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2007/01/20 22:23:12
Dr . Hans-Joachim Kühn
Re: [Regionalforum-Saar] Regionalforum-Saar Nachrichtensammlung, Band 35, Eintrag 8
Datum 2007/01/22 15:06:53
Dieter.Bettinger(a)t-online.de
[Regionalforum-Saar] Tagungsband zum Symposium FORTIS 2005
2007/01/12 21:58:43
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Wanderausstellung "Der Saarkohlenwald - Geschichte und Zukunft"
Betreff 2007/01/05 23:40:04
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Zeitungen in einem Notariatsakt von 1861
2007/01/20 22:19:27
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] alte Ansichten von St. Wendel als Lichtbildervortrag
Autor 2007/01/25 19:35:26
Rolgeiger
[Regionalforum-Saar] Vortrag in Wiebelskirchen

[Regionalforum-Saar] Westrich 1914 - der Film

Date: 2007/01/22 11:05:29
From: Rolgeiger <Rolgeiger(a)...

Filmvorführung in Kusel war ein Hochgenuß
Kreissparkasse zeigte alten  Dokumentarfilm von 1914

"In St. Wendel kehrte ich in einem  bescheidenen Gasthof am Marktplatz ein. 
Am nächsten Tag war Markttag. Blöken von  Schafen, Gebrüll von Rindvieh, 
Schnattern von Gänsen, Gackern von Hühnern,  Grunzen von Schweinen und lärmendes 
Geschrei von Händlern und Marktweibern  weckten mich aus dem Schlaf. Ein so 
ländliches Bild hätte ich nicht erwartet."  Mit diesen Worten beschreibt der junge 
jüdische Rechtsanwalt Max Bodenheimer  seinen ersten Tag in St. Wendel im 
Früjahr 1889 in seinen Memoiren. Ein  ähnliches Bild bot sich den Besuchern einer 
Filmvorführung in der Kreissparkasse  Kusel in der vergangenen Woche. 

Gezeigt wurde ein Dokumentarfilm  aus dem Jahre 1914, gedreht anläßlich des 
Besuchs des Großherzogs von Oldenburg.  Der Landrat Otto von Aschoff hatte den 
Film in Auftrag gegeben und auch bezahlt,  aber die Übergabe vom Fotografen an 
den Landkreis ging in den Wirren des Ersten  Weltkriegs unter. So blieb der 
Originalfilm im Besitz der Familie des Fotografen  und wurde Ende der 1970er in 
letzter Minute kopiert. In letzter Minute im  wahrsten Sinne des Wortes, denn 
kurze Zeit darauf löste er sich in Wohlgefallen  auf, oder besser: in eine 
übel riechende Masse, die den ganzen Speicher des  Hauses verpestete. 

Diesen kurzen Abriß über die Herkunft und  Geschichte des Films gab Helmut 
Käfer, der Chef der Kreissparkasse Kusel, in  seiner Begrüßungsansprache. Die 
Kreissparkasse hatte den Film im Jahre 2005 von  der Familie des Fotgrafen 
erworben und stellte ihn mit dieser Veranstaltung zum  ersten Male seit seiner 
Herstellung einer breiten Öffentlichkeit vor.  

Anschließend sprach der Historiker Roland Paul vom Institut für  Pfälzische 
Geschichte und Volksforschung in Kaiserslautern. Er stellte die  Personen vor, 
die damals maßgeblich am Entstehen des Films beteiligt waren:  Friedrich 
August, Großherzog von Oldenburg; Otto von Aschoff, Landrat von St.  Wendel, und 
natürlich auch Heinrich Schranz, den Fotografen. Schranz stand  damals ein 
Budget von knapp 900 Goldmark zur Verfügung (umgerechnet etwa 12.000  Euro). Damit 
drehte er mit einer Kamera einen Schwarz-Weiß-Film - natürlich ohne  Ton - von 
immerhin 16 Minuten Länge. Der Landrat hatte ihm seinen Dienstwagen  zur 
Verfügung gestellt, der des öfteren im Film zu sehen ist. Es war ein  kirchroter 
Mercedes, der von Adam Dallinger gelenkt wurde, dem ersten und damals  einzigen 
Chauffeur des Landkreises. 

Der Film beginnt in St.  Wendel, "wunderschön am Fuße des Bosenbergs 
gelegen". Schranz baute seine Kamera  oben auf dem Wassersack auf und schwenkte 
langsam einmal über die ganze Stadt -  von der Bahnhofstraße über die evangelische 
Kirche und die Obertreis-Schule  hinauf zum Dom, an der Schaadt'schen 
Tabakfabrik und der Magdalenenkapelle  vorbei bis hinauf zum Kappesbord. Kurz vorm 
Schmollschen Haus in der  Balduinstraße endet der Schwenk notgedrungen, denn hier 
kamen ihm ein paar Bäume  in den Weg. Die nächste Einstellung findet uns auf 
dem Schloßplatz, wo - das  Rathaus immer im Hintergrund - der Viehmarkt gezeigt 
wird. Hier werden die  damals typischen Glan-Kühe von ihren Eigentümern zum 
Verkauf angeboten. Direkt  daneben steht der alte Kaiser-Wilhelm-Brunnen, der 
heutzutage oben am  Wendelsborn im Bereich des ehemaligen RAD-Lagers vor sich 
hin zerfällt.  

Jetzt beginnt die Reise des Großherzogs hinüber in die Pfalz in  Richtung der 
Burg Lichtenberg - Berschweiler, damals Sitz der Bürgermeisterei,  und dann 
Baumholder, wo die Ankunft der Kurgäste gefilmt wird. Hier wird  deutlich, mit 
welchem Enthusiasmus Heinrich Schranz, der Fotograf, zugange war -  und 
wieviel Spaß er bei der Produktion des Films hatte. Viele Sequenzen sind  
unfreiwillig komisch (oder vielleicht doch gewollt). Denn die Kurgäste sind samt  und 
sonders Einheimische. Herausgeputzt im Sonntagsstaat gehen sie auf die  Kamera 
zu und biegen kurz davor nach links ab, miteinander plaudernd und  scherzend, 
erst ein paar, dann ein ganzer Schwung Leute, während die Dorfjugend  vor der 
Kamera herumtanzt und diesen seltsamen Kasten und das kleine Männlein im  
langen weißen Mantel dahinter bestaunt. Überhaupt erinnert der Film sehr stark  an 
die alten Dick-und-Doof- oder Buster-Keaton-Filme. Gedreht in Schwarz-Weiß  
und beim Abspielen eine Spur zu schnell. Und in der Mimik und Gestik den  
fehlenden Ton durch heftiges Schwenken der Arme, Beine und Köpfe mehr als  
ausgleichend. Und immer wieder komisch, wenn eine Einstellung nebendran geht und  doch 
im Film belassen wird. Wenn etwa in Landrats Garten plötzlich der große  
schwarze Jagdhund auftaucht, mit einem toten Fuchs im Maul. Und der Herr Landrat  
persönlich im hinterherläuft und ihm den Kadaver abnimmt. Und dann wundert sich 
 niemand mehr, wieso der Fuchs so steif ist - er ist ausgestopft. 
Ein  Abstecher führt dann zu einem der wichtigsten archäologischen Denkmäler 
der  Region, zum Mithras-Denkmal bei Reichweiler/Schwarzerden. 

Auf der  Burg Lichtenberg wird der hohe Gast von den seinen Unterthanen 
begrüßt. Die  Höhere Mädchenschule tanzt und singt auf der Wiese einen Reigen, 
während die  Turnergruppe der Jungen zusieht, jeder mit einer Maß Bier in der 
einen und einer  dicken Zigarre in der anderen. Und wieder setzt sich Schranz 
kongenial in Szene  - er läßt sich von zwei Dorfpolizisten verhaften und abführen. 
Und allen dreien  macht das tierisch Spaß. 

Weiter geht die Fahrt durch die schon  lange nicht mehr existierenden Orte 
des heutigen Truppenübungsplatzes Baumholder  und durch das Tal der Glan, bis 
sie in Idar-Oberstein, der "Perle des Nahetals"  endet. 

Die fast vierhundert Besucher der Filmvorführung genossen  diese sichtlich, 
es gab schallendes Gelächter, verdutztes Schweigen und immer  wieder Rufe des 
Erstaunens. Nach der Vorführung lud die Kreissparkasse in ihrer  Schalterhalle 
zu einem opulenten Büffet ein und bot so den Besuchern  Gelegenheit, das 
Gesehene zu verdauen und darüber zu  sprechen.

Manch einem der Besucher aus St. Wendel mögen die  anderthalb Minuten St. 
Wendel als "wenig" erscheinen und er mag sagen, daß sich  die Fahrt nach Kusel 
deswegen nicht rentiert hätte, aber anderthalb Minuten, das  sind auch 90 
Sekunden. Und in dieser kurzen Zeit sehen wir ein St. Wendel, wie  es heute nicht 
mehr existiert. Und Menschen aus unserer Stadt und unserer  Region, deren Bild 
sich nur durch puren Zufall, eine Laune der Geschichte, bis  in unsere Zeit 
erhalten hat und denen wir hier begegnen dürfen.  

Allein das rechtfertigt den Besuch der Veranstaltung völlig.  

Aufgrund der starken Nachfrage hat die Kreissparkasse Kusel einen  zweiten 
Termin angesetzt, an dem Vortrag und Filmaufführung wiederholt werden:  
Donnerstag, 8. Februar, 19.30 Uhr, wieder im großen Sitzungssaal der  Kreissparkasse. 
Aufgrund der begrenzten Anzahl von Sitzplätzen ist eine  Voranmeldung 
unerläßlich: Tel. 06381 / 911-0.
 
Roland Geiger, St. Wendel