber als Nicht-Archäologe skeptisch sein, ob es möglich ist, Föderaten, Laeten, Franken oder Burgunder anhand der Grabbefunde klar voneinander unterscheiden zu können. Das Buch ist in einem unhandlichen und kopierunfreundlichen DIN-A4 Format gedruckt. Register fehlen; die Bibliographie weist bei den deutschen Titeln zahlreiche Rechtschreibfehler auf. Der Band ist reich bebildert, wobei nicht nur historische Karten zur Erläuterung der Wanderbewegungen, Pläne von archäologischen Befunden und Zeichnungen archäologischer Artefakte, sondern auch Rekonstruktionszeichnungen von Föderaten, Burgundern, Langobarden, Franken und einer Begräbnisszene beigegeben wurden. Über Sinn und Zweck solcher Darstellungen kann man geteilter Meinung sein. In einer wissenschaftlichen Monographie wirken sie jedenfalls ein wenig deplatziert; hübsch und dekorativ sind sie aber allemal. Es ist das Verdienst de Vingos, die weit verstreute Forschungsliteratur über Sprachgrenzen hinweg akribisch gesammelt, geordnet und ausgewertet zu haben, wobei eine kritischere Haltung gegenüber den Forschungsergebnissen wünschenswert gewesen wäre. Der Band liefert dem Leser aber einen reichen Fundus der literarischen Quellen und archäologischen Befunde aus der Völkerwanderungszeit zur Frage der Ansiedlung von Franken, Burgundern und Langobarden im alpinen Raum und in Norditalien. Anmerkungen: [1] Zum Gebrauch des Terminus "Barbaren" vgl. Walter Pohl, Vom Nutzen des Germanenbegriffes zwischen Antike und Mittelalter: Eine forschungsgeschichtliche Perspektive, in: Dieter Hägermann / Wolfgang Haubrichs / Jörg Jarnut (Hrsg.), Akkulturation. Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter, Berlin 2004, S. 18-34. [2] Zum Inquilinus-Begriff und zur Entwicklung der Bodenbindung von Kolonen und Inquilinen zuletzt Oliver Schipp, Der weströmische Kolonat von Konstantin bis zu den Karolingern (332 bis 861), Hamburg 2009, S. 23-27 u. 34-96. Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Udo Hartmann <hartmannu(a)geschichte.hu-berlin.de> URL zur Zitation dieses Beitrages http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-1-105 |
Date: 2011/02/13 23:28:36
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Zum
Thementag: Vor- und Frühgeschichte im
Heimatmuseum Neipel laden
wir Sie herzlich ein E I N L A D U N
G Autorenlesung: Michael
Kuhn M.A., Aachen, Autor
des historischen Romans „Marcus“ liest in
Begleitung und historischer Gewandung. Heimatmuseum Neipel –
Sonntag 13.03.2011 um 16.00 Uhr Thema: Der in drei Teilen
verfasste historische Roman „Marcus“ spielt in den Wirren der Spätantike in
unserer Region, in der Zeit um 350 n.Chr. und gibt Einblick in das
Spannungsfeld zwischen Römern/Gallo-Römern, Franken und
Alamannen. „Von Liebe und Leidenschaft, Helden und Verrätern.
Eine spannende Zeitreise in die spätrömische Welt an
Rhein und Mosel.“ Die Lesung ist Teil der Sonderausstellung: Die „Birg“ bei
Schmelz-Limbach -
Höhenbefestigung der Gallier – Gallorömer – Romanen und Ritter im
Heimatmuseum Neipel. Die spätrömische Höhenbefestigung „Birg“ bei
Schmelz-Limbach ist wie weitere saarländische Ausgrabungsstätten z.B. villa Borg, Quellheiligtum von Ihn;
spätrömisches Kastell Pachten, vicus
Wareswald, vicus Schwarzenacker,
Kastell und Mithräum Saarbrücken und die villa von Reinheim in Band III der
Romanserie als Handlungsorte mit eingeflossen.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem
ArchaeologieServiceSaar.de Heimatmuseum Neipel, Kantstraße,
66636 Tholey-Neipel Betreiber: Interessengemeinschaft
Ortsgeschichte Neipel Ansprechpartner:
Dr.
Edith Glansdorp Kantstraße
32 66636
Tholey-Neipel Tel.:
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Date: 2011/02/14 21:08:31
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Conze, Eckart; Frei, Norbert; Hayes, Peter; Zimmermann, Moshe: Das
Amt
und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München: Karl Blessing Verlag 2010. ISBN 978-3-89667-430-2; 879 S.; EUR 34,95. Rezensiert für H-Soz-u-Kult von: Gisela Diewald-Kerkmann, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Universität Bielefeld E-Mail: <gisela.diewald-kerkmann(a)uni-bielefeld.de> [Anm. der Red.: Nach mehrjähriger Forschungsarbeit ist Ende Oktober 2010 die umfangreiche Studie "Das Amt und die Vergangenheit" erschienen, in der die Geschichte des Auswärtigen Amts während der NS-Zeit dokumentiert wird, zugleich aber auch der schwerfällige Wandel dieser Institution in den Jahrzehnten nach 1945. Das Buch ist eines von mehreren neueren Beispielen, bei denen die (zeit)historische Forschung inhaltlich autonom bleibt, ihren Auftrag und ihre Finanzierung jedoch von der Politik erhält (in anderen Fällen auch von der Wirtschaft) und in "Expertenkommissionen" organisiert wird. Dies mag einer der Gründe dafür sein, warum das Buch in der breiteren Öffentlichkeit eine ungewöhnlich große Resonanz gefunden hat. (Siehe die Presseschau unter <http://www.zeitgeschichte-online.de/portals/_rainbow/documents/pdf/auswaertigesamt/pressespiegel.pdf>.) Die Redaktion von H-Soz-u-Kult hat sich entschieden, das Werk mit zwei parallelen Rezensionen vorzustellen. Dabei geht es um eine fachliche Würdigung, die in der Presse schon aus Platzgründen kaum zu leisten und in herkömmlichen wissenschaftlichen Zeitschriften erst etwas später möglich ist. Der "Kampf um die Deutungshoheit" hingegen, d.h. die mitschwingenden persönlichen und institutionellen Rivalitäten, sollen hier in den Hintergrund treten. Gisela Diewald-Kerkmann skizziert in ihrer Rezension noch einmal die Genese der Studie und ordnet diese in die bisherige Forschung ein. Stefan Troebst legt den Akzent seiner Lektüre und Bewertung auf Ostmittel- und Südosteuropa als "Aktionsfeld NS-deutscher Diplomatie". Selbstverständlich sind noch manche andere Perspektiven denkbar, und so ist zu hoffen, dass das Buch auch der im engeren Sinne wissenschaftlichen Diskussion weitere Impulse gibt.] ~~~~~ Setzt man sich mit dem Ergebnis der "Unabhängigen Historikerkommission" zur Geschichte des Auswärtigen Amts auseinander, stößt man nicht nur auf zahlreiche Kommentare oder Rezensionen, sondern auch auf eine ungewöhnlich breite Medienpräsenz, die teilweise schon den Charakter einer medialen Inszenierung annimmt. Beschäftigt man sich dann intensiver mit der Vorgeschichte der Studie respektive mit den Kontroversen seit dem Regierungsantritt der rot-grünen Koalition im Jahr 1998, werden als Ausgangspunkt - auch des medialen Echos - kaum überbrückbare "Differenzen zwischen der alten Diplomatenriege und dem neuen Außenminister" (S. 698), strukturelle Rahmenbedingungen und spezifische Dynamiken sichtbar. Obwohl der damalige neue Außenminister Joschka Fischer darauf verzichtete, einen parteipolitisch motivierten Personalaustausch vorzunehmen, und obwohl sogar seine Haltung im Kosovo-Konflikt bei etlichen Diplomaten auf Akzeptanz stieß, kam es zu erheblichen Spannungen. Ein Nachruf im Frühjahr 2003 auf den verstorbenen Beamten Franz Nüßlein in der Hauszeitschrift "InternAA" löste eine Kontroverse aus, die die Debatte über die "Ehemaligen" im Auswärtigen Amt (AA) überhaupt erst in Gang setzte. Nüßlein, bis zu seiner Pensionierung 1974 Generalkonsul in Barcelona, hatte seine Mitverantwortung für Todesurteile der NS-Strafjustiz im Protektorat Böhmen und Mähren stets bestritten. In der Tschechoslowakei wurde er nach Kriegsende zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch 1955 im Rahmen der Entlassung Kriegsgefangener als nicht amnestierter Kriegsverbrecher in die Bundesrepublik abgeschoben und noch im selben Jahr in den Auswärtigen Dienst übernommen. Seine Akte wurde erst aus dem Archiv geholt, als sich die Dolmetscherin und frühere AA-Mitarbeiterin Marga Henseler im Mai 2003 persönlich an Fischer wandte. Sie könne nicht verstehen, "warum das AA einen Mann wie Nüßlein ehre [...], wo er doch in Wirklichkeit ein 'gnadenloser Jurist' gewesen sei" (S. 707). Dieser Brief wurde Fischer nicht vorgelegt, sondern vielmehr an das Referat Höherer Dienst und das Politische Archiv weitergeleitet. In einem zweiten Brief wandte sich Marga Henseler direkt an Gerhard Schröder; sie bezeichnete den Nachruf als "Geschichtsfälschung". Vom Bundeskanzleramt gelangte das Schreiben ins Außenministerium und wieder an das Referat Höherer Dienst, wobei eine nachträgliche Korrektur des Nachrufs nicht notwendig erschien. Allerdings wurden die Mitarbeiter des AA Ende September 2003 von der Entscheidung Fischers in Kenntnis gesetzt, dass für ehemalige Mitglieder der NSDAP oder einer ihrer Unterorganisationen grundsätzlich keine Glückwünsche oder Nachrufe mehr vorgesehen seien. Nachdem 2004 zwei verstorbene Angehörige des AA, das frühere NSDAP- und SS-Mitglied Franz Krapf - nach 1945 Botschafter in Tokio und Leiter der Ständigen Vertretung bei der Nato - und der ehemalige Generalkonsul von Hongkong, Wilhelm Günter von Heyden, ebenfalls früheres NSDAP-Mitglied, keine amtlichen Nachrufe mehr erhielten, kam es Anfang 2005 zum "Aufstand der Pensionäre gegen den Minister" (S. 709). So erschien im Februar 2005 in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine großformatige Todesanzeige für Krapf, unterzeichnet von mehr als 130 ehemaligen Diplomaten. Vor diesem Hintergrund setzte der Außenminister im Juli 2005 eine "Unabhängige Historikerkommission" ein. Die nun vorliegende Studie und ihr Zustandekommen sind in der Tat "unauflöslich verbunden mit der Thematik, die es [d.h. das Buch] behandelt" (S. 10). Aber die auffallende Medienaufmerksamkeit erklärt sich nicht nur vor dem Hintergrund der lang andauernden Deutungskämpfe. Eng damit verknüpft sind unmittelbare Reaktionen des AA selbst - angefangen von einem Runderlass, der sämtliche Vertretungen anwies, Publikationen und die auf Internetseiten enthaltenen Informationen zur Geschichte der jeweiligen Botschaften zu überprüfen, bis zur Anweisung, dass "Ahnengalerien" einheitlich zu gestalten seien und "im Regelfall" nur noch diejenigen dargestellt werden dürften, "die seit 1951 [...] ins Ausland entsandt worden seien".[1] Weiter kündigte Außenminister Guido Westerwelle bei der Übergabe des Buches durch die Mitglieder der Historikerkommission an, es werde eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Staatssekretärs Peter Ammon gebildet, die aus der Studie für das Auswärtige Amt "die richtigen Konsequenzen zu ziehen" habe.[2] Der "historische Dopplereffekt"[3] - die Vorstellung des Buches im Auswärtigen Amt durch den jetzigen Außenminister Westerwelle respektive im "Haus der Kulturen der Welt" durch die früheren Außenminister Fischer und Steinmeier - forcierte die Neugier einer breiten Öffentlichkeit zusätzlich. Das Werk ist in zwei große Schwerpunkte untergliedert. Während der erste Teil die Zeit des Nationalsozialismus bis 1933, den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust behandelt, angefangen von Traditionen und Strukturen des Amts über Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung der Juden bis zur "Lösung der Judenfrage", konzentriert sich der zweite Teil auf die Auflösung des alten Dienstes nach 1945, auf Prozesse und Urteile, aber auch auf den Neuanfang im Jahr 1951. Die Verfasser verfolgen das Ziel, individuelle Verhaltensmuster bzw. biografische Kontexte (Dispositionen, Überzeugungen, Handlungsspielräume) mit strukturellen Rahmenbedingungen (institutionelle Bedingungen und Rivalitäten, Handlungszwänge in einer Diktatur) zu verknüpfen. Allerdings gewinnt man beim Lesen partiell den Eindruck, dass die individuelle Ebene dominiert. Unbestritten sind etliche der hier behandelten Themenfelder schon seit längerem erforscht. Dass das Amt an den Verbrechen des NS-Regimes und an der Ermordung der europäischen Juden beteiligt war und dass es - wie andere Institutionen auch - nach 1945 eine hohe personelle Kontinuität aufwies, haben die Historiker Christopher Browning[4] und Hans-Jürgen Döscher[5] bereits vor Jahrzehnten differenziert nachgewiesen. Bekannt ist zudem, dass ein enger Informationsaustausch mit dem Reichssicherheitshauptamt bestand. Kompetenzverflechtungen und Rivalitäten der einzelnen Instanzen forcierten die radikalisierende Dynamik der Judenvernichtung. Darüber hinaus sind zahlreiche Quellen seit längerer Zeit zugänglich, etwa in der Aktenedition zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik[6] oder der Dokumentation von Léon Poliakov und Joseph Wulf.[7] Ebenso zutreffend hat Rainer Blasius darauf hingewiesen, dass bereits in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 18. März 1952 über die Reisekostenabrechnung von Franz Rademacher (Reisezweck: "Liquidation von Juden in Belgrad") berichtet wurde.[8] Obwohl also viele Fakten bekannt sind, ist man trotzdem erstaunt über die nach 1933 zügig erfolgte "Selbstgleichschaltung" des AA ohne besonderen Druck von außen. Das Amt scheint nicht nur die Kooperation und Abstimmung mit anderen Behörden gesucht, sondern oft auch die Initiative ergriffen zu haben. Angesichts der Auseinandersetzung mit konkurrierenden Institutionen ging es dem AA zweifellos darum, "die eigene Unentbehrlichkeit ständig unter Beweis zu stellen. Auch deshalb wurden zahlreiche Meldungen ohne Einschränkung direkt an das Geheime Staatspolizeiamt und andere Behörden weitergeleitet." (S. 81) Wie ein roter Faden zieht sich durch den ersten Teil der Studie die Erkenntnis, dass die Diplomaten weder erkennbar gegen die Repressions- und Gewaltpraxis des NS-Regimes protestierten noch ihre Anpassung verweigerten. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum das "Auswärtige Amt [...] bei der rapiden Erosion zivilisatorischer Standards und bei der Entwicklung hin zu einem mörderischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg nicht abseits" stand (S. 167). Auf der Basis etlicher Quellen wird dokumentiert, dass das AA nicht nur über die verbrecherischen Praktiken der deutschen Besatzungspolitik und über das Massensterben von mehr als drei Millionen sowjetischer Kriegsgefangener informiert war, sondern dass es auch an der "Endlösung der Judenfrage" mitwirkte (S. 185ff.). An der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 war das AA durch Unterstaatssekretär Luther beteiligt. Zu Recht machen die Verfasser deutlich, dass die nach 1945 konstruierte Dichotomie - die Zweiteilung in ein "gutes" und ein "schlechtes" Amt - der Komplexität der historischen Situation nicht gerecht wird. Zwar gab es auch im AA Einzelne - etwa die infolge des 20. Juli 1944 hingerichteten Adam von Trott zu Solz, Ulrich von Hassel und Hans Bernd von Haeften -, die Widerstand gegen das NS-Regime leisteten. Aber dieser Widerstand "blieb individuell und die Ausnahme" (S. 16). Dass das Auswärtige Amt weder eine "Widerstandszelle" noch ein "Hort des Widerstands" war (S. 305f.), hatte bereits das Nürnberger US-Militärtribunal im Wilhelmstraßen-Prozess 1948/49 festgestellt. So wurden die Beteuerungen des ehemaligen Staatssekretärs Ernst von Weizsäcker, "dass man Lippendienst geleistet, jedoch insgeheim Sabotage betrieben [...] habe" (S. 398), mit Skepsis aufgenommen. Er wurde als Kriegsverbrecher zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Umso mehr verwundert es, in welchem Maße nach der Neugründung 1951 die "Selbstentschuldigung" der Diplomaten gelang - wobei die Relevanz gezielter Netzwerkbildung einzelner Protagonisten nicht unterschätzt werden darf. Gerade die Diplomaten sollten nach den Vorschriften des Alliierten Kontrollrats automatisch als "Hauptschuldige" vor den Spruchkammern und Entnazifizierungsausschüssen angeklagt werden. Somit erklärt sich, warum etliche Diplomaten darauf insistierten, dass die Verbindungen zur NSDAP "rein nomineller Natur" gewesen seien (S. 343). Dass ein "gigantisches Entlastungswerk" gelang, hing zwar auch damit zusammen, dass die Alliierten bereits 1948 die Gesamtverantwortung für die Entnazifizierung an die Deutschen abgegeben hatten. Aber zahlreiche Schwerbelastete - wie beispielsweise der eingangs erwähnte NS-Staatsanwalt Franz Nüßlein - gelangten vor allem auf der Grundlage der Gesetzesregelungen für Spätheimkehrer "problemlos auf höchste Posten" (S. 583). In diesem Kontext werden wichtige Detailfunde deutlich. So konnten schwer belastete Diplomaten - nicht zuletzt wegen des weit verbreiteten Bilds vom "sauberen Kern" des AA - ihre Karrieren nach der Neugründung 1951 fortsetzen. Demgegenüber wurden Kritiker des NS-Regimes bzw. nichtkonforme Diplomaten ausgegrenzt; gleichzeitig wurde die Aufnahme jüdischer Emigranten erschwert. Das belegt exemplarisch der Fall von Fritz Kolbe, der 1925 in den diplomatischen Dienst trat, sich bei Kriegsbeginn weigerte, der NSDAP beizutreten, und angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen ab 1943 geheime Informationen an den amerikanischen Geheimdienst lieferte. Der Wiedereinstieg in das neu gegründete AA wurde ihm nicht nur verweigert, sondern er wurde darüber hinaus als "Verräter" stigmatisiert. Erst seit 2004 wird seine Widerstandstätigkeit im NS-Regime auch offiziell anerkannt. Dass die Berufung Willy Brandts zum Außenminister und Vizekanzler der Großen Koalition im Dezember 1966 eine Zäsur bedeutete, muss nicht besonders betont werden. Aber galt diese Zäsur auch für das Außenministerium? Hier ist der Befund von Egon Bahr aufschlussreich (damals Leiter des Planungsstabes), dass die gezielte Nachwuchsförderung im AA nicht nur spezifische Strukturen und Mentalitäten gefestigt, sondern sogar obrigkeitsstaatliche und elitäre Haltungen verstärkt habe. Offensichtlich betrachteten die meisten Beamten des AA das "ungleiche Bündnis aus Konservativen und Sozialdemokraten nur als temporäre Zweckgemeinschaft in Zeiten der Krise" (S. 658). Insgesamt leistet die Studie einen wichtigen Beitrag, um Mechanismen einer systematischen "Selbstentschuldigung" des Auswärtigen Amts zu durchleuchten. Das gilt auch, obwohl etliche Forschungsergebnisse bereits früher vorlagen respektive zahlreiche Quellen seit Jahren zugänglich sind. Wahrscheinlich trifft die Aussage des heute 88-jährigen Bahr zu, dass in seiner Zeit (1966-1969) eine solche Studie nicht möglich gewesen sei, "mit einem ehemaligen NSDAP-Mitglied als Bundeskanzler und einem ehemaligen Migranten als Außenminister".[9] Vielleicht war hierzu ein Quereinsteiger wie Joschka Fischer nötig, "um die Gelegenheit zu erkennen, die sich mit Marga Henseler bot".[10] Anmerkungen: [1] rab [= Rainer Blasius], Auswärtiges Amt lässt "Ahnengalerien" abhängen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.11.2010, S. 1f. [2] Zit. nach ebd. [3] Marcus Jauer / Alard von Kittlitz / Andreas Platthaus, Der historische Dopplereffekt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.2010, S. 33. [4] Christopher R. Browning, The Final Solution and the German Foreign Office. A Study of Referat D III of Abteilung Deutschland 1940-43, New York 1978; dt. Fassung (mit einem Vorwort von Jürgen Matthäus und einer zusätzlichen Einleitung von Browning): Die "Endlösung" und das Auswärtige Amt. Das Referat D III der Abteilung Deutschland 1940-1943, Darmstadt 2010. [5] Hans-Jürgen Döscher, Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der "Endlösung", Berlin 1987 (Tb.-Ausg. Frankfurt am Main 1991); ders., Verschworene Gesellschaft. Das Auswärtige Amt unter Adenauer zwischen Neubeginn und Kontinuität, Berlin 1995; ders., Seilschaften. Die verdrängte Vergangenheit des Auswärtigen Amts, Berlin 2005. [6] Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik, hrsg. im Auftrag des Auswärtigen Amts vom Institut für Zeitgeschichte, München 1993-2009 (einschließlich der beiden Vorläufer liegen bis jetzt 48 Teilbände vor). [7] Léon Poliakov / Joseph Wulf, Das Dritte Reich und seine Diener, Berlin 1956. [8] Rainer Blasius, Seit 1952 bekannt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.11.2010, S. 10. [9] So paraphrasiert von Jauer / Kittlitz / Platthaus, Dopplereffekt. [10] Ebd. Diese Rezension wurde redaktionell betreut von: Jan-Holger Kirsch <kirsch(a)zeitgeschichte-online.de> URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-1-109 |
Date: 2011/02/14 21:11:38
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
From: Stefan Troebst
<troebst(a)uni-leipzig.de>
Date: 15.02.2011 Subject: Rez. NS: E. Conze u.a.: Das Amt und die Vergangenheit ------------------------------------------------------------------------ Conze, Eckart; Frei, Norbert; Hayes, Peter; Zimmermann, Moshe: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München: Karl Blessing Verlag 2010. ISBN 978-3-89667-430-2; 879 S.; EUR 34,95. Rezensiert für H-Soz-u-Kult von: Stefan Troebst, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO), Universität Leipzig E-Mail: troebst(a)uni-leipzig.de "Die deutschen Außenminister unter Außerachtlassung der Zeit zwischen dem 4. Februar 1938 und dem 8. Mai 1945" - so sollte der Band IVc der fiktiven Aktenserie "Beiträge zur Popularisierung bundesdeutscher Behörden, Reihe A: Das Auswärtige Amt" betitelt sein.[1] Der auf die Amtszeit von Joachim von Ribbentrop als Reichsaußenminister bezogene Scherz (west)deutscher Diplomaten aus dem Jahr 1974 nimmt sich im Zeichen der medialen Erregung, welche der Bericht der "Unabhängigen Historikerkommission" zur Geschichte des Auswärtigen Amts seit dem Oktober 2010 ausgelöst hat, als politisch inkorrekt aus. Zugleich aber belegt er das Vorhandensein von zumindest rudimentärem Problembewusstsein in demjenigen generationellen Segment des Diplomatenstandes, das heute kritisiert wird. So zentral in der öffentlichen Diskussion über das Buch Mentalitäts- und Kontinuitätsfragen sind, so marginal ist die Medienaufmerksamkeit für den Gehalt an neuen quellenbasierten Erkenntnissen. Die fachhistorische Kritik an allzu vollmundigem Eigenlob, an nur vermeintlichen Trouvaillen oder an der mangelnden Heranziehung von Aktenpublikationen des Auswärtigen Amtes dringt hier naheliegenderweise nicht durch. Diese Kritik ist im Einzelfall berechtigt, aber entwertet sie deshalb das Buch? Ein Blick auf den ersten, bis 1945 reichenden Teil mit einem Fokus auf dem östlichen Europa als Aktionsfeld NS-deutscher Diplomatie kann hier Aufschluss geben. Bezüglich Ostmittel- und Osteuropas muss die Antwort differenziert ausfallen, denn weder in den vom Deutschen Reich annektierten Gebieten Polens, Litauens (Memel), Jugoslawiens (Slowenien) und der Tschechoslowakei noch im Generalgouvernement noch in den okkupierten Territorien der Sowjetunion war das Reichsaußenministerium mit Gesandtschaften, Konsulaten oder anderen Untergliederungen ständig präsent. (Dass auch Angehörige dieses Ministeriums von der Wehrmacht eingezogen bzw. als SS-Angehörige aktiviert und dorthin abkommandiert wurden und etliche in diesen Funktionen Kriegsverbrechen verübten, ist dabei unstrittig.) Der Aktionsradius des Ministeriums war folglich auf denjenigen Teil des östlichen Europas beschränkt, der im NS-Jargon als "Südosten" figurierte. Hierzu gehörten die verbündeten Staaten Ungarn, Rumänien und Bulgarien sowie der neue Satellit Slowakei, weiter das deutsch-italienische Kondominium des Unabhängigen Staates Kroatien, welches Bosnien mit einschloss, das übrige deutsch, ungarisch, italienisch und bulgarisch besetzte bzw. annektierte Jugoslawien, desgleichen Griechenland unter deutsch-italienisch-bulgarischer Besatzung sowie das italienische Albanien. Der Donau-Balkan-Raum war aber zugleich diejenige Großregion des "Neuen Europas" nationalsozialistischer Prägung, in der das Reichsaußenministerium weniger mit Karrierediplomaten als vielmehr mit Immediaten aus der SA vertreten war: 1941 wurden an die Spitze der Gesandtschaften in der Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Kroatien und Rumänien mit Hanns Elard Ludin, Dietrich von Jagow, Adolf Heinz Beckerle, Siegfried Kasche und Manfred von Killinger sämtlich SA-Gruppenführer gestellt, die dort bis Kriegsende verblieben und die entweder gar keine oder nur kurzfristige diplomatische Erfahrung besaßen. Im Zuge der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 trat dann SS-Brigadeführer Eduard Veesenmayer als "Reichsbevollmächtigter in Ungarn" an die Stelle des Gesandten von Jagow. Diese Dominanz von SA- und SS-Chargen in der Südosteuropadiplomatie des "Dritten Reichs" während des Zweiten Weltkriegs wird allerdings nur erkennbar, wenn man die über das Buch verteilten Informationssplitter gleichsam eigenhändig zusammensetzt. Eine Ausnahme bildet der Abschnitt über die Tätigkeit des österreichischen Nationalsozialisten und ersten Wiener Bürgermeisters nach dem "Anschluss", Hermann Neubacher. Kurzzeitig als Gesandter in Zagreb, dann als Sonderbeauftragter für wirtschaftliche und finanzielle Fragen in Griechenland tätig, wurde er im August 1943 zum Sondergesandten des Reichsaußenministeriums für den Südosten ernannt und kurz darauf von Hitler speziell mit dem "Kampf gegen den Kommunismus", sprich: Partisanenbekämpfung, dort betraut. Seine Tätigkeit ist ebenso kritisch wie differenzierend beschrieben (S. 252-259). Ebenfalls erhellend ist der Abschnitt über den Legationssekretär Eberhard von Künsberg, der im Unterschied zu den Genannten ein waschechter Karrierediplomat war. Zunächst im September 1939 ins besetzte Warschau geschickt, um für die deutsche Außenpolitik bedeutsame Archivbestände zu konfiszieren, baute er ein aus mehreren Hundert Angehörigen bestehendes "Sonderkommando Künsberg" auf, welches von Frankreich über Norwegen bis in die Sowjetunion Kulturgüter, Kunstgegenstände, Edelmetall etc. beschlagnahmte. Die Klassifizierung als amtseigene "Räuberbande" (S. 215) erscheint vollauf gerechtfertigt. Beim Vernichtungskrieg im Osten und in denjenigen Teilen des östlichen Europas, in und aus denen Millionen Juden ermordet wurden, spielte das Reichsaußenministerium dennoch nur eine Nebenrolle. Aktiv war es hingegen mit der Deportation der Juden Südosteuropas befasst, wobei jedoch in den diplomatischen Vertretungen vor Ort wie in der Berliner Zentrale die eigentlichen Entscheidungsträger ganz überwiegend nicht Karrierediplomaten, sondern Seiteneinsteiger des NS-Regimes waren. Dass in einer thematisch breit angelegten sowie einen längeren Zeitraum umfassenden Untersuchung wie der vorliegenden keine Spezialliteratur in osteuropäischen Sprachen herangezogen wurde, ist nachvollziehbar. Dass aber auch die historiographische Produktion in leichter zugänglichen Sprachen wie Englisch oder Deutsch streckenweise ignoriert wird, erstaunt und kann auch durch einzelne Archivquellen nicht immer wettgemacht werden. Ein Beispiel: Im Abschnitt "Verbündete und Vasallen" des Kapitels "Besatzung - Ausplünderung - Holocaust" wird die Beteiligung der Wilhelmstraße an der "Endlösung der Judenfrage" im verbündeten Bulgarien behandelt (S. 282ff.). In 15 Fußnoten werden Dokumente des Reichssicherheitshauptamts und des Reichsaußenministeriums (einschließlich der Gesandtschaft Sofia) angeführt - riskanterweise allerdings nach im Yad Vashem Archive in Jerusalem befindlichen Mikrofilmen, nicht hingegen nach den in Berlin leicht zugänglichen Originalen. Zitiert werden zudem (S. 748) Christopher Brownings klassische Studie über Franz Rademacher und die von diesem geleitete ministerielle Abteilung D III ("Judenfragen")[2] sowie die englische Übersetzung einer zuerst 1986 auf Serbisch erschienenen journalistischen Darstellung zur Geschichte der Juden Vardar-Makedoniens.[3] Kein Gebrauch gemacht wurde indes von den zahlreichen Untersuchungen israelischer, makedonischer, bulgarischer, US-amerikanischer und deutscher Historiker zur Judenpolitik der bulgarischen Regierung samt Deportation der jüdischen Bewohner der 1941 annektierten Teile Jugoslawiens.[4] Keine Erwähnung findet auch Hans-Joachim Hoppes grundlegende Darstellung der Bulgarien-Politik NS-Deutschlands.[5] Folglich figurieren als Akteure ausschließlich Ribbentrop, sein Unterstaatssekretär Martin Luther, Beckerle und Rademacher. Bulgarischerseits werden zwar Außen- und Innenminister genannt, aber lediglich als Befehlsempfänger Berlins. Dass das Land seit 1941 mit dem "Gesetz zum Schutz der bulgarischen Nation" eine antisemitische Gesetzgebung besaß und dass seit 1942 ein bulgarisches "Kommissariat für Judenfragen" tätig war, bleibt ebenso ausgespart wie der Umstand, dass es im Frühjahr 1943 in Bulgarien zu einer dramatischen innenpolitischen Krise kam - wegen der deutscherseits ultimativ eingeforderten Deportation sämtlicher Juden. Bulgarische Akteure wie König Boris III., Ministerpräsident Bogdan Filov oder Parlamentsvizepräsident Dimitar Pesev, die im Zentrum historiographischer wie geschichtspolitischer Kontroversen in Bulgarien, Israel und andernorts stehen - vor wie nach 1989/90 -, werden nicht einmal namentlich genannt. Selbst Hitler und Himmler werden nicht als Promotoren nationalsozialistischen Drängens auf Deportation sämtlicher Juden des seit 1941 beträchtlich vergrößerten Bulgariens nach Treblinka erwähnt. Ähnliche Defizite sind bezüglich des deutsch besetzten, im NS-Sprachgebrauch so bezeichneten Rest-Serbiens festzustellen: Zwar ist Walter Manoscheks einschlägige Monographie genannt, die aufgrund ihrer Erkenntnisse zu den bereits 1942 angestellten Experimenten der Wehrmacht bezüglich (proto)industrieller Vernichtung von Juden und Roma mittels Gas Aufsehen erregt hat.[6] Doch wird auf die dort zu findende eingehende Darstellung der im hier anzuzeigenden Buch so hervorgehobenen Belgrader Mission Rademachers - Stichwort Abrechnung von Reisekosten zwecks "Liquidation von Juden in Belgrad" - nicht eingegangen (S. 252ff., S. 743f.). Das beruht entweder auf Unkenntnis oder auf Oberflächlichkeit. Dies betrifft im Übrigen auch die fehlende Thematisierung der personellen "Ostmark-" bzw. österreichischen Komponente in der Südosteuropapolitik des "Dritten Reichs", auch im diplomatischen Apparat. Die Militärgeschichtsschreibung ist diesbezüglich bereits weiter. Wie sind solche Blindstellen der Autoren von "Das Amt" zu erklären? Vor allem wohl dadurch, dass es sich um dezidierte Deutschlandhistoriker handelt. Dies lag zweifelsohne in der Natur der Sache, birgt aber die genannte Gefahr der Einseitigkeit. Partiell wurde dieses Manko ausgeglichen, etwa durch die Verpflichtung eines ausgewiesenen Polen-Experten als wissenschaftlichem Kommissionsmitarbeiter. Diesem stand indes kein Südosteuropa-Fachmann zur Seite, auch keine Balkan-Fachfrau, was sich nicht zuletzt wegen der besagten Bedeutung dieser Großregion als Aktionsfeld NS-deutscher Diplomatie negativ auswirkte. Zugleich sagt diese Lücke einiges über das Verhältnis der Disziplin Geschichte zu ihrem Teilfach Ost- und Südosteuropäische Geschichte. Unbestritten ist schließlich der Wert des Buches als prosopographisches Hilfsmittel, zumal die beiden ausstehenden, die Buchstaben S bis Z enthaltenden Bände des vom Historischen Dienst des Auswärtigen Amts erarbeiteten "Biographischen Handbuchs des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871-1945" noch nicht erschienen sind.[7] Allerdings waltete im hier besprochenen Buch nicht immer die notwendige Sorgfalt. So wird etwa "der deutsche Generalkonsul Witte", der "am 18. März 1943 über die 'Aussiedlung der Juden aus Mazedonien'" "[a]us Skopje im bulgarisch besetzten Mazedonien" berichtete (S. 283), im Namensregister als "Witte, Barthold" identifiziert (S. 879). Irrtümlich wird er also mit dem (1928 geborenen und erst 1971 ins Auswärtige Amt eingetretenen) Diplomaten, Kulturpolitiker und Publizisten Barthold C. Witte verwechselt (S. 640). Der deutsche Generalkonsul im Skopje des Jahres 1943 hingegen trug den Vornamen Arthur. (Er taucht übrigens an anderer Stelle des Buches als einer derjenigen deutschen Diplomaten auf, gegen die Fritz Bauer als hessischer Generalstaatsanwalt in den 1950er-Jahren ermittelte; S. 665). Dies mag ein einzelner Lapsus sein, doch reduziert er das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Indexierung. Und dass die im Anmerkungsteil vorkommenden Namen diplomatischer, militärischer und politischer Akteure nicht in das Register aufgenommen wurden, schmälert den Nachschlagewert des Bandes. Ein Resümee aus den Stärken und Schwächen des öffentlich so heftig diskutierten Buches zu ziehen fällt schwer. Allerdings bietet sich eine Analogie an: Wer sich noch an die Goldhagen-Debatte im Deutschland der 1990er-Jahre erinnert, wundert sich heute wohl weniger darüber, dass "Hitlers willige Vollstrecker" und die Aufregung darum weitgehend in Vergessenheit geraten sind, als vielmehr darüber, dass der damalige Bestseller mittlerweile als einer von vielen Beiträgen zum Thema wieder herangezogen und gleichsam unbefangen zitiert wird. Ganz ähnlich wird es sich in ein bis zwei Jahrzehnten wohl mit dem Buch "Das Amt und die Vergangenheit" verhalten: Dass es laut Klappentext mit dem hehren Anspruch angetreten ist, eine der "langlebigsten Legenden über das Dritte Reich" zu widerlegen - und zwar vorgeblich gestützt "auf zahlreiche, zum Teil bis heute unter Verschluss gehaltene Akten" -, sowie mit dem Ziel, "das Geschichtsbild einer der wichtigsten politischen Funktionseliten des Landes" zu korrigieren, wird dann gnädig vergessen sein. Sein Wert als einer von mehreren grundlegenden Beiträgen zu den Aktionsformen, zur Organisation und zum Personal der Außenpolitik NS-Deutschlands sowie zu den Adaptionsstrategien von Diplomaten im Dienst einer Diktatur indes wird bleiben. Anmerkungen: [1] Ministerialdirigent a.D. Dr. h.c. Edmund F. (Friedemann) Dräcker. Leben und Werk. Vom Kaiserlichen Reserveoffizier zum indischen Guru. Eine Dokumentation (= Beiträge zur Popularisierung bundesdeutscher Behörden. Reihe A: Das Auswärtige Amt. Bd. IVd: Herausragende Angehörige des Auswärtigen Dienstes. Erste Lieferung), München 1974, S. 2. [2] Christopher R. Browning, Final Solution and the German Foreign Office. A Study of Referat D III of Abteilung Deutschland 1940-43, New York 1978. [3] Jennie Lebel [Ženi Lebl], Tide and Wreck. History of the Jews of Vardar Macedonia. Translated from Serbian by Paul Münch, Bergenfield 2008. [4] Aleksandar Matkovski, The Destruction of Macedonian Jewry in 1943, in: Yad Vashem Studies 3 (1959), S. 203-258; Siegfried Fauck, Das deutsch-bulgarische Verhältnis 1939-1944 und seine Rückwirkung auf die bulgarische Judenpolitik, in: Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte II, Stuttgart 1966, S. 46-59; Nissan Oren, The Bulgarian Exception: A Reassessment of the Salvation of the Jewish Community, in: Yad Vashem Studies 7 (1968), S. 83-106; Frederick B. Chary, The Bulgarian Jews and the Final Solution, 1940-1944, Pittsburgh 1972; Hans-Joachim Hoppe, Bulgarien, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, München 1991, S. 274-310; Vladimir Paunovski / Yosif Iliel, The Jews in Bulgaria between the Holocaust and the Rescue, Sofia 2000; Jens Hoppe, Zwangsarbeit von Juden in Bulgarien während des Zweiten Weltkriegs. Die jüdischen Arbeitsbataillone 1941-1944, in: Südost-Forschungen 63/64 (2004/05), S. 311-338; Björn Opfer, Im Schatten des Krieges. Besatzung oder Anschluss - Befreiung oder Unterdrückung? Eine komparative Untersuchung über die bulgarische Herrschaft in Vardar-Makedonien 1915-1918 und 1941-1944, Münster 2005; Ethan J. Hollander, The Final Solution in Bulgaria and Romania: A Comparative Perspective, in: East European Politics and Societies 22 (2008), S. 203-248. [5] Hans-Joachim Hoppe, Bulgarien - Hitlers eigenwilliger Verbündeter. Eine Fallstudie zur nationalsozialistischen Südosteuropapolitik, Stuttgart 1979. [6] Walter Manoschek, "Serbien ist judenfrei". Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, München 1993, 2. Aufl. 1995. [7] Maria Keipert / Peter Grupp (Hrsg.), Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871-1945, Bd. 1: A-F, Paderborn 2000; Bd. 2: G-K, Paderborn 2005; Bd. 3: L-R, Paderborn 2008. |
Date: 2011/02/16 08:49:33
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
heute morgen in der SZ:
Vorbemerkung: Schade, daß die Kollegen von Etzels Kleinod
nicht miteinander zu reden scheinen. Sonst hätte Dr. Fritsch in seinem Roman
"Der Herr des Ringwalls" diesen schon damals bekannten Unfug von den
Lebacher Eiern als Basis der Eisenerzgewinnung sicher nicht gebracht - obwohl
... hm ... das war ein Jugendbuch. Die Kinder merken das eh nicht, gelle?
Roland Geiger
Hier nun der Artikel über das günstige
Ostergeschenk:
„Lebacher Eier“ machten Kelten nicht reichSabine Hornung präsentiert neue ForschungsergebnisseVon neuen belegten Erkenntnissen rund um den Hunnenring berichtete Dr. Sabine Hornung von der Universität Mainz, anlässlich der Präsentation des Buches „Mensch und Umwelt I“. Die 39-jährige Herausgeberin stellte die ersten Ergebnisse des 2006 laufenden interdisziplinären Forschungsprojektes vor.Von SZ-Mitarbeiter
Frank Faber Nonnweiler. 45 Wochen habe das Forschungsteam am Hunnenring gegraben, 13 Wochen prospektiert. 16 Grabungsflächen sind geöffnet worden, und rund 5000 Fotos vom Nordwall geschossen worden. „So langsam begreifen wir, was der Hunnenring gewesen ist, und wie die Menschen dort gelebt haben“, sagte die Archäologin bei der Buchpräsentation in der Nonnweiler Kurhalle. Mit belegbaren Erkenntnissen werde das Bild der Zeit von damals immer klarer. Eine erste keltische Besiedelung datierte sie auf das 4. Jahrhundert vor Christus. „Mehr oder weniger zeitgleich mit den Fürstengräber in Schwarzenbach“, ergänzte Dr. Martin Schönfelder vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz, mit einer neuen Erkenntnis. Die erste Entwicklung keltischer Kunst biete viele Möglichkeiten. Die Einbindung des Umfeldes und deren Ressourcen sei dazu ganz wichtig. Schönfelder stellte den Hunnenring in Kontext zu den Grabfeldern in Hermeskeil, dem Vicus „Spätzrech“, dem Gräberfeld „In der Kripp“ zwischen Schwarzenbach und Sötern, und den Fürstengräbern. Er berichtete, dass die Mauern des Nordwalles zwischen den Jahren 80 und 70 vor Christus entstanden seinen. Die Forscher gehen davon, dass der Hunnenring bis etwa 50 vor Christus dicht besiedelt war. „Die Römer sind schuld daran, dass die Menschen vom Hunnenring vertrieben wurden“, schilderte Hornung. Kein anderer Wirtschaftszweig hat die Landschaft unmittelbar um den Hunnenring so nachhaltig geprägt wie die Eisenindustrie. Hornung beschrieb ein Handelszentrum, dass Schmiedearbeiten produzierte. In der Vergangenheit wurde immer behauptet, dass die Eisenerzverhüttung in der Region den Kelten zu Wohlstand verholfen hat. Als Beleg dafür sind in der Regel die so genannten Lebacher Eier (Toneisenerzsteine) angeführt worden. Diese These, wie auch der Aufsatz von Jürgen Driehaus (1965), „Fürstengräber“ und Eisenerze zwischen Mittelrhein, Mosel und Saar, wurden nun durch geochemische Forschungen widerlegt und erstmals richtig publiziert. „Das Eisen der frühen Kelten sind nicht die Lebacher Eier“, stellte Schönfelder klar. Untersuchungen ergaben, dass die chemische Zusammensetzung der alten Schlacken und die der Lebacher Eier nicht passt. Dr. Andreas Kronz, von der Uni Göttingen präzisierte. „Die Lebacher Eier sind nicht der Ausgangspunkt für das keltische Eisen. Sie enthalten zu wenig Eisengehalt, dass sie in dieser Zeit ausgebeutet wurden“. Die Eier habe man mit der in keltischer Zeit verfügbaren Methode gar nicht verhütten können. Dies sei erst später mit der Einführung der Hochofentechnologie möglich geworden. „Das hat man schon längere Zeit vermutet“, bestätigte Professor Alfred Haffner, der als die Forscher-Ikone für die Eisenzeit schlechthin gilt. Überhaupt so der ausgewiesene Experte weiter, „scheint mir das Buch ein großartiges Werk zu sein“. Hornungs Intension darin ist es, den Hunnenring von der wissenschaftlichen Seite in ein neues Licht zu rücken. „Wir hatten dafür die Chance erhalten, durch die Bündelung von Forschungsteams das ganze Gebiet zu untersuchen“, bedankte sich die Projektleiterin. Der Hunnenring habe die durchgeführten Forschungen einfach verdient.
Zur PersonSabine Hornung (39). Hochschul-Ausbildung mit dem Studiengang der
Vor- und Frühgeschichte, klassische Archäologie und Ägyptologie an der
Universität Mainz. Aktuelles Projekt: Landschaftsarchäologie im Umfeld des
keltischen Oppidums von Otzenhausen. frf
Auf einen BlickDas Buch „Mensch und Umwelt I – Archäologische und naturwissenschaftliche Forschungen zum Wandel der Kulturlandschaft um den „Hunnenring“ bei Otzenhausen“ 382 Seiten, herausgegeben von Dr. Sabine Hornung. Der Band 192 ist eine Publikation aus der Reihe „Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie“, aus dem Institut für Vor - und Frühgeschichte der Universität Mainz. Erhältlich ist das Buch bei der Tourist-Information der Gemeinde Nonnweiler und im Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH in Bonn. Der Verkaufspreis beträgt 75 Euro.
------------------------------- Eine echte Alternative (zwar kosten die DVDs je 9,99 Euro, dafür braucht man nicht viel nachzudenken): Zehn Heimatfilme auf einen Streich„Ein Stück Heimat zum Sammeln“ erscheint am 17. Februar auf DVDSt. Wendel. Die zehn erfolgreichsten Heimatfilme im Verleih von „Kinowelt“ erscheinen am 17. Februar in einer limitierten Sammelreihe: Jede DVD enthält ein nostalgisches Blechschild vom gemalten Original-Kinoplakat. Außerdem haben die DVD's Extras wie Dokumentationen, Trailer und Interviews zu bieten. Die Filme allesamt sind Klassiker der deutschen Kino-Geschichte, schön anzusehen, unterhaltsam. Die Filme im Einzelnen: „Das Erbe von Björndal“, „Der Förster vom Silberwald“, „Die Geierwally“, „Ich denke oft an Piroschka“, „Im weißen Rössl“, „Immer die Radfahrer“, „Kohlhiesels Töchter“, „Und ewig singen die Wälder“, „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ und „Züricher Verlobung“. Zu sehen sind Schauspieler wie Romy Schneider, Lieselotte Pulver, Heinz Erhardt, Magda Schneider, Peter Kraus oder Johannes Heesters. him
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Date: 2011/02/18 17:48:53
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
21.
Februar,
18:00 Uhr, Haus der Stiftung Demokratie Saarland Lesung
„Ich
bin dann mal Hartz IV“ mit
Brigitte Vallenthin Nach
jahrelanger persönlicher Erfahrung hält Brigitte Vallenthin „Hartz IV“ den
Spiegel vor. Ihr Buch „Ich bin dann mal Hartz IV“ schildert ihre Erfahrungen mit
Sozialbehörden und Sozialgerichten. Ihre Geschichte ist kein Einzelfall, deshalb
wirft sie für andere Betroffene einen Blick hinter die
Kulissen. Neben
der Diskussion um die Höhe der Regelsätze ist die Berechnung aus ihrer
Musterklage gegen Hartz IV ein wichtiger Inhalt. Außerdem
räumt sie mit dem Missverständnis auf, als ginge es bei Hartz IV alleine um mehr
Geld und als sei damit bereits die Notlage der Betroffenen
behoben. Brigitte
Vallenthin
ist Soziologin in der Marktforschung und PR sowie als Journalistin tätig. Für
Mütter nach Tschernobyl im Vorstand des Bundesverbandes
Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Als Autodidaktin der
Ernährungswissenschaften selbständig in Ernährungsberatung und
Bio-Feinkost-Einzelhandel sowie im eigenen FitFood Verlag für Bio-Einkaufs- und
Gastronomie-Führer. Gründerin der überregional tätigen Bürgerinitiative
Hartz4-Plattform und der Initiative
Grundeinkommen-Wiesbaden. Wir
bitten um Anmeldung. |
Date: 2011/02/18 23:10:52
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
From: Ingo Wiwjorra <wiwjorra(a)gmx.de>
Date: 17.02.2011 Subject: CFP: Archäologie und Nation: Kontexte der Erforschung "vaterländischen Alterthums". Eine Tagung zur Geschichte der Archäologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 1800-1860 - Nürnberg 02/12 ------------------------------------------------------------------------ Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Ingo Wiwjorra, Dietrich Hakelberg 01.02.2012-03.02.2012, Nürnberg Deadline: 15.05.2011 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm das Interesse an einheimischen archäologischen Funden sprunghaft zu. Hunderte, zum Teil reich illustrierte Monographien und Zeitschriftenbeiträge zeugen von einer mit großem Engagement betriebenen archäologischen Forschung. Neu entdeckte heidnische Urnen, römische Mauerreste oder fossile Knochen wurden beschrieben, gezeichnet, datiert und mit Leidenschaft interpretiert. Mittelalterliche Ruinen und vorgeschichtliche Geländedenkmäler in der Landschaft galten jetzt als bewahrenswert und wurden erstmals unter staatlichen Schutz gestellt. Neu gegründete Geschichts- und Altertumsvereine boten einen organisatorischen und gesellschaftlichen Rahmen, um das 'vaterländische Alterthum' zu erkunden und publik zu machen. Ausgrabung, Sammlung und Publikation archäologischer Funde stehen in einer frühneuzeitlichen Gelehrtentradition und haben einen überschaubaren Literaturkanon hinterlassen. Wie aber ist der regelrechte 'Altertümer-Boom' zu erklären, der sich ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts beobachten läßt? Schon die Zeitgenossen haben die 'vaterländische Altertumskunde' mit einem nach den Befreiungskriegen "neu erwachten Nationalbewußtsein" legitimiert. Diesen bis in die jüngste Zeit verwendeten Topos gilt es kritisch zu hinterfragen: Wie hängen die seinerzeit aufkommenden Nationsvorstellungen mit dem rapide anwachsenden Interesse am einheimischen Altertum zusammen? In welcher Weise konkurrierten oder ergänzten sich hier altständisches oder partikularstaatliches Landesbewußtsein mit dem modernen Nationsgedanken? Inwieweit war die Beschäftigung mit den Schrift- und Sachaltertümern eine Reaktion auf Traditionsverluste nach dem Untergang des Alten Reiches? Ziel der geplanten Tagung ist es, die politischen und sozialen Kontexte der archäologischen Altertumskunde zwischen ca. 1800 und 1860 differenzierter herauszuarbeiten. Hierbei gilt es, den Blick für die Beweggründe der grabenden, sammelnden und publizierenden Akteure zu schärfen. Leitende Fragen sollen sein: 1. Unter welchen politischen und sozialen Rahmenbedingungen institutionalisiert und professionalisiert sich die archäologische Praxis in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts? 2. Welchen Stellenwert hat das Ausgraben, Bewahren und Sammeln archäologischer Funde im Tätigkeitsspektrum der Geschichts- und Altertumsvereine? 3. Inwieweit läßt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit archäologischen Funden und ihren ethnischen Interpretationen Bezüge zum Nationsdiskurs (der 'Rede über die Nation' ab ca. 1780) in Deutschland, Österreich und der Schweiz erkennen? 4. Inwieweit spielen soziale Herkunft, Selbstverständnis und Berufsgruppen der Initiatoren archäologischer Forschung eine Rolle für ihre Initiative? Für die Untersuchung dieser Fragen sind voraussichtlich die folgenden thematischen Schwerpunkte vorgesehen: - Archäologische Forschung und moderner Staat. Denkmalschutz und historisches Selbstverständnis in Ländern/Kantonen und Territorien - Erkenntnisinteressen im Wettstreit? Archäologien der Römer, Kelten, Slawen, usw. - Der fossile Mensch: Debatten bis zur Entdeckung des 'Neandertalers' 1856 - Methodische Innovationen: Datierung (Dreiperiodensystem); Grabungstechnik; Kartographie - Profis und Dilettanten: Entwicklung und Wandel gelehrten Selbstverständnisses - Bildliche Darstellungen archäologischer Funde, Reproduktionstechniken und Publikationswesen (Lithographie und Kupferstich, Verlage und Buchproduktion usw.) - Biographien der Akteure - Altertümersammlungen und Bibliotheken von Altertumsforschern und Altertumsvereinen - Institutionen: Altertumsvereine und Universitäten - Popularisierung archäologischer Forschung (in Zeitungen, Kalendern, Schulbüchern usw.) - Quellen für die Geschichte der Archäologie: Nachlässe, Briefwechsel, Tagebücher Die Tagung ist fächerübergreifend ausgerichtet und richtet sich nicht nur an Archäologen, sondern besonders auch an Germanisten, Volkskundler, Historiker und andere interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie soll anstelle einer 'klassischen' Forschungsgeschichte (im Sinne einer Erfolgsgeschichte der modernen Archäologien) neuen und weiterführenden Interpretationen ein Forum bieten, die den historischen Kontext archäologischer Forschungen einbeziehen. Die Referenten sollten bevorzugt Primärquellen, Archivalien und die gedruckten zeitgenössischen Publikationen auswerten bzw. ausgewertet haben. Vor allem die gedruckte Überlieferung läßt sich nun einfach recherchieren, neu lesen und interpretieren. Die wichtigsten Schriften wurden und werden im Rahmen des DFG-Projekts "Archäologische Forschungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz von der Auflösung des Alten Reichs bis 1852" bibliographiert, digitalisiert und erschlossen: <http://forschung.gnm.de/htm/htm2/dlib/p01.html> Interessierte Referentinnen und Referenten wenden sich bitte mit einer kurzen Zusammenfassung des Tagungsbeitrages bis spätestens 30.04.2011 an unten stehende Kontaktadresse. Besonders die Autorinnen und Autoren jüngerer Forschungsarbeiten sind willkommen! Eine Übernahme der Kosten für An- und Abreise sowie für die Unterbringung ist vorgesehen. Die Publikation eines Tagungsbandes ist geplant. ------------------------------------------------------------------------ Ingo Wiwjorra Germanisches Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg 0911-1331-153 i.wiwjorra(a)gnm.de URL zur Zitation dieses Beitrages <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=15767> _________________________________________________ HUMANITIES - SOZIAL- UND KULTURGESCHICHTE H-SOZ-U-KULT(a)H-NET.MSU.EDU Redaktion: E-Mail: hsk.redaktion(a)geschichte.hu-berlin.de WWW: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de _________________________________________________ |
Date: 2011/02/19 23:34:00
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Salü,
eben habe ich durch Zufall das Wort zum Sonntag im Ersten gesehen. Das ist
an sich kein Thema für dieses Forum, also - wer's nicht lesen will, einfach
löschen. Aber ich fand die Ansprache schon stark (im positiven Sinn).
Roland Geiger
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Das Wort zum Sonntag vom 19.
Februar 2011,
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Date: 2011/02/21 00:53:33
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Borutta, Manuel: Antikatholizismus. Deutschland und Italien im
Zeitalter
der europäischen Kulturkämpfe (= Bürgertum Neue Folge 7). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010. ISBN 978-3-525-36849-7; geb.; 488 S.; EUR 61,95. Rezensiert für H-Soz-u-Kult von: Wolfram Kaiser, European Studies, University of Portsmouth E-Mail: <Wolfram.Kaiser(a)port.ac.uk> Der Kulturkampf ist von der deutschen Historiographie überwiegend als ein spezifisch deutsches Phänomen behandelt worden. Die Politikgeschichte der Gründungsphase des Deutschen Reichs hat sich in erster Linie mit den preußischen Kulturkampfgesetzen der ersten Hälfte der 1870er-Jahre, beginnend mit dem Kanzelparagraphen von 1871 und dem Jesuitengesetz 1872, beschäftigt. Danach strebte die Kooperation der Liberalen mit Reichskanzler Bismarck eine moderate Säkularisierung an und war in erster Linie darauf ausgerichtet, den gesellschaftlichen Einfluss der katholischen Kirche zurückzudrängen. In ihrem Sonderwegsnarrativ hat die Gesellschaftsgeschichte dem deutschen Katholizismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lange Zeit einen Modernisierungsrückstand bescheinigt. Die Kulturkampfmaßnahmen erschienen in ihrer autoritär-polizeilichen Durchsetzung vielfach als illiberale Verirrung der Liberalen und die Kooperation mit Bismarck als Pakt mit dem Teufel auf dessen Sonderweg, grundsätzlich aber als normativ gerechtfertigt. Schließlich hat sich die katholische Bismarck-kritische Historiographie mehr mit dem - sehr effektiven - katholischen Widerstand beschäftigt als mit den Vorstellungswelten und Motiven der antikatholischen Kulturkämpfer. In seiner ausgezeichneten Berliner Dissertation hat Manuel Borutta den Forschungsstand in dreifacher Hinsicht erheblich erweitert. Erstens wagt er den Vergleich mit Italien, für das er zumindest mit Blick auf Piemont von einem preußenähnlichen Kulturkampf spricht. Damit unterstützt das Buch die Überwindung der einseitigen Fixierung der Gesellschaftsgeschichte auf den Vergleich mit Großbritannien und Frankreich, der bis in die 1980er-Jahre der Unterfütterung der Sonderwegsthese diente. Zweitens thematisiert er beziehungsgeschichtliche Dimensionen des Transfers von Topoi antikatholischer Rhetorik und Mobilisierung, wofür er auch auf die wichtige Rolle antikatholischer Polemik aus Frankreich für die Diskurse in Deutschland und Italien eingeht. Drittens bezieht sich Boruttas primäres Erkenntnisinteresse auf kulturgeschichtliche Aspekte des Antikatholizismus in beiden Ländern, vor allem dessen diskursive Topoi sowie mediale Inhalte und Inszenierungsformen. Im ersten Hauptteil des Buches rekonstruiert Borutta die Genese des Antikatholizismus in der Aufklärung im 18. Jahrhundert und seine weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert. Dieser Abschnitt ist weitgehend literaturbasiert. Hier distanziert sich Borutta deutlich von der Bielefelder Gesellschaftsgeschichte und ihrer "konfessionellen Verengung des deutschen Bildungsbegriffs" (S. 76), in der er einen wichtigen Grund für deren implizite Sympathie für den Antikatholizismus der Liberalen erblickt. Neue Forschungsergebnisse stellt Borutta vor allem im zweiten und dritten Hauptteil seines Buches vor. Dabei geht es ihm zunächst um Formen der medialen Visualisierung und Inszenierung. Hier diskutiert Borutta kompetent die verschiedenen Medien des Antikatholizismus, von Romanen über Skandalchroniken bis zu Satirezeitschriften. Danach behandelt er Visualisierungsformen wie Historiengemälde, Genremalereien und Karikaturen. Die Topoi - wie das Bild des "perversen Geistlichen" (S. 183) - sind aus früheren Forschungen wohl bekannt, ihre Visualisierung und strategische Nutzung wird hier jedoch erstmals in dieser empirischen Breite überzeugend beschrieben und belegt - ebenso die Bedeutung von Transfers aus anderen kulturellen und nationalen Kontexten. Vor allem, so schreibt Borutta überzeugend, war die "Moralisierung des Konflikts" nicht "bloß propagandistisch" gemeint, sondern zielte auf die "Universalisierung der bürgerlichen Lebensführung" ab (S. 264). Im dritten Hauptteil geht es Borutta anhand mehrerer empirischer Beispiele um die Geschlechtergeschichte des Kulturkampfes und die Verweiblichung des Katholizismus durch das "progressive Lager" (S. 387) in Abgrenzung zu dessen männlich-bürgerlich-protestantischem Leitbild einer säkularisierten Gesellschaft - ein Leitbild, von dem Borutta meint, es habe wie bei Max Weber "Eingang in die Selbstbeschreibung der Moderne" gefunden und letztlich auch die Gesellschaftsgeschichte stark geprägt. Hierzu, so schränkt der Autor allerdings sogleich selbst ein, "bedarf es weiterer, auch wissenschaftshistorischer Untersuchungen" (S. 414). Borutta hat eine im Vergleich Deutschlands und Italiens, in der Einbeziehung transnationaler Aspekte, in ihrer thematischen Breite und ihren empirischen Belegen überaus lesenswerte Studie vorgelegt. Noch lesenswerter wäre das Buch allerdings, wenn es durchweg in deutscher Sprache geschrieben wäre. Begriffe wie "sexcrimes" (S. 155), "classing", "aging" und "gendering" (S. 388) scheinen in weiten Kreisen der deutschen Geschichtswissenschaft jedoch inzwischen leider als ein Ausweis von Internationalität der Forschung zu gelten. Gerade wegen der vor allem für eine Dissertation sehr breiten Anlage kann Borutta außerdem nicht immer so tief schürfen, wie es wünschenswert wäre. Transnationale Aspekte werden zwar berücksichtigt, aber die breitere europäische Dimension des Antikatholizismus über Deutschland und Italien hinaus nur angedeutet. Insofern bleibt die Studie vielleicht noch immer zu sehr Jürgen Kockas und Heinz-Gerhart Haupts Konzeptualisierung einer transnationalen Einbettung des historischen Vergleichs verpflichtet, die grenzüberschreitende beziehungsgeschichtliche Aspekte aus pragmatischen wissenschaftspolitischen Motiven subsidiär in den Vergleich integriert hat. Außerdem stößt Borutta mit seiner These zur Genealogie der Säkularisierungsthese, die er im vergangenen Jahr in einem Aufsatz in "Geschichte und Gesellschaft" vertieft hat und die auch von Rebekka Habermas auf dem letzten Historikertag vertreten wurde, eine hoffentlich interessante Debatte an, ohne seine These jedoch - vorerst - hinreichend belegen zu können. Immerhin wird hier deutlich, dass in der Historiographie eine - in diesem Fall zumindest teilweise gescheiterte - Revolution nicht immer ihre Kinder frisst, sondern die Kinder der Bielefelder Gesellschaftsgeschichte die beabsichtigte Revolution. Statt von Friedrich II. zu Bismarck und Hitler ist Deutschlands Sonderweg offensichtlich von den Antikatholiken des Kulturkampfes zu Weber und Wehler verlaufen. Das ist, von außen betrachtet, immerhin amüsant. |
Date: 2011/02/21 00:54:21
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Wolf, Joseph Georg (Hrsg.): Neue Rechtsurkunden aus Pompeji.
Tabulae
Pompeianae novae. Lateinisch und deutsch (= Texte zur Forschung 98). Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2010. ISBN 978-3-534-23236-9; 240 S.; EUR 49,90. Rezensiert für H-Soz-u-Kult von: Kathrin Jaschke, Historisches Institut, Ruhr-Universität Bochum E-Mail: <kathrin.jaschke(a)ruhr-uni-bochum.de> Pompeji wartet immer wieder mit sensationellen, einzigartigen Funden auf, die für das Verständnis gerade der römischen Alltagswelt von größter Bedeutung sind. Dies war auch bei dem Wachstäfelchen-Archiv der Sulpicii der Fall, das mit seinen Rechtsurkunden einen direkten Blick in die Geschäftswelt einer in der Hafenstadt Puteoli agierenden familia von libertinen Bankiers im 1. Jahrhundert n.Chr. gewährt. Mit dem Archiv des Lucius Caecilius Iucundus aus Pompeji sind zwar ähnliche Täfelchen bekannt [1], doch beinhalten diese hauptsächlich Quittungen. Auch in Herculaneum wurden bislang weitgehend unbekannte Täfelchen geborgen, deren Publikation nach einigen unbefriedigenden Versuchen nun in die Hände von Giuseppe Camodeca gelegt ist.[2] Das Archiv der Sulpicii hingegen enthält vor allem Kredit- und verwandte Rechtsgeschäfte wie Bürgschaften oder Verpfändungen von Naturalien mit zugehörigen Speichermieten aus den Jahren 29 bis 61 n.Chr.; es wirft Licht auf die vielfältigen Interessen und Geschäftsverbindungen von Freigelassenen in einer der wichtigsten Hafenstädte des Römischen Reiches und ergänzt so das Bild, das aus den anderen tabulae gewonnen werden konnte. Obwohl bereits bei Ausgrabungen in Murecine im Jahre 1959 entdeckt, zog sich die Publikation der wegen fehlender Erfahrung unsachgemäß konservierten Täfelchen über mehrere Jahrzehnte hin. Aufgrund ihrer Fragilität konnte nur mit Fotografien gearbeitet werden, wobei offenbar nicht alle Seiten erfasst wurden und somit bis heute Unklarheit über die genaue Anzahl der tabulae besteht. Die erste, leider oft fehlerhafte Edition - die Tabulae Pompeianae (TP) - wurde in den 1960er- und 1970er-Jahren in den "Rendiconti della Accademia di Archeologia, Lettere e Belle Arti" (Napoli) abgedruckt. Eine hervorragende kritische Ausgabe brachte 1999 Giuseppe Camodeca mit den Tabulae Pompeianae Sulpiciorum (TPSulp) mit 127 Texten heraus, die allerdings keine Übersetzung bietet und aufgrund der italienischen Sprache nur einem kleineren Kreis zugänglich ist.[3] Joseph Georg Wolf schließt nun diese Lücke, indem er die Texte von 118 tabulae mit einer deutschen Übersetzung und einem textkritischen Apparat in der Reihe "Texte zur Forschung" herausgibt und somit einem breiteren Leserkreis erschließt. In Abgrenzung zu den 1875 ebenfalls in Pompeji gefunden Täfelchen des Caecilius Iucundus nennt er die Urkunden Tabulae Pompeianae Novae (TPN). Die einführenden Kapitel zum Fund (S. 17-18 u. 22-24), zur Technik (S. 19f.), zu den Typen der Urkunden (S. 20-22), den Editionen (S. 24f.), der Datierung (S. 25f.), den Personen (S. 26-28) sowie der Schriftlichkeit (S. 29f.) und den Geschäften eines Bankhauses (S. 30-32) sind recht knapp gefasst und konzentrieren sich auf die Fundstücke, weniger auf ihre historische Einordnung. Offen bleibt dabei unter anderem die Frage, wieso sich ein Korb mit einer mindestens 15 Jahre alten Auswahl an Geschäftsunterlagen aus Puteoli in einem, von Wolf als Sitz eines collegium interpretierten Gebäude in Pompeji befand. Offenbar hatten die Sulpicii das Gebäude erstanden und ließen noch die Schäden des Erdbebens von 62 n.Chr. beseitigen, als in Folge des Vesuvausbruches von 79 n.Chr. Schlamm in das Gebäude einbrach und so für den außerordentlichen Erhaltungszustand der Täfelchen sorgte. Wolf unterscheidet zudem bei der Einführung in die Urkundentypen nur zwischen der testatio als Geschehensbericht und kombiniertem Urkunden- und Zeugnisbeweis sowie dem chirographum als Erklärung einer Person. Die Urkundentexte selbst hingegen sind feiner in vadimonia, testationes sistendi, mutua, fideiussiones, apochae und tabulae ad auctiones pertinentes unterteilt, um nur die größeren Gruppen zu nennen. Die Charakteristika der einzelnen Untergruppen werden jedoch nicht erläutert, was den Zugang zu den Texten für jeden erschwert, der sich noch nicht mit der römischen Rechtsgeschichte auseinandergesetzt hat. Die Texte sind in der ursprünglichen Zeilenfolge wiedergegeben; die zweifelsfrei lesbaren Buchstaben werden durch Majuskeln dargestellt, die nicht zweifelsfrei lesbaren durch Minuskeln und kursive Schreibweise ergänzt. Zu jeder Urkunde sind die TP- und die TPSulp-Nummer der vorherigen Editionen genannt, was die Zuordnung der Texte erleichtert. Es folgen der textkritische Apparat, der teilweise durch Erklärungen, die das Textverständnis erleichtern, erweitert wird, sowie die Übersetzung ins Deutsche, die sich - so der Autor in den Erläuterungen der Edition - als "Lesehilfe" versteht und sich "an den lateinischen Wortlaut so eng wie möglich" anschließt (S. 13). Als äußerst hilfreich erweisen sich die Indices, in denen nach verschiedenen Namensbestandteilen von Kaisern, Konsuln, Privatpersonen und Sklaven gesucht werden kann. Sklaven schlossen recht häufig Geschäfte im Namen und in Abwesenheit ihrer Herren ab oder fungierten als deren Schreiber, wenn diese Analphabeten waren. Des Weiteren umfassen die Indices die Konsuldatierungen, die lateinischen und griechischen Wörter und deren unterschiedliche Schreibweisen sowie Berufe, Gebäude und Zahlen und schlussendlich eine Konkordanz. Einige Täfelchen lassen sich zu Gruppen zusammenschließen, aus denen ganze Geschäftsvorgänge der Sulpicii mit einem bestimmten Geschäftspartner rekonstruiert werden können. Da diese oftmals verschiedene Arten von Urkunden umfassen, sind Verweise unbedingt erforderlich und werden von Wolf meist auch vorgenommen, wenn eine Person in anderen Urkunden ebenfalls auftaucht. Eine Ausnahme bilden die Täfelchen, in denen Lucius Marius Iucundus genannt wird. Zwar bringt Wolf TPN 69, die Übergabe eines Pfandes in Naturalien für einen Kredit, und TPN 87, die Anmietung des Lagerraums für den Pfand durch den Gläubiger Caius Sulpicius Faustus, in Verbindung, das chirographum über den eigentlichen Kredit über 20.000 Sesterzen (TPN 45), der in TPN 69 erwähnt wird, verbindet er dagegen nicht mit dieser Urkunde, wie dies noch Camodeca tat. Im Gegensatz zu diesem hält Wolf das Datum der Urkunde für unsicher und ordnet daher konsequenterweise TPN 45 nicht dem Geschäftsvorgang von TPN 69 und 87 zu. Dennoch wäre ein Verweis an dieser Stelle hilfreich, um sich selbst ein Bild machen zu können. Die Kommentierung der teilweise recht komplexen Texte fällt sehr knapp aus, was wahrscheinlich dem begrenzten Umfang des Bandes geschuldet ist. Umso wichtiger wären weiterführende Literaturhinweise, die eine weitere Beschäftigung mit den Texten und ihre historische Einordnung ermöglichen. Hier bleibt Wolf leider hinter der Edition von Camodeca zurück, dessen Literaturangaben allerdings nun mehr als zehn Jahre alt sind. Wolf führt in der Literaturauswahl hauptsächlich die Editionen und Ausgrabungsberichte an und verzichtet auf einschlägige Forschungsarbeiten zu den einzelnen Urkunden. Dies fällt besonders bei einem der umstrittensten Texte des Archivs auf, dem sogenannten Seefrachtvertrag des Menelaos, einer Urkunde nach hellenistischem Vorbild, die nicht so recht zu den bislang bekannten Verträgen passen will und zu der Wolf nur einen eigenen Aufsatz nennt. Noch schwerwiegender ist das Fehlen jedweder Literaturangabe zu den Urkunden, die das Kreditgeschäft zwischen Caius Sulpicius Faustus und Caius Novius Eunus betreffen (TPN 43, 44, 58 u. 59), das auf Spekulationen mit Getreide aus Alexandria hindeutet und sowohl von Camodeca als auch von Wolf selbst bereits ausführlich behandelt worden ist.[4] Somit bleibt die weiterführende Literaturrecherche dem Leser selbst überlassen; ein bei der unterschiedlichen Nennung und Nummerierung der tabulae nicht immer leichtes Unterfangen. Die Vorlage der Texte des Sulpicii-Archivs mit deutscher Übersetzung und einer, wenn auch knappen Kommentierung ist insgesamt zu sehr begrüßen, da dieser gut strukturierte und übersichtliche Band sicherlich dazu beitragen wird, diese einzigartige Quellengattung, die viele neue Informationen nicht nur zur römischen Rechtsgeschichte, sondern im besonderen Maße auch zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte liefert, einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Anmerkungen: [1] CIL IV, Suppl. I; Jean Andreau, Les affaires de Monsieur Jucundus, Rome 1974. [2] Vgl. Giuseppe Camodeca, Magistrati municipali e "datio tutoris" dalla riedizione delle "Tabulae Herculanenses", in: Rendiconti, Pontificia Accademia Romana di Archeologia 79 (2006-2007), S. 57-81. [3] Giuseppe Camodeca (Hrsg.), Tabulae Pompeianae Sulpiciorum (TPSulp.). Edizione critica dell'archivio puteolano dei Sulpicii, 2 Bde., Roma 1999. [4] Giuseppe Camodeca, Puteoli porto annorario e il commercio del grano in età imperiale, in: Le ravitaillement en blé de Rome et des centres urbains des débuts de la République jusqu'au Haut-Empire, Naples 1994, S. 103-128; Joseph Georg Wolf / John Anthony Crook Rechtsurkunden in Vulgärlatein aus den Jahren 37-39 n. Chr., Heidelberg 1989. |
Date: 2011/02/21 09:02:26
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Zeitmaschine InternetOnline-Portal dokumentiert private Aufzeichnungen aus dem Zweiten WeltkriegEine beliebte Kommunikationsform im Internet ist das Blog, das Web-Tagebuch. Dass das moderne Medium auch für klassische Tagebücher ein guter Ort ist, zeigt das Internet-Projekt Zeitstimmen.de. Hier werden Tagebücher aus der Kriegszeit gezeigt.Von dpa-MitarbeiterJens Twiehaus Potsdam. Ihre Worte klingen aus heutiger Sicht bizarr. Aber als Hildegard Muschan aus Rathenow am Abend des 26. September 1946 ihr Tagebuch aufklappte, schrieb sie diese Zeilen wohl aus ihrem tiefsten Empfinden heraus: „Heute war Sonnenschein. Ich ging im Garten spazieren u. saß auf der Bank bei den Massengräbern. Bis zum Abendbrot saß ich auf der Terrasse u. danach konnte ich schlafen.“ Sonnenschein und Massengräber, der Tod und das Abendbrot: Krasse Gegensätze wie diese – aus privaten Tagebüchern und Briefen – veröffentlicht das neue Internetportal www.zeitstimmen.de für jedermann nachlesbar im Netz. Das nach eigenen Angaben einzige Internetportal für deutschsprachige Tagebücher und Briefsammlungen im Netz ging vor kurzem an den Start. Insgesamt 120 Tagebücher und Briefsammlungen erreichten Projektleiter Peter Walther vom Brandenburger Literaturbüro. Mal waren es zwei Seiten Aufzeichnungen eines Soldaten aus dem Jahr 1945, auf denen er einen Erlebnisbericht von der Schlacht im Oderbruch liefert. Ein anderes Mal waren auch ganze Sammlungen aus 13 oder 14 Bänden unter den Einsendungen. Meistens schickten ihm die Nachfahren Schriften ihrer Mutter, des Großvaters oder der Tante, wie Walther sagt. Zwei Drittel der Texte stammen aus Kriegstagen von 1944 und 1945 sowie der frühen Nachkriegszeit. Akribisch übertrug etwa ein Dutzend Freiwilliger viele Hundert Seiten handschriftlicher Aufzeichnungen in den Computer, einen Teil der Arbeit übernahmen bezahlte Kräfte. „Anders wäre das bei der Masse nicht zu schaffen gewesen“, sagt Walther. Die „Abschreiber“ kämpften nicht nur gegen vergilbtes Papier, sondern vor allem mit den vielen Tagebucheinträgen in schwer lesbarer Sütterlinschrift. Ein Rentner habe sogar die Aufgabe gemeistert, die so genannte deutsche Kurrentschrift aus einem Tagebuch von 1813 zu transkribieren. Die Texte sind auf Zeitstimmen.de nicht nur nachzulesen. Die rund 4800 Einträge können auch mit wenig Aufwand durchsucht werden. Eine Suchmaske bietet dem Nutzer zahlreiche Vorschläge, zum Beispiel zu den Orten, an denen der Text geschrieben wurde. Doch auch eine Volltextsuche wie bei einer Suchmaschine führt oft zu einem Treffer: Hildegard Muschans Eintrag etwa erscheint gleich bei der Suche nach dem Begriff „Massengräber“. Zusätzlich sind Tagebucheinträge, die am selben Tag verfasst wurden, auch auf der Internetseite miteinander verknüpft. „Es ist nämlich sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich verschiedene Menschen dieselben historischen Momente wahrnehmen“, sagt Walther. Doch der 45-jährige Literaturwissenschaftler wollte es nicht bei Texten allein belassen. Fotos illustrieren und begleiten viele Einträge, auch sie wurden in den meisten Fällen von den Verwandten eingesandt. Die zeitliche Nähe zum beschriebenen Geschehen mache die besondere Qualität der Texte aus, sagt Walther. Sie vermittelten im Gegensatz zu faktenschweren Lehrbüchern eine sehr viel lebendigere Vorstellung vom Leben der Menschen etwa im Zweiten Weltkrieg. „Das historische Gerüst ist ja bekannt. Aber das Erleben der Leute in bestimmten Momenten, diesen gefrorenen Augenblick, kann kein historischer wissenschaftlicher Text bieten“, erläutert Walther die Idee hinter dem Zeitstimmen-Projekt. Die Fülle der subjektiven Eindrücke habe schließlich auch eine „objektivierende Wucht“. www.zeitstimmen.de |
Date: 2011/02/21 10:35:55
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Pater Benedikt Hermesdorff ist totAm gestrigen Sonntag verstarb nach langer Krankheit Pater Benedikt (Elmar) Hermesdorff OSB im Alter von 87 Jahren. Pater Benedikt wurde am 16. August 1923 in Koblenz geboren. Nach seinem Kriegseinsatz begann er am 16. Dezember 1946 sein Noviziat in der Abtei St. Matthias in Trier. 1949 kam er unter der Leitung von Abt Petrus Borne mit einigen Mönchen aus St. Matthias nach Tholey, um die Abtei wieder zu errichten. Am 24. Mai 1950 legte er seine Feierliche Profess ab und wurde ein Jahr später von Weihbischof Bernhard Stein zum Priester geweiht. Das Sterbeamt mit anschließender Beerdigung ist am Mittwoch, 23 Februar, 14.30 Uhr in der Abteikirche. Der Rosenkranz wird am Dienstag, 18 Uhr, gebetet. ddt -------------------------- Ich habe Pater Benedikt vor vielen Jahren kennengelernt, als ich nach Tholey in die Abtei ging, um Familienforschung zu betreiben. Pater Benedikt setzte mich in einen großen halbdunklen Raum und gab mir die alten Kirchenbüchern, in denen ich nach Herzenslust schmökern konnte. Roland Geiger |
Date: 2011/02/21 19:11:39
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Salü,
jüngst stieß ich auf den Brief eines jungen Mannes aus St. Wendel, den er
ganz im Bann der ersten Tage an der Universität Bonn an seine Eltern
verfaßte.
Silvester Dreger, geboren am 20. Mai 1823 auf der Felsenmühle im St.
Wendeler Stadtteil Alsfassen (damals noch eigenständig), war das fünfte von neun
Kindern des Müllerehepaares Josef Dreger und Elisabeth Deutscher.
Nach seinem Studium wurde er katholischer Pfarrer; erst in Aach bei Trier,
dann in Oberehe (ca. 10 km nordöstlich von Gerolstein in der Eifel). Am 14. Juni
1860 ist er katholischer Geistlicher in Hamburg-Altona.
"Herrn Josef Dreger
Wohlgeboren auf d. Felsenmühle bei St. Wendel Bonn den 31.10.(18)45
Liebe Eltern! Das jetzige studentische Leben, worin es sich vom gymnasiastischen unterscheidet, mag in der Behandlung der Herren Professoren und der Lehrer bestehen und nicht minder in der Achtung, die einem die Bonner zollen. Jeder Vortrag beginnt mit den wichtigen Worten: „Meine Herren“ und während des Vortrages wird so oft die Einschiebsel: „wie Ihnen wohl bekannt sein wird, Meine Herren“ wiederholt, daß man sich Anfangs nicht genug wundern kann, besonders wenn es heißt, „wie sie wohl wissen, meine Herren“, bei Sachen, die man noch nie gehört hat. Dies als Nebensache betrachtend, möchte wohl der Hauptunterschied sein in der schönen und erhabenen Sprache der Herren Professoren, in der vielseitig ausgebreiteten Ge- lehrsamkeit, die sie in allem Gesagten an den Tag legen. Bei diesem Urtheile lasse ich mich keineswegs von ihren gelehrten Wortschwal(l)en oder den cannibalischen Ausdrücken, als vom Inhalte der Vorträge selbst leiten. So z. B. spricht Herr Fischbach (?) in der Einleitung zur griechischen Ge- schichte über die Quellen Ansichten aus, die ich noch in keinem Rottek oder Becker, etc. gefunden habe; er characteri- sirt die Geschichtsschreiber der Griechen von den ältesten Zeiten bis jetzt so, daß solche Beurtheilung nur der fällen kann, der die meisten der Werke selbst gelesen hat. Welche Gelehrsamkeit! Meinen Gruß. Euer Sohn Silvester per Adresse: Herrn Paul Keuch, Bonngasse No 331 ist meine Adresse. "
Mit freundlichen Grüßen
Roland Geiger |
Date: 2011/02/27 13:31:30
From: anneliese.schumacher(a)t-online.de <anneliese.schumacher(a)t-online.de>
2 Nachrichten aus der Zeitschrift der Stiftung Bahn-Sozialwerk
Familien- und Wappenkundler vielerorts aktiv
Sie gehören zu den BSW-Gruppen, die seit Jahrzehnten eine hochinteressante Arbeit leisten, aber nicht so sehr im Licht der Eisenbahneröffentlichkeit stehen wie andere: In diesem Jahr hält der Bereich Familien- und Wappenkunde vom 31. März bis 03. April in Magdeburg seine 38. Jahrestagung ab, zu der auch Gäste herzlich eingeladen sind.
Die Ausrichter erwarten dazu renommierte Familienforscherinnen und Familienforscher aus Deutschland und Frankreich. Die Sparte Familien- und Wappenkunde zählt derzeit gut 630 Mitglieder, die in zwölf Bezirksgruppen aktiv sind. Neben Fachvorträgen und dem Austausch darüber werden auch eine Stadt- und Domführung in Magdeburg und ein Ausflug zum berühmten Halberstädter Domschatz geboten. Zudem ist bei geselligen Abendveranstaltungen Gelegenheit zum persönlichen und fachlichen Miteinander.
Weitere Informationen gibt Dieter Leusche, Eisvogelstr. 7, 39110 Magdeburg, Telefon 0391 72351-03
e-Mail: RoDiLeusche(a)arcor.de
Wer mehr über die Familien- und Wappenforscher im BSW und über das Tagungsprogramm erfahren möchte, wird auf der eigenen Homepage der Gruppe fündig:
Schatzkammer der Eisenbahn-Geschichte
Es ist im Laufe der Jahre zu einer wahren Schatzkammer geworden, das Archiv zur Eisenbahngeschichte im BSW-Kulturzentrum am Alexanderplatz in Berlin. BSW_Förderer haben es im Jahre 2004 unter dem Dach des BSW-Kulturbereichs Eisenbahnerbe/Modellbau gegründet.
Dür dieses "Gedächtnis der Eisenbahn", wie die DB Welt schrieb, sammeln, ordnen und betzreuen Dieter Kroschmann, Siegfried Krause und Gerold Langner vor allem historische Eisenbahnschriften, Dokumente, Vorschriften, Fach- und Jahrbücher. Hier ist sogar ein Student aus Cottbus für seine Doktorarbeit erfolgreich fündig geworden. Besonders stolz sind die BSW-Archivare auf die gesammelten Schriften des Eisenbahnpioniers Friedrich List und auch auf den Bücherschrank, in dem diese ausgestellt sind. Der stammt aus den 20er-Jahren und stand einst in der Generaldirektion der Deutschen Reichsbahn in der Berliner Voßstraße. Aber auch kleinere Modelle von Loks und Bahnhöfen, Münzen und Videos sind in diesem Archiv zu finden. Ihre Sammlungen speisen Dieter Koschmann, Siegfried Krause und Gerold Langner vor allem aus Überlassungen von Eisenbahnern. Und sie freuen sich auch über jede weitere Spende. Nähere Informationen mittwochs telefonisch unter Telefon 030 8321821-88.
Date: 2011/02/28 23:56:16
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)aol.com>
Nathanael Busch (Marburg); Björn Reich (Göttingen),
Göttingen
02.12.2011-04.12.2011, Historische Sternwarte Deadline: 04.04.2011 Vergessene Texte des Mittelalters - man kennt sie und kennt sie doch nicht. Ihre Titel sind oft noch bekannt, gelesen werden sie selten. Wer abseitige Literatur sucht, findet sie in allen Sprachen und Gattungen: selten intonierte Minnesänger (Bernger von Horheim, Graf Kraft von Toggenburg), von ihren Zeitgenossen noch vielgelesene geistliche Autoren des Spätmittelalters (Otto von Passau, Marquard von Lindau) oder Anleitungen zum Turnier-und Ritterwesen (Geoffroi de Charny) genauso wie unbeachtete Erzähltexte in Deutsch (die Minneromane Bertholds von Holle, der Artusroman 'Wigamur', der 'Malagis' aus der späten chanson de geste, die enfance-Geschichte 'Johann aus dem Baumgarten' oder die 'Weberschlacht'), Latein (Hugos von Mâcon 'gesta militum', Stephans von Rouen historisches Epos 'Draco Normannicus' oder die 'Historia Alexandri Magni' des Quilichinus von Spoleto), Französisch (Geoffrois de Nés Heiligenviten) oder Englisch/Schottisch (John Lydgates Antikenromane, Gavin Douglas' Traumallegorie 'Palis of Honoure'). Einige von ihnen sind schon bald nach ihrer Entstehung wieder in Vergessenheit geraten, andere wurden weit rezipert und sind doch heute weitgehend unbekannt. Vor nicht allzu langer Zeit war es in der Forschung verpönt, sich mit solchen Texten zu beschäftigen. Schnell konnte es das Todesurteil einer wissenschaftlichen Karriere bedeuten, wenn sich jemand allzu genau für sie interessierte. Sie dienten und dienen vielleicht gerne noch als Dokumente für Zeitgeschichte oder wurden als Steinbruch für realienkundliche oder mentalitätshistorische Fragen (Hofzucht, Waffengattungen, Kleidung etc.) ausgewertet, in der Literaturgeschichtsschreibung dagegen wurden sie teils aus ästhetischen Gründen abqualifiziert, teils aus ethischen Gründen als 'unanständig' zurückgewiesen. Glücklicherweise hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein Wandel vollzogen. Die Anzahl der Forschungsarbeiten zu 'Randtexten' hat zugenommen und einige der früher weniger beachteten Werke sind mittlerweile fest in der Forschung etabliert. Dieser Wandel darf nicht über die Masse von Texten, die in Forschungspublikationen nur geringe Beachtung finden, hinwegtäuschen. Trotz des Aufbrechens früherer Wertungen hat sich gerade in der Durchsetzung neuer Studiengänge in der universitären Lehre ein Kanon von Klassikern festgesetzt, der gegenüber früheren Vorlieben nur geringfügig verändert ist und abermals Autoren an den Rand drängt - nun aber vordergründig nicht mehr aus ästhetischen, sondern aus Gründen des Zeitmanagements. Mit der Tagung wollen wir solchen von der Forschung vergessenen Texten ein Forum bieten. Unser Interesse ist vorrangig ein literarhistorisches. Wir fragen danach, wie eine intensive Beschäftigung mit ihnen die Literaturgeschichte differenzieren und ergänzen kann. Dabei verzichten wir bewusst auf theoretische Zwänge, um die Relektüre dieser Werke als Chance für neue Perspektiven zu begreifen. Gesucht werden Beiträge zu einzelnen Texten, die vor dem Hintergrund ihrer Tradition in ihrer Eigenart gewürdigt werden sollen und zu denen nur wenig Forschungsliteratur existiert. Vorschläge (max. 1 Seite) für 30-minütige Vorträge, gerne auch von Nachwuchswissenschaftlern, bitte bis zum 4.4.2011 an: VergesseneTexte(a)gmx.de Nathanael Busch (Marburg) Björn Reich (Göttingen) ------------------------------------------------------------------------ Björn Reich Graduiertenkolleg für Expertenkuklturen; Goßlerstraße 15a; 37073 Göttingen 0551-39-5119 VergesseneTexte(a)gmx.de |